Messer sind wie ein Detektiv Team aus einem Hörspiel: Die drei ???, TKKG oder Die fünf Freunde als Indie-Band. Ein eingeschworenes Team. Sie lösen jeden Fall. Das Cover der neuen Platte “No Future Days” zeigt sie eng umschlungen, als Einheit. Nur so schaffen sie es die Bösewichte zu überführen. Don’t mess with Messer!
Die Songtitel verraten die Abenteuer, die sie bestehen müssen : “Messer und das verrückte Haus”, “Messer und die Tapetentür”, ” Messer und der Tod in Mexiko”, ” Messer und die Frau in den Dünen”, “Messer und die versiegelte Zeit.” und so weiter und so fort…
Spürt ihr die Spannung? Ich werde schon ganz kribbelig. John Sinclair und Perry Rhodan sind nichts dagegen.
Wie in jedem guten Ermittler Team sind die Fähigkeiten und Stärken der Charaktere gut verteilt, Rollenverteilung deluxe.
Bei Messer ist der Kopf der Gang Sänger Hendrik Otremba. Ein schräger Typ mit großem Wortschatz, der diesen jedem Zuhörer ungefragt offenlegt. Ein eigenbrötlerischer Klugscheißer, einer der sich in die Poesie flüchtet . Auf den ersten Blick vielleicht ein unsympathischer Künstler-Freak, jemand den nicht alle verstehen, der abgehoben wirkt. Auf den zweiten Blick ein Ehrenmann, einer der den Tiefgang pflegt, der einfach so ist wie er ist. Der, der die Indizien zusammenbringt und die Lösung präsentiert. Irgendwie wie Justus Jonas. Man mag ihn trotzdem.
Treibende Kraft des Messer Kollektivs ist Basser Pogo McCartney, und das ist wortwörtlich gemeint. Selten habe ich einen Bass gehört, der den Flow einer Band so dominiert, so prägend für den Gesamtsound ist. Bassläufe für die Ewigkeit. Die Ganoven haben keine Chance wenn Pogo seinen Viersaiter zur Hand nimmt, leicht und locker, völlig unverkrampft spielt er sie gegen die Wand. Dabei ist seine Punkrock Vergangenheit kaum noch rauszuhören, fast schon funky wirkt der Bass an manchen Stellen. Wirklich genial gespielt und die Produktion der Platte stellt ihn verdientermassen auf ein Podest.
Jedes gute Detektiv-Team braucht einen Nerd. Einen, der Technik einsetzt um die Schurken zur Strecke zu bringen. Milek, der Gitarrist übernimmt bei Messer diesen Part. Seine Gitarre klingt oft gar nicht nach einem Saiteninstrument, vielmehr lassen Effekte und Spieltechnik seinen Sechssaiter wie einen Synthesizer tönen. Dabei bleibt er oft trotzdem im Hintergrund, überlässt dem Bass und dem Gesang die Führung. Ein Teamplayer, einer der die Fallen aufstellt. Die Falle ist in diesem Fall eine selbstauslösende IndieDubPopPostRockSchnapp-Mechanik, extrem unauffällig, aber sehr effektiv.
Der Mann im Hintergrund ist Philipp Wulf. Ein unaufgeregter Name für eine unaufgeregte Spielweise. Basic Drums. Auf den Punkt. Schnörkellos und deshalb gut. Recherche und Archiv in Reinform. Alles andere wäre unnötige Kirmes. Kommisar Glockner wäre stolz auf ihn.
“No Future Days” ist bereits das vierte Album, aber das erste das den Weg in meine Plattensammlung fand und seitdem auf meinem Plattenspieler schon zahlreiche Runden dreht. Das es mich so begeistert hat mich selbst überrascht, da die vorherigen Alben mich bisher nicht interessierten. Bisher! Wird jetzt nachgeholt.
Hendrik Otremba ist übrigens auch als Schriftsteller tätig, letztes Jahr erschien “Kachelbads Erbe” beim renommierten Verlag Hoffmann und Campe. Sein Erstlingswerk “Über uns der Schaum”(2017,http://www.verbrecherverlag.de) spielt in der Zukunft, auf einer verwüsteteten und verseuchten Erde. Die Musik seiner Band schaut eher zurück, die Achtziger sind das vorherrschende Jahrzehnt, mal poppig, mal postpunkig, aber immer unverkennbar Messer. No Future Days!
Einfach mal den Bassregler an der Anlage hochdrehen und anhören:
Ein wirklich ganz tolles, aussergewöhnliches Album, gegen das die Europa Hörspieldetektive aber mal alle alt aussehen.
Nur zum Einschlafen werde ich wohl doch wieder auf Die drei Fragezeichen zurückgreifen.
Das Album kann unter anderem hier gekauft werden: jpc.de I flight13.com
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