Musik trifft Literatur reist diesmal nach Wiesbaden, in die Landeshauptstadt des Landes Hessen. Dort lebt Falk Fatal, seines Zeichen Sänger der Punkband Front und einer der Gastgeber des PolytoxPodcasts. Aber Falk ist auch Autor und hat vor kurzem sein zweites Buch “Wir spielen Blinde Kuh auf dem Minenfeld des Lebens” veröffentlicht, eine Sammlung von brandneuen Kurzgeschichten, die – wie auch sein Erstlingswerk – Alltag, Punkrock, Wahnsinn und Bierdusche vereinigen. Gnadenlos gut beobachtet und verdammt witzig!
Wir sprachen übers Schreiben während der Pandemie, über Musik, aber auch über sein politisches Engagement.
Moin Falk, dein zweites Buch “Wir spielen Blinde Kuh auf dem Minenfeld des Lebens” ist gerade frisch erschienen. Ist bei der Veröffentlichung des Zweitlingswerks die Aufregung genauso wie beim ersten Buch, oder hat sich schon eine Vertrautheit entwickelt?
Die Aufregung war und ist bei “Wir spielen Blinde Kuh auf dem Minenfeld des Lebens” genauso groß gewesen, wie bei meinem Erstlingswerk “Im Sarg ist man wenigstens allein” oder auch bei anderen Dingen, die ich in der Vergangenheit veröffentlicht habe. Das Gefühl, endlich das fertige “Produkt” in den Händen zu halten, ist einfach unbeschreiblich toll und ich hoffe, das dieses Gefühl auch bei allen weiteren Veröffentlichungen noch da sein wird. Es wäre schade, wenn es irgendwann einer Vertrautheit weichen würde.
Macht es für dich einen Unterschied, dass die Geschichten für die Leserschaft diesmal ganz neu sind, wogegen sie bei “Im Sarg…” ja größtenteils schon vorher woanders veröffentlicht worden waren?
Es hat für mich einen kleinen Unterschied gemacht, aber mehr weil ich die neuen Geschichten noch nicht vor Publikum lesen konnte. Viele der Geschichten von “Im Sarg…” sind seit vielen Jahren live erprobt. Da konnte ich unmittelbar erleben, wie die Leute darauf reagieren, und habe schnell gemerkt, wenn eine Textstelle zum Beispiel nicht verständlich ist und konnte diese dann verbessern. Diese Testphase hatte ich bei den neuen Geschichten nicht. Ich denke aber, den größten Unterschied macht es für die Leserschaft, denn die bekommt elf Geschichten, die sie noch nicht kennt.
Die Geschichten sind also alle auch in der Corona Zeit entstanden? Hat sich dein Schreib-Prozess durch diese Umstände geändert?
Eine Geschichte war schon vor Corona fertig, eine andere hatte ich angefangen. Die übrigen Geschichten habe ich während Corona aufgeschrieben. Ich muss gestehen, dank Corona hat sich der Schreibprozess für mich sehr vereinfacht, weil ich auf einmal sehr viel Zeit hatte. Keine Konzerte, keine Lesungen, kein Auflegen, keine Parties, nicht mal mehr mit Freunden in der Kneipe versacken. Ich hatte also auf einmal sehr wenig Ablenkung und sehr viele Wochenenden, an denen ich schreiben konnte und das kam mir natürlich sehr zugute. So gesehen zähle ich zu den Krisengewinnern.
Weisst du direkt, in welcher Form die Idee, die dir durch den Kopf geht verarbeitet wird? Also ob es eine Geschichte wird, oder ein Songtext, ein Thema für den Podcast? Finden eventuell sogar Überschneidungen statt?
Bislang wusste ich immer vorher, ob es eine Geschichte oder ein Liedtext wird. Dafür unterscheiden sie die beiden Textgattungen, zumindest bei mir, zu sehr. Die Songtexte sind ja meist sehr knapp und kurz und versuchen auf den Punkt zu kommen, während ich den Geschichten auch gerne mal abschweife. Es ist also noch nie vorgekommen, dass ich plötzlich überrascht festgestellt habe, dass ich ja eine Geschichte geschrieben habe, obwohl ich einen Liedtext für FRONT schreiben wollte. Es kommt aber natürlich vor, dass die im Podcast geäußerten Gedanken in spätere Liedtexte oder Geschichten einfließen. Bei “Wir spielen Blinde Kuh auf dem Minenfeld des Lebens” war es definitiv so, dass ich manche Beobachtungen oder Witze zuerst im Podcast geäußert habe und die dann hinterher in Geschichten eingeflossen sind.
