Das zehnte Interview bei Musik trifft Literatur und diesmal verlassen wir den Erwachsenen-Bereich. Jochen Vahle von der “Rockmusik für Kinder Band” Randale macht nämlich schon lange genau das, Rockmusik für Kinder. Die Konzerte der Band sind legendär und machen nicht nur den Kindern Spaß, auch die Eltern stehen mit Grinsebacken vor der Bühne. Pogo, Crowdsurfing und Headbangen findet natürlich auch statt, bleibt aber den Kindern überlassen. Zuletzt erschien sogar eine Schallplatte mit den besten Punksongs der Band und das Layout war ganz wunderbar an DAS Sex Pistols Cover angelehnt.
Aber Jochen hat auch kleines Kinderbuch geschrieben, es trägt den schönen Namen Antonius Priemelmann und handelt von selbigem. Ich habe beim Lesen viel gelacht, deshalb war für mich schnell klar, dass ich mit Jochen dieses Interview machen möchte. Wir sprachen über Randale zur Corona-Zeit, über Musik und übers Spaß haben. Wer Jochen und seine Band nicht kennt, bitte auschecken und dann auch noch das Buch lesen. Lohnt beides auf jeden Fall!
Viel Freude beim Lesen!
Jochen, ihr seid jetzt bereits im 17. Jahr eurer Randale Band-Geschichte, trotzdem hab ich die Erfahrung gemacht, dass Menschen ohne Kinder euch oft nicht kennen. Sei so nett und gib diesen Leuten doch einen kurzen Abriss über das, was wer wann wo macht…
Grundsätzlich ist es eben so: wenn du keine Kinder hast, dann läuft dir eben auch kaum Kindermusik über den Weg oder wenn, dann interessiert dich das nicht. Ging uns früher auch so. Wir haben uns 2004 gegründet, weil meine eigene Tochter da 3 Jahre war und ich damals keine für uns passende Kindermusik finden konnte. Also haben wir mit 4 Leuten Randale gegründet. Wir wollten Kindermusik machen, bei der du als Erwachsener nicht schreiend weglaufen musst. Randale klingen, als ob Die Ärzte gemeinsam mit den Ramones und Iggy Pop Kindermusik machen würden. Familiengerechte Themen werden ohne erhobenen Zeigefinger und mit viel Spass an Nonsens und Wortwitz in Songs verarbeitet. Musikalisch gibt es dazu eine Art “School of Rock ” – also eine bunte Mischung aus Punk, Rock, Metal, Pop, Ska, Reggae, Folk und sogar Disco. Ohne Scheuklappen und ohne sich selbst allzu ernst zu nehmen….
Und ihr habt damit den Grundstein für viele weitere Kindermusikbands gelegt, die ihre Texte nicht in dem vorher üblichen Kindermusik-Sound packen, sondern sich an der Musik orientieren, die sie selber gerne hören. Wie stolz macht euch das, das quasi “eure” Idee so viele Musiker inspiriert hat?
Ganz so isses ja nicht. Es gab schon vor uns Bands wie Die Blindfische aus Oldenburg, Radau aus Hamburg oder Pelemele aus Köln. Nur….wir kannten die nicht. Die machen alle Rockmusik für Kinder. Aber wir waren wohl die ersten, die Punk und Metal mit in ihre Kindermusik integriert habe und graphische Elemente aus Punk und Metal zitiert haben… mit Logos, Shirts oder Song-Hommagen. Die aktuelle Vinyl “Never Mind The Blockflöte” mit dem Sex Pistols Cover ist da ein gutes Beispiel dafür. Junge Kindermusiker wie Jonny Karacho sind mit ihrem Kinderpunk allerdings schon von uns beeinflusst. Das freut uns.
Meine Frage zielte in die Richtung von Projekten wie Deine Freunde, Heavy Saurus oder Rotz’n’Roll Radio, die mittlerweile auch recht erfolgreich sind, aber deutlich nach euch gegründet wurden. Kennt man sich eigentlich untereinander, gibt es so was wie eine “Kindermusiker-Szene”? Festivals, auf denen man sich trifft, fallen aufgrund der Aufmerksamkeitsspanne eurer Zielgruppe ja wahrscheinlich nicht so oft an…
Ob die von uns beeinflusst sind oder nicht, das können wir schlecht beurteilen. Aber wir kennen uns natürlich alle untereinander. Mit Heavysaurus haben wir in Tirol auf einem Festival gespielt und auch auf dem Summer Breeze. Wir kennen Deine Freunde und auch mit Rotz’n’Roll Mastermind Kai Lüftner sind wir gut bekannt. Überhaupt ist die ganze Szene gut vernetzt und tauscht sich aus. Randale sind Teil des Netzwerkes Kindermusik.de und wir tauschen uns regelmäßig mit anderen Kindermusiker*innen aus.
