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MusInclusion – Interview mit dem Berliner Club SO36

Gastbeitrag von Arnica Montana

by Nathalie
18/12/2022
in Interviews, MusInclusion
Konzert im SO36 (Foto: Chris/SO36)

Konzert im SO36 (Foto: Chris/SO36)

Heute könnt ihr hier wieder ein „MusInclusion“-Interview von unserer Gastautorin Arnica Montana (ihr erstes Interview bei uns mit Talli Osborne findet ihr hier) lesen- Herzlichen Dank an dieser Stelle!

Das folgende Interview mit Lilo und Pasqual vom Kult-Punk-Club SO36 in Berlin wurde von Arnica Montana am 25.08.2022 vor Ort geführt, viel Spaß beim Lesen!

 

Hallo Lilo und Pasqual, vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt, um mit  mir über das Thema Barrierefreiheit in Clubs zu reden. Zuerst einmal: Was beutetet  euch Inklusion?  

Pasqual: Generell ist uns Teilhabe am Programm, egal was wir auf die Bühne bringen, sehr wichtig. Es geht uns nicht nur darum, was auf der Bühne passiert, sondern wir haben erstmal einen größeren Fokus, was vor der Bühne so los ist. Wir wollen einen niedrigschwelligen Zugang für den Club haben und ganz generell keine krass selektive Tür. Hier kommt jede Person erstmal rein. Und das zählt genauso für Menschen mit, als auch ohne Beeinträchtigungen.  

Wie würdet ihr Barrierefreiheit definieren? Es gibt ja verschiedene Behinderungen.  

Pasqual: Dieses Bewusstsein ist über die Jahre gewachsen und mit Sicherheit jetzt noch nicht so weit, als dass ich alles im Kopf haben könnte. Gesellschaftlich ist inzwischen schon bisschen was getan worden, um das in mein Bewusstsein zu holen. Früher war barrierefreier Abend für mich völlig begrenzt auf Mobilität, andere Beeinträchtigungen habe ich nie groß auf dem Radar gehabt. Durch Veranstaltungen, die wir hier gemacht haben, oder im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, die alle einen eigenen Horizont und andere Aspekte reinbringen, war schon mal ein Blindenleitsystem im Gespräch und  andere Sachen.  

Lilo: Barrierefreiheit soll für uns natürlich uneingeschränkten, selbstständigen Zugang ohne Hilfen bedeuten, aber davon sind wir weit entfernt. Wir sind jetzt gerade mal so weit, dass wir Zugang für Rollstuhlfahrer*innen haben und unsere Toilette rollstuhlgerecht umgebaut worden ist.  

Aber für alle anderen Behinderungen sind wir nicht wirklich aufgestellt. Außer für Gehörlose, klar, da hangeln wir uns durch. Ende der Neunziger hatten wir zwei gehörlose Kollegen. Der eine im Dekobereich, der andere bei der Garderobe. Das hat natürlich unseren Blick verändert. Sonst verständigen wir uns oft durch Zurufe wie: „Achtung, pass auf!“. Da gab’s stattdessen einen Pointer, aber wir mussten immer darauf  achten, dass die Rückmeldung kommt. Wir mussten also unser Arbeiten verändern. Es  war schwierig, aber wir haben es gemacht. Die Jahre, die wir hier zusammen gearbeitet haben, war es ein Wachsen und Ausprobieren.  

Damals haben wir einen Crashkurs in Gebärdensprache gemacht. Leider ist dreißig Jahre später nur wenig davon hängengeblieben. Wenn du das nicht nutzt, geht das verloren, wie bei anderen Sprachen.  

Aber ihr könntet damit umgehen, wenn jemand sich im Vorfeld meldet und das  abfordert. Fällt es dir dann möglicherweise wieder ein?  

Lilo: Ja, auf jeden Fall.  

Pasqual: Trotzdem, wenn ich als Mensch ohne Behinderung irgendwo hin gehe, dann muss ich mich ja auch nicht vorher anmelden. Es wäre uns viel, viel lieber, wenn wir entsprechend aufgestellt wären. Genau deshalb fühlen wir uns ja auch nicht so: „Oh, wow!  Wir sind so wahnsinnig weit!“. Oh nee, du musst hier anrufen und sagen: „Ey, pass mal auf, ich komme nächste Woche auf das Konzert.“ Das fängt schon mit der Rollstuhlrampe an, die man einfordern muss. Wo wir immer total überrascht sind, ist die Frage: „Wie sieht’n das aus, ich komme als blinde Person. Ist meine Begleitung frei?“ NATÜRLICH! Klar. Offensichtlich gibt es Orte, wo das nicht so ist, weil da muss ja ein Erlebnis gewesen sein, um so eine Frage zu stellen. Wir haben hier auf jeden Fall wahnsinnig offene Ohren, aber wir wären halt viel glücklicher damit, wenn man einfach als Person mit Behinderung  irgendwo spontan aufschlagen kann.  