Wann hast du denn angefangen zu schreiben? Schon als Kind oder erst später beim “Der gestreckte Mittelfinger”? Wirf mal einen Blick in deine Schreiberling – Historie…
Zählen Abenteuergeschichten aus dem Deutschunterricht der Grundschule dazu? Dann habe ich wohl schon als Kind mit dem Schreiben begonnen. Tatsächlich habe ich in der 3. oder 4. Klasse sogar schon mein erstes “Fanzine” herausgebracht. Das hieß Star und bestand aus zusammenkopierten Witzen aus der Bravo und dem YPS-Heft, meinen damaligen Lieblingszeitschriften, sowie erfundenen Interviews mit Alf und K.I.T.T, meinen damaligen Lieblingsstars neben den Ärzten. Das habe ich dann alles in bester Cut’n’Paste-Manier zusammengebastelt, mein Vater hat es mehrfach kopiert und ich habe das dann an meine Mitschülerinnen und Mitschüler für 20 Pfennig verkauft, haha.
Wirklich angefangen zu Schreiben habe ich dann aber erst als Teenie. Da gab es bei uns an der Schule ein Lyrikprojekt, bei dem ich mitgemacht habe und an dem ich viel Spaß hatte. Da habe ich dann erst einmal viele Gedichte geschrieben und irgendwann auch Texte für meine erste Band The Becks Street Boiz. Längere Texte oder Kurzgeschichten kamen dann erst mit dem gestreckten Mittelfinger. Das muss so 2001 gewesen sein, da war ich dann aber schon über 20. Durch den gestreckten Mittelfinger kam ich dann in Kontakt mit anderen Fanzinern, habe dann teilweise auch für andere Hefte, wie den Pankerknacker, das Drachenmädchen oder den Human Parasit Geschichten geschrieben oder tue das bis heute noch. Irgendwann kamen dann auch die ersten Lesungen dazu und irgendwann wuchs der Wunsch, meine besten Texte mal gesammelt in einem Buch zu veröffentlichen, was dann einige Jahre später auch geklappt hat. Und währenddessen war und bin ich für die Texte meiner Band FRONT verantwortlich, für die ich auch immer fleißig am Schreiben bin.
Ich bin immer wieder erstaunt, wieviele Gesprächspartner*Innen hier Lyrik als wichtigen Einfluss nennen. Deinen Geschichten merkt man diesen Einfluss nicht an, deinen Songtexte schon eher… Welche Lyriker*Innen haben dich da besonders geprägt?
Ist das so? Macht aber Sinn. Ich könnte mir vorstellen, das Lyrik einen vergleichsweise einfachen Einstieg ins Schreiben bietet. Ein Gedicht zu schreiben, wirkt vor allem am Anfang sicher einfacher zu meistern als eine Kurzgeschichte oder gar einen Roman. Ein paar Zeilen kriegt vermutlich jede:r mit ein bisschen Geduld hin. Vielleicht ist das der Grund, warum viele Lyrik als Einfluss nennen.
Anfangs, also nach dem erwähnten Lyrikprojekt an der Schule, gab es keine wirklichen Lyriker:innen, die mich prägten, im Gegenteil, ich fand die Sachen, die wir in der Schule zum Lesen bekamen ziemlich langweilig und ohne Verbindung zu meinem Leben. Das änderte sich erst, als ich auf Autor:innen stieß, die man grob der Beat Generation zuschlagen kann, also Allen Ginsberg, Jack Kerouac oder Gregory Corso. Die Anthologie “Acid. Neue amerikanische Szene” hatte sicher auch einen großen Einfluss. An deutschen Autoren wären Rolf Dieter Brinkmann oder Jörg Fauser zu nennen. Und selbstverständlich Charles Bukowski, dessen Gedichte ich deutlich besser finde als die Romane oder Kurzgeschichten. Das fühlte sich nicht so elitär und so fern von meiner eigenen Realität an, auch wenn meine Realität auf dem Dorf natürlich eine komplett andere war als bei den genannten Dichtern, haha. Später tauchte ich dann ein bisschen in die deutsche Social Beat Szene ein und entdeckte so wunderbare Autoren wie Kersten Flenter, Philipp Schiemann, Roland Adelmann und einige andere, die sicher auch ihren Einfluss auf mich und mein Schreiben hatten. Allerdings habe ich schon seit Jahren keine Gedichte mehr geschrieben, außer halt die erwähnten Songtexte, von denen manche sicher auch als Gedicht durchgehen könnten.
