„Mäd Mäm“ heißt das Punk-Zine, dessen Ausgaben eins bis drei ich durchgeschmökert habe. Das englische „mad“ lässt sich vielfältig übersetzen – Es kann sowohl „böse“, „wütend“ oder „verärgert“, als auch „wahnsinnig“, „irrwitzig“ und „geisteskrank“ heißen. Gut Kirschen essen ist mit dieser „Mäm“ also höchstwahrscheinlich nicht, das ist schon mal klar. Und das passt hervorragend zum kämpferischen Anspruch des Magazins, denn „Mäd Mäm“ ist ein feministisches Punk- und Hardcore-Zine. Anspruch der A5-Hefte ist es, dazu beizutragen, den Fokus der Szene von weißen cis-Männern zu „weiblichen, non-cisgener, non-binären und queeren Punkx“ zu lenken – und das ausdrücklich ohne jemanden auszuschließen. Verantwortlich für Text und Gestaltung ist ganz allein Sinah Hasselbach, die zum Wiesbadener Konglomerat Kollektiv gehört – schon mal Respekt dafür.
Die drei Ausgaben von „Mäd Mäm“, die aktuell bestellbar sind, sind Reprints. Denn die ersten Exemplare hatten sich so schnell verkauft, dass Sinah nachgelegt hat. Sie scheint mit ihrem Schwerpunkt also einen Punkt getroffen zu haben, der auf Interesse stößt. Zu lesen gibt es ausschließlich Interviews mit Künstlern aus der Punkszene, die den eben genannten Kriterien entsprechen, also alles, aber nicht cis-Männer dominiert sind. Die Gespräche sind mal auf Deutsch, mal auf Englisch zu lesen, wobei die englischen Texte leicht verständlich sind und den Vorteil haben, dass das Gesagte authentisch rüberkommt und nicht durch Übersetzungen verfälscht wird.
Die erste Ausgabe ist in pink gehalten und behandelt als übergeordnetes Thema die Erfahrung von Frauen, im Szene-Kontext nur als „Freundin von…“ angesprochen und behandelt, also nicht ernst genommen zu werden. Lisa und Kathrin von der feministischen Punkband Speedgirls zum Beispiel haben solche Erfahrungen selbst sammeln müssen, sehen aber auch, dass sich schon vieles zum Positiven entwickelt hat und mehr Bewusstsein für Gleichberechtigung in der Punkszene vorhanden ist. Auch Nine und Faro von Molly Punch finden, dass die Zeit der patriarchalen Verhältnisse in der Musikszene vorbei sein sollte. Sie plädieren dafür, dass bisher benachteiligte Menschen in Zines und auf Konzerten mehr Beachtung bekommen sollten. Filmemacherin Suzy Harrison erzählt davon, dass sie immer eine der ganz wenigen Frauen war, die sich in der Szene, in der sie aktiv war, bewegt haben. Als ihr das bewusst wurde, drehte sie die Dokumentation „So which band is your boyfried in“ über Frauen und geschlechtsneutralen Personen in der britischen Underground-Musikszene. Aber auch sie blickt positiv auf das, was schon erreicht wurde.
In der zweiten Ausgabe von „Mäd Mäm“ plädiert Sabrina Lügt von der Band Lügen dafür, achtsamer zu sein bei der Bewertung von Kunst und Künstler*innen im Netz. Wenn Kritik nämlich nicht mehr konstruktiv ist, sondern sexistisch und diskriminierend ist und die immer gleichen mainstreamigen Vorstellungen davon, wie Punk zu sein hat, reproduziert, dann ist das einfach nicht gut, sagt sie. Auch Sängerin Shawna Potter von War On Women fragt in der dritten Ausgabe, was daran Punk sein soll, Frauenfeindlichkeit und Rassismus zu fördern. Sie setzt sich dafür ein, bei Punkkonzerten einen sichereren Ort für Menschen zu schaffen, die sich bisher bedroht und diskriminiert fühlten. Stattdessen sollten alle aufeinander aufpassen und es sollten zum Beispiel Frauen als Security eingesetzt werden und keine Bands gebucht werden, in denen Vergewaltiger spielen, sagt Kira Lynn, die sich auf vielfältige Weise gegen Gewalt gegen Frauen einsetzt.
Ich war beim Lesen der Interviews teilweise schockiert über die Erlebnisse, über die dort berichtet wird. Aber gerade das ist ja wichtig: die Dinge zu benennen, die passieren und die sich ändern sollen. Insgesamt hinterlassen die Gespräche aber ein positives Gefühl bei mir, denn man sieht, dass es großartige, inspirierende Protagonist*innen in der Punkszene gibt, die sich für Gleichberechtigung einsetzen. Und die meckern nicht nur, sondern machen – und sehen auch, was sich schon positiv entwickelt hat. Und es macht Spaß und gute Laune, das zu lesen. Spaß macht mir auch die Gestaltung von „Mäd Mäm“. Jede Ausgabe hat ihre dominierende Farbe, da wird der Druckrand einfach ignoriert, da sucht man manchmal wo die Frage zur Antwort steht, da ändern sich Schriftarten plötzlich und manche Sätze werden ganz besondern hervorgehoben oder wild über den Knick in der Mitte hinweg geschrieben. Klingt nach Punk. Und das auf eine wirklich coole und geschmackvolle Art.
Für 5 Euro (oder wahlweise mehr) gibt es ein Magazin, von denen jeweils 1 Euro an Solidarity Not Silence gespendet wird. Bestellen könnt ihr hier.
no images were found