Wer in den 90ern noch oder schon ein Bewusstsein für (TV-) Werbung hatte, der kennt vermutlich den Werbeslogan “Wenn´s mal wieder länger dauert…”. Länger gedauert hat es auf jeden Fall, bis mir das Debüt von Mensch Moritz vorlag. Das Album “Willkommen im Freak” ist digital bereits im August letzten Jahres erschienen, aber Materialengpässe, ausgelastete Presswerke, Corona und so weiter haben auch hier das Vinylrelease nach hinten verschoben. Aber jetzt ist es ja da.
Außerdem kommt noch hinzu, dass sich Mensch Moritz aka Moritz Franke, bevor er sich an das Schaffen dieses Albums machen konnte, erst noch seinen Job bei einer Werbeagentur kündigen und sein Seelenleben aufarbeiten musste. Letzteres findet auch auf dem Album statt, sehr direkt, sehr ehrlich und zum Teil sehr erschreckend. Depression, Burnout, toxische Beziehungen, Ängste, Süchte, dass alles findet statt in diesem Album, auf eben so bunte Art und Weise, wie das Cover gestaltet ist. Produziert von Bente Faust, der Mensch Moritz auch auf sein Label geholt hat.
Der Opener “Junkie Heaven” ist musikalisch mitnehmend, textlich verändert sich die Wahrnehmung und Interpretation mit mehrfachen Hören. Müsst ihr mal selber reinhören, dann versteht ihr.
Bei “Notfall” sind die Strophen wunderbar, einzig das wiederkehrende “Tütatatütatü” im Refrain ist nervig. Doch vermutlich soll es genau das sein. Ein Wiederspiegeln der inneren Alarmglocken, die bei Manchen tagtäglich immer wieder läuten. Zermürbend, musikalisch aber wunderbar umgesetzt.
Ein paar Probleme habe ich jedoch bei dem Song “Findet mich nicht, findet euch selbst” mit der ansonsten sehr pointierten Wortwahl. Das bisweilen hypermoralische linke Gewissen meldet sich bei mir und fragt permanent beim Hören des Songs, ob man denn “Spako” sagen dürfe? Ob das von der Kunstfreiheit gedeckt ist? Ich verstehe die Wortwahl, gut finde ich sie aber nicht.
Songs wie “Wichtig ist mir heut egal” oder “Doof arbeiten” sind die Highlights des Albums. Das sich auch mal einem Scheißtag hingeben und ihn sein lassen wie er ist, denn die Zeiten ändern sich, morgen ist es womöglich wieder besser. Okay, dass ist momentan schwer zu glauben, zumindest mit der Nachrichtenlage im Hinterkopf, aber dennoch will man sich der Hoffnung anschließen. Auf der anderen Seite das stetige beackern des sich immer weiter und ja nicht zu langsam drehenden Hamsterrades, was sich nur mit Hilfe von Konsumgütern schönreden lässt. Für den Konsum und das Später das Jetzt ausblenden, Tristesse betäuben.
Hört doch außerdem mal in “Der Freak ist los” rein und auch sehr zu empfehlen ist “Die Angst und Ich”. Ein ruhiger Song, ein nur vom Klavier begleiteter tiefster Seeleneinblick.
Erschienen ist das Album “Willkommen im Freak” in limitierter Auflage als blaues Vinyl auf Off Ya Tree am 25.02., rund sechs Monate nach dem digitalen Release. Bekommt ihr unter anderem über die hier drunter erscheinende Box.