Kannst du dir auch vorstellen einen ganzen Roman zu schreiben? Deine Ich – Erzähler erleben ja genug Stoff dafür…
Ja, klar, das kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich habe auch vor einen zu schreiben. Ein paar lose Ideen für mögliche Handlungen sind da. Ich muss das demnächst einmal alles ein wenig sortieren und ausarbeiten und dann mal sehen, in welche Richtung es gehen soll.
Du erwähntest, wieviel Zeit du in der Pandemie plötzlich hast.
Zeit, die du auch viel in den Polytox Podcast steckst. Was macht den Reiz eines Podcast im Allgemeinen und speziell beim Polytox aus?
Der Reiz von Podcasts liegt für mich vor allem darin, das ich Gespräche hören oder führen kann, die mehr in die Tiefe gehen können als das in vielen Zeitschriften, im Radio oder Fernsehen der Fall ist, da es keine Zeilen- oder Minutenlimits gibt. Ein zweistündiges Gespräch, mit nur einer Person, wirst Du im Radio nicht hören und im Fernsehen nicht sehen können und Du wirst es auch nirgends lesen können, da es sonst den Platz jeder Zeitschrift sprengen würde. Bei Podcasts ist das kein Problem. Als Produzent kommt hinzu, dass ich das Gespräch nicht abtippen und dann auf die Kernaussagen eindampfen muss.
Was den Reiz des Polytox Podcast für die Hörenden ausmacht, kann ich natürlich nur schwer sagen, aber ich glaube ein zentraler Punkt ist, das mein Co-Host Raidy und ich ziemlich unterschiedliche Menschen sind. Er ist mehr der aufbrausende Typ, der mehr aus dem Bauch heraus argumentiert und auch gerne mal einen flotten Spruch oder eine steile These in den Raum wirft, während ich mehr der ruhige, nachdenklichere Typ bin, der auf viele Dinge einen etwas sachlicheren Blick hat. Da wir auch gerne mal unterschiedlicher Meinung sind oder zumindest im Podcast vertreten, erzeugt das eine gewisse Reibung, die für unsere Stammhörer:innen anscheinend interessant und amüsant ist. Diese Reibung ist dann auch für mich, neben dem Kennenlernen von interessanten Gäst:innen, der größte Reiz. Und während der Pandemie tat und tut es auch einfach gut, sich ein bis zwei Mal die Woche mit einem Freund zu unterhalten.
Ja, da hast du euch gut charakterisiert. Ich finde auch, dass die Unterschiedlichkeit eurer Charaktere den Charme ausmacht, aber auch dass ihr bei der Auswahl der Gesprächspartner*Innen euch nicht scheut, auf Konflikte zu treffen. Ich denke da z. B. an Philip Schlaffer, einen Neonazi Aussteiger, der euch sogar in zwei Folgen Rede und Antwort stand…
Ja, das stimmt. Es kann auch ruhig einmal etwas kontroverser sein, solange es nicht persönlich wird. Aber wir suchen uns unsere Gäste nicht nach ihrem möglichen Konfliktpotenzial aus, sondern ob sie interessant sind und interessantes zu erzählen haben. Und dafür schauen wir auch mal gerne über den Szenetellerrand hinaus. Im Fall von Philip war es lustigerweise aber so, das die meiste Kritik seine Ausdrucksweise betraf, also wie er etwas gesagt hatte, und nicht was er gesagt hatte. Die zweite Folge kam zustande, da nach der ersten Folge noch einige Fragen offen geblieben waren und unserer Hörer:innen ebenfalls noch einige Fragen hatten. So kam es zu den beiden Folgen mit Philip Schlaffer.
Wie kam der Kontakt zu Philip denn zustande? Philip selbst sagt ja, dass er täglich angefeindet wird für seinen Ausstieg und seine heutige Arbeit. Was glaubst du, war seine Intention, mit zwei Punks aus der “linken Ecke” in einem Podcast zu reden?