Und nach so langer Zeit habt ihr nun eure erste Vinyl Platte rausgebracht. Warum jetzt, warum erst jetzt?
Naja. Wir hören schon selbst sehr viel Vinyl. Gerade Marc und ich fast ausschließlich. Aber welches Kind hat schon einen Plattenspieler im Kinderzimmer? Es ist wohl schon eher was für die Eltern. Die Nachfrage wurde in den letzten Jahren aber immer größer. Und den Corona Lockdown haben wir eben genutzt, um diese Idee endlich in die Tat umzusetzen. Und wir werden jetzt 1x im Jahr so eine Vinyl Idee umsetzen.
Spielt da auch eine finanzielle Überlegung mit rein? Auftritte vor Publikum fallen weg, diese Einnahmequelle fällt weg. Kann man diese Verluste durch den LP Verkauf auffangen?
Grundsätzlich fehlen uns natürlich die sonst 100 gut bezahlten Auftritte pro Jahr. Randale ist ja Teil unseres Berufs. Aber unsere Fans tragen uns durch den Kauf von CDs, T-Shirts und auch unserer LP durch diese schwierigen Zeiten. Aber wir waren ja auch fleißig. Haben diverse Online Konzerte gespielt. Dafür gab es immer Sponsoren und die Fans haben im Schnitt pro Show 1000,-€ freiwillig Eintritt gezahlt (via PayPal – ohne Paywall). Es ist nicht dasselbe wie ohne Corona, aber viiiiiiiel mehr als wir befürchtet haben. Allerdings ist die Produktion einer schönen Schallplatte, 180gr Vinyl, mit Downloadcodes, Sonderfarben im Druck und erhöhten Verpackungs und Versandkosten nicht wirklich gewinnbringend. In einer 500er Auflage.
Diese Schallplatte war den Punkrock – Songs gewidmet. Weil das eure privat favorisierte Musik ist oder weil die beim Publikum am besten ankommen? Und wisst ihr schon jetzt welche Musikrichtung auf der nächsten Vinyl-LP zu hören sein wird?
Bei der ersten LP ging es um die Umsetzung dieser Idee mit dem Cover-Design. Da passten die Punksongs am besten. Es wird eine Platte geben mit unseren Hardrock-Metalsongs, eine Ska/Reggae , eine eher Indie-Rock und vielleicht sogar eine Disco Platte…. mal sehen, was uns noch so in den Sinn kommt.
Antonius Priemelmann, dein erstes Kinderbuch ist nun erschienen. Hast du es schon länger auf Halde gehabt oder ist auch dies ein Corona – Projekt?
Geschrieben habe ich das eigentlich schon 2015. Dann lag es in der Schublade. 2017 und 2018 habe ich es erfolglos einigen Verlagen angeboten. Als dann im März 2020 der Lockdown kam, habe ich gedacht, die Zeit muss ich nutzen, um auch dieses Projekt in trockene Tücher zu bringen. Als mein Zeichner Peter Zickermann (der übrigens auch für alles Artwork bei Randale verantwortlich ist) noch ein Corona-Künstlerstipendium für die Zeichnungen ergattern konnte, stand der Veröffentlichung mit Hilfe des Bielefelder Verlages TpK nichts mehr im Wege. Und ich bin sehr froh, dass das geklappt hat. Wir haben das Buch zu Weihnachten 2020 sehr gut verkauft und ich schreibe bereits an der Fortsetzung.
Bei der ersten Seite hattest du mich schon erwischt, ich habe laut und lange gelacht. Meine Kinder fanden den Abschnitt dagegen gar nicht so lustig… Hahaha.
Wie auch bei Randale schaffst du es auch bei den Texten immer Eltern und Kinder zu “unterhalten”. Fällt dir das leicht oder ist das eher Produkt harter Arbeit?
Das ist eigentlich der wichtigste Aspekt meiner kompletten Arbeit als Texter oder Mensch auf der Bühne. Ich möchte, dass sich Erwachsene UND Kinder gleichermaßen angesprochen und unterhalten fühlen. Wie bei einem guten Pixar-Film oder wie bei Star Wars. Wenn alle zusammen gemeinsam Spass haben, dann ist es am allerschönsten. Da lachen nicht alle immer an den gleichen Stellen, aber alle haben was zu lachen oder zu freuen oder nachzudenken. Das macht mich glücklich.
Dieses Glück sieht man dir auf der Bühne auch an und liest es auch aus dem Buch heraus. Ist Schreiben, Songtexte oder auch längere Texte, schon immer ein Ventil für dich gewesen? Wann hast du für dich gemerkt, dass Schreiben glücklich machen kann?