Das haben wir Raidy zu verdanken. Er ist irgendwann auf Philips Youtube-Kanal aufmerksam geworden, hat sich die Videos reingezogen und meinte dann irgendwann, das wir Philip mal in den Podcast einladen sollen. Ich habe mir dann auch viele Videos angeschaut und ein bisschen zu ihm recherchiert. Raidy und ich waren schnell davon überzeugt, das Philips Ausstieg aus der rechtsextremen Szene glaubhaft ist und dann haben wir ihn gefragt. Er hatte direkt zugesagt und so kam es dann zur ersten Folge mit ihm.
Zu Philips Beweggründen, gerade mit uns zu reden, müsstest Du ihn am besten selbst fragen, da kann ich nur spekulieren. Ich glaube, dass dies ein stückweit zu Philips eigener Vergangenheitsaufarbeitung gehört, das er sich mit “seinen früheren Feinden” an einen Tisch setzt und er allen zeigen möchte, das er nicht mehr in rechtsextremen und kriminellen Kreisen verkehrt und damit komplett gebrochen hat. Ein Grund war vermutlich auch, dass wir ihm gegenüber nicht oberlehrerhaft oder dogmatisch aufgetreten sind und wir waren halt mit die Ersten, die ihn gefragt haben. Danach hat er ja auch noch anderen Punkzines Interviews gegeben.
Sowohl du, als auch deine Band Front seid Unterzeichner bei artistsagainstantisemitism.org. Kannst du ein bisschen was zu dieser Initiative erzählen?
Zu den genauen Hintergründen kann ich dir gar nicht so viel sagen, da ich an der Entstehung der Initiative nicht beteiligt war. Ich bin am Wochenende, bevor artists against antisemitism an die Öffentlichkeit ging, von einem Freund darauf aufmerksam gemacht worden. Da es für uns eine antifaschistische Selbstverständlichkeit ist, Antisemitismus entgegen zu treten, war es nach kurzer Rücksprache mit dem Rest der Band klar, das wir diesen Aufruf mitunterzeichnen. Antisemitismus ist ein Bindeglied, das alle reaktionäre Bewegungen vereint und den Nährboden für eine antiemanzipatorische Querfront bietet. Wir sehen das hierzulande ja auch bei den sogenannten Querdenker:innen, bei denen Esoteriker:innen, Verschwörungsgläubige und beinharte Neonazis gemeinsame Sache machen. Dagegen wollten wir mit unseren begrenzten Mitteln ein Zeichen setzen, deshalb sind gerne bei den Artists against Antisemitism dabei.
Dieser Antifaschismus, war das auch etwas was dich an Punk interessierte? Oder ist Punk für dich nicht per se links und/oder politisch?
Bei mir waren Punk und Antifaschismus zwei Dinge, die sich parallel entwickelt haben und dann aber irgendwann eine Art symbiotische Beziehung eingegangen sind. Ich glaube, so ein Grundantifaschismus oder vielleicht besser gesagt, die Voraussetzungen dafür waren bei mir schon von klein auf vorhanden. Ich bin so erzogen worden, dass Aussehen, Herkunft oder Religion eines Menschen nichts über dessen Persönlichkeit aussagen. Die Serie an Brandanschlägen von Neonazis auf Flüchtlingsheime, die gewalttätigen und oft genug leider tödlichen Übergriffe auf Migrant:innen oder Menschen, die von den Neonazis dafür gehalten worden, aber auch Obdachlose und Punks und der zum Teil heftige Beifall der “normalen” Bevölkerung, der schließlich mit der Verschärfung des Asylrechts “belohnt” wurde, taten ihr Übriges. Dass Neonazis und deren Sympathisant:innen scheiße sind und bekämpft werden müssen und der deutsche Staat herzlich wenig dagegen tut, waren für mich also auch ohne Punk offensichtlich. Aber das viele der Punks und der Bands, die ich damals kennenlernte, ähnliche Ansichten zu Nazis, Rassist:innen und dem Staat hatten, machten mir Musik und Szene natürlich noch sympathischer und haben selbstverständlich dazu beigetragen, dass ich mich in dieser Szene bis heute sehr wohl fühle.
Waren es denn auch die Bands, die diese Verlogenheit und Rassismus der Gesellschaft anprangernten, die dich zum Punk brachten? Ich denke da an Slime und ihr Scbweineherbst Album, oder auch an… But Alive. Oder welche Band, welche Musiker*Innen haben dich zu dieser Zeit geprägt?