Ach, das hat sich so über die Jahre entwickelt. Ich habe das anfangs nicht so hoch eingeschätzt. Aber wenn ich jetzt von Menschen die Rückmeldung bekomme, dass das Geburtstagslied zu jedem Geburtstag fest dazugehört oder das ein Weihnachten ohne unsere Lieder von “Randale unterm Weihnachtsbaum ” nicht denkbar sei, dann macht mich das unglaublich zufrieden und sehr fröhlich. Das gilt z.B. besonders auch für die CD “Randale im Krankenhaus” mit Mutmachliedern für Menschen im Krankenhaus. Wenn ich da die Rückmeldung bekomme “ohne eure Lieder hätten wir Die Zeit im Krankenhaus nicht überstanden”, dann ist das ein tolles Gefühl. Zu Wissen, dass Menschen unsere Randale Lieder und meine Texte etwas bedeuten. Das ist für mich nicht selbstverständlich, sondern was ganz Besonderes.
Was mir bei Antonius Priemelmann sehr gut gefällt ist, dass er zwar einerseits ein Aussenseiter, andererseits damit aber nicht unglücklich ist. Er muss nicht mehr Mut oder Engagement zeigen, er darf einfach bleiben wie er ist. Ohne sich zu ändern. Den anderen die Luft weg zu atmen reicht. Mittel zu sein ist auch gut. Das finde ich einen Gegensatz zu vielen anderen Kinderbüchern, wo dem oder der Protagonist*In eine Verhaltensänderung empfohlen wird. Interpretier ich da jetzt zuviel rein? Gibt es überhaupt eine Botschaft, die du den Kindern oder den Eltern mit auf dem Weg geben willst mit dem Buch?
Oh, das freut mich sehr, dass du das so für dich in dem Buch findest. Ehrlich gesagt habe ich dieses erste Buch am Anfang einfach drauflos geschrieben. Habe es aus den Fingern in die Tasten gehauen. Und dann hat der Antonius so viel eigenes Leben bekommen und eine Geschichte und ein Wesen. Da war wenig geplant. In Antonius steckt ganz viel von mir selbst. Und gleichzeitig ist er nicht wie ich. Schwer zu erklären. Für mich ist Empathie mit die wichtigste Empfindung. Und wenn die Leser*innen sich dann mitfühlend mit Antonius verbinden…. Das ist toll.
Hast du Vorbilder im Bereich Kinderliteratur?
Da ich ja auch schon 50 bin liegen meine Klassiker ganz klar bei Astrid Lindgren, Michael Ende oder Paul Maar. Erich Kästner liebe ich sowohl für seine Erwachsenenbücher als auch für seine Kinderklassiker. “Der 35.Mai” von Kästner ist mein Lieblingsbuch. Wichtig auch Comic-Klassiker wie Asterix, Lucky Luke, Tim und Struppi oder Werner. Ich habe viel MAD gelesen und liebe so richtig schräge Dinger wie Clever&Smart.
Unbedingt erwähnen muß ich natürlich Ottfried Preußler und da besonders das Buch „Krabat“. Dieses Buch hat mich als Kind umgehauen und ich lese es bis heute regelmäßig.
Lass uns zum Abschluss noch mal aufs Thema Musik kommen. Deine Inspiration für die Band hast du hier schon durchblicken lassen, aber was hörst du im Moment so? Welche Band oder welche*r MusikerIn haut dich momentan aus den Socken? Oder Genre oder Album, Song…
Die beste Platte des letzten Jahres war für mich die „Letter to you“ von Bruce Springsteen. Die neue Foo Fighters „Medicine at midnight“ ist mega. Ich freu mich auf die neue Dinosaur jr und auch die neue Spidergawd kann ich kaum abwarten. Ehrlich gesagt höre ich zur Zeit aber ganz viel älteres Vinyl. Meine all time fave ist die „London Calling“ von The Clash. Entdeckt habe ich gerade die ersten Scheiben von Blondie und die allererste von Kim Wilde. Ach ja, die letzte AC/DC „Power Up“ ist unglaublich gut, hätte nie gedacht, dass die noch mal so ein Ding abliefern. Genau wie die letzte New Model Army oder die letzte Bad Religion…. Ach ja…. Was wäre ich ohne Musik…
Ach, ich habe noch die wichtigen Deutschsprachigen Sachen vergessen. Ich finde Kettcar total super und habe letztes Jahr Niels Frevert für mich entdeckt. Seine Platte “Putzlicht” hat mir in der Corona-Zeit mehrfach den Arsch gerettet….
What genres of music does Randale incorporate into their songs?