Nein, die von Dir genannten Bands habe ich erst später kennengelernt. Bei mir ging das in der Grundschule mit den Ärzten los. Die fand ich klasse. Dummerweise lernte ich sie erst nach ihrer Auflösung kennen, aber mit Liedern wie “Claudia hat einen Schäferhund”, “Geschwisterliebe” oder “Schwanz ab” konnte ich prima meine Eltern und Lehrer schocken, was mir neben der Musik ebenfalls sehr gut gefiel. Über einen kleinen Artikel in der Bravo wurde ich dann irgendwann auf die Sex Pistols aufmerksam. Damals gab es in der Bravo eine kleine Rubrik, in der kurz und knapp auf vergangene Ereignisse aus der Rock- und Popmusik hingewiesen wurde, die heute vor 10 oder 20 Jahren passiert sind. Und da bin ich irgendwann über eine Notiz über die Sex Pistols gestolpert, die mich sehr interessierte, da die Band in der Bravo natürlich als Skandaltruppe schlechthin abgetan wurde. Zwei Ortschaften weiter gab es einen Plattenladen und als ich dort dann die “Never Mind the Bollocks” entdeckte, kaufte ich mir die sofort und es war um mich geschehen. In den nächsten Wochen hörte ich nichts anderes als diese Schallplatte. Von Punk an sich und der Szene und DIY hatte ich zu diesem Zweitpunkt aber noch überhaupt keine Ahnung. Ich bin in einer sehr dörflichen Gegen aufgewachsen, eine Punkszene oder ähnliches an der ich mich hätte orientieren können, gab es da nicht. Und das Internet war Anfang der 1990er-Jahre mehr Science Fiction als baldige Realität. Es war also gar nicht so einfach, an Informationen zu gelangen. Über die Sex Pistols habe ich dann zunächst den ganzen anderen klassichen Britpunk wie Buzzcocks, Vibrators, Damned, Eddie & the Hot Rods, Undertones, Joy Divison oder US-Bands wie Ramones, Dead Boys oder Black Flag kennengelernt. Mit Deutschpunk kam ich erst in Berührung als ich dann andere Punks kennenlernte und wir uns gegenseitig Tapes aufnahmen und Platten oder CDs überspielten. Neben Slime oder …But Alive spielten aber auch Bands wie Terrorgruppe, Knochenfabrik, Toxoplasma, EA80, Schleimkeim oder Müllstation eine große Rolle für mich damals.
Der Sound von Front spiegelt sich in dieser Sozialisation aber kaum wieder. Natürlich ist es nicht bei den genannten Bands geblieben, aber trotzdem die Frage, wie groß dein Einfluss auf den Sound bei Front ist. Bist du am Songwriting abseits der Texte beteiligt?
Na ja, wie man es nimmt. Ich denke schon, dass sich meine Musiksozialisation, wie auch die von Pätzi, Markus und Matthias in irgendeiner Form auch im Sound von FRONT widerspiegelt. Aber klar, die von mir aufgezählten Bands waren solche, die mich zum Punk gebracht und anfangs begeistert haben und sind vielleicht nicht die Bands, von denen man eine gerade Linie zu den heutigen FRONT ziehen kann. Und natürlich haben sich unsere Geschmäcker in den vergangenen 25 bis 30 Jahren auch verändert und erweitert. Wir haben FRONT damals gegründet, um solch einen Sound, wie wir ihn spielen, zu spielen, also würde ich meinen Anteil auf etwa 25 Prozent beziffern. Da ich überhaupt kein Instrument spiele, ist meine Rolle im Songwriting natürlich deutlich geringer als die von Pätzi oder Matthias, die die meisten Songideen und Riffs einbringen, oder von Markus, der sich passende Bassläufe dazu überlegt. Aber natürlich bin ich dann an der konkreten Ausgestaltung der Lieder im Proberaum beteiligt und bringe meine Ideen und Vorschläge mit ein, sodass die fertigen Lieder schon ein Gemeinschaftswerk sind.
Podcast, Band, Buch. Und auch schon ein eigenes Label mit Matula Records. Alles mal ausprobiert. Letzteres führst du nicht mehr weiter. Ist Label-Arbeit die undankbarste Variante deines Treiben gewesen, oder warum hast du das eingestellt?
Langweilig war und ist mir auf jeden Fall selten. Ich würde die Labelarbeit aber nicht als undankbar bezeichnen. Matula Records zu führen und Platten von Bands zu veröffentlichen, die ich geil finde, diesen ganzen Prozess zu begleiten bis die Platte schließlich veröffentlicht ist, hat mir immer viel Spaß gemacht. Aber dann geht die eigentlichr Arbeit ja erst los, denn die Platten sollen ja nicht im Keller verschimmeln, sondern unters Volk gebracht werden. Und dieser Teil der Labelarbeit frisst einfach viel Zeit. Man muss beständig am Ball bleiben und kontinuierlich Zeit investieren. Spätestens seitdem ich mit dem Studium fertig war und einem regulären Fulltimejob nachgehe, habe ich nicht mehr die Zeit, das vernünftig zu machen beziehungsweise auch nicht mehr die Lust, meine verbliebene Zeit in ein Label zu stecken. Ich bin mit Schreiben, Podcast, Band und Familylife genügend ausgelastet.
Hast du schon konkrete Pläne für die Nähe Zukunft? Die Lockerungen schreien ja quasi nach Konzert, oder?
Ja, ich hoffe, dass wir bald alle durchgeimpft sind und dann wieder halbwegs normal Konzerte und Lesungen stattfinden können. Bei FRONT stehen zumindest schon einmal zwei Termine für 2022 fest: am 15.1. im Schlachthof Wiesbaden mit Chefdenker und dann im Sommer beim Ruhrpott Rodeo. Aber ich denke, da werden noch ein paar Konzerte hinzukommen. Wir sind auf jeden Fall heiß auf die Bühne zurückzukehren. Außerdem arbeiten wir an einigen neuen Liedern und die werden wir dann auch irgendwann aufnehmen wollen. Ich persönlich werde, wenn es bis dahin mit dem Impfen klappt, im September und Oktober ein paar Lesungen haben und mir Gedanken über das nächste Buchprojekt machen.
Ich lasse mich immer gern inspirieren von meinen Gesprächspartner*Innen. Also welche Bands, welche*r Musiker*In, welche Alben überzeugen dich gerade? Und was hast du zuletzt gelesen, was du mir unbedingt empfehlen kannst?
Einige meiner aktuellen liebsten Lieblingsplatten sind zurzeit “Alles 3rd gut” von ISS, “Hindu Flying Machine” von Mean Motor Scooter, “Post Internet Blues” von Gad Whip, “Now Here’s An Echo From Your Future” von Girls in Synthesis, “Bliss” von Incisions und die 8-Song E.P. von Clayface. Die neue Scheibe von Kontrolle kann auch ne Menge und die neue Maulgruppe sowieso. Sehr geil finde ich im Moment auch The Chats, Viagra Boys, Bad Breedings, Shame und Snake Tongue.
An Büchern hat mich zuletzt “American Gods” von Neil Gainman total begeistert genauso wie “Reklame für mich selber” von Norman Mailer. Ein herrliches Durcheinander. Sehr zu empfehlen ist auch “Abfall für alle” von Rainald Goetz. Aktuell lese ich “Schwere Jungs & leichte Mädchen” von Damon Runyon, das mir auch gut gefällt. Von Maxim Biller hatte ich neulich die “Tempojahre” gelesen, das einige tolle Essays und Kolumnen enthält.
Die obligatorische Vinylfrage : Welches Medium bevorzugst du, Platte, CD, Tape, Stream? Und wie sieht es beim Lesen aus? Kommt dir nur ein “richtiges” Buch auf den Tisch oder darf es auch ein Ebook sein?
Mein bevorzugtes Musikmedium ist ganz klar die Schallplatte. Von Bands, die ich mag, versuche ich eigentlich immer mir das Vinyl zu besorgen. Ich höre Musik zwar auch digital, das heißt per MP3 oder Stream auf dem Handy, wenn ich unterwegs bin, aber zuhause lege ich dann doch am liebsten eine Schallplatte auf. Bei Büchern ist es ähnlich. Ich habe zwar auch schon E-Books auf dem Handy gelesen, aber das waren wirklich wenig. Wenn ich ein Buch lese, dann ist es ein gedrucktes Buch. Ich besitze aber kein E-Book-Reader oder Tablet, auf dem ein E-Book vielleicht angenehmer zu lesen wäre als auf dem Smartphone.
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