Es ist also noch Luft nach oben.  

Beide: Ja, auf den Fall.  

Lilo: Weiterbildungen sind super. Das haben wir immer aus einem Anlass gemacht, wie zum Beispiel für „Konfetti“ oder mit den gehörlosen Kollegen. Leider machen wir die momentan gar nicht.  

Stichwort „Konfetti“! Da würde ich erstmal gerne noch mehr drüber hören, bevor wir zu den Weiterbildungen kommen. Das ist ja im Moment nicht mehr, oder?  

Lilo: Die Idee dazu ist entstanden, als ich bei einer Veranstaltung vom Musicboard Graf Fidi getroffen habe. Er war auf dem Podium und es ging darum, dass eigentlich nirgendwo  Menschen mit Behinderung auftreten. Da habe ich gesagt: „Bei uns im SO36 sind schon öfter Menschen mit Behinderung aufgetreten.“ Ich habe von dieser Veranstaltung bei der Queerparty damals erzählt, die Reise nach Lourdes oder Mat Fraser aka Thalidomid  (Contergan) Ninja, der Rapper, Schauspieler, Performer, Theaterautor aus England. Also  das war uns wirklich wichtig und Teil des Programms. 

Daraufhin hat Fidi mich hinterher angesprochen, wir sind ins Gespräch gekommen, haben uns getroffen. Dabei haben wir die Idee entwickelt, eine Reihe zu machen. Dann haben wir „Konfetti“ zusammen mit dem Team gestartet. Zwei Jahre in Folge gab es diese  Veranstaltung, wo Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam auftraten und im  Publikum waren.  

 

Metzer58 Konzert (Foto: Nanette/SO36)
Metzer58 Konzert im SO36 (Foto: Nanette/SO36)

 

War die gut besucht? 

Lilo: Nein, die war nicht gut besucht. Ich hatte immer das Gefühl, dass das als  Nischenveranstaltung aufgenommen wurde. Ohne die Förderung hätten wir das eigentlich gar nicht machen können. Wir hätten’s zwar  trotzdem gemacht, aber es wäre dann ein totales Minus geworden. Das war schon wirklich schade, weil wir sehr viel Werbung gemacht haben, auch im Radio. Wir dachten alle, das ist was Tolles und hatten auch coole Artists. Und dann wird es nicht wirklich angenommen.  

Ja komisch. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Gesellschaft sich ein Stück weit  von der allgemeinen Stigmatisierung von Behinderung losmachen muss. Behindert  ist immerhin ein Schimpfwort. Ist das dann überhaupt cool so eine Veranstaltung zu besuchen von und mit Behinderten? Und aus der anderen Perspektive gefragt: „Gehe ich da hin, nur weil ich selbst behindert bin?“  

Pasqual: Es gibt Menschen ohne Behinderung, bei denen ist vielleicht so ein Gefühl, wie: „Das ist irgendwie keine Musik.“ Das geht halt schon auch so ein bisschen mit in die  Richtung: „Für eine Frau war das ja ganz gut, die Stimmung war schon ganz okay. Ah ja, das ist so ein Nischending, die Zielgruppe ist behinderte Leute und musikalisch kann man da wahrscheinlich nicht allzu viel erwarten.“ Ich finde deinen Aspekt als Person mit Behinderung auch verständlich. „Ich bin jetzt hier die Zielgruppe und lass mich darauf aber nicht reduzieren.“ 

Lilo: Ich gehe zum Beispiel zum einen zu Veranstaltungen hin, wenn mir die Musik gefällt, zum anderen gehe ich hin, aus Neugier und um zu supporten. Wenn du jetzt googelst: „Musiker*innen mit Behinderung“, „Bands mit Behinderung“ – Da kriegt man ja irgendwie ganz schlimme Ergebnisse. Da kriegt man entweder Leute wie Stevie  Wonder oder aus dem soziokulturellen Bereich. Ich will das gar nicht abwerten, aber das ist, als ob es dazwischen nichts gibt. Also, wenn ich jetzt eine Behinderung hätte, dann würde ich doch ein Rolemodel finden wollen. 

Ich weiß ganz genau was du meinst. Deswegen versuchen wir das durch „MusInclusion“ zu verbessern. Nämlich, dass es zum Beispiel vielfältige Ergebnisse und mehr Sichtbarkeit gibt. 

Lilo: Noch zum „Konfetti„-Konzept: Vielleicht ist diese Mischung das Ungewöhnliche. Bei „Konfetti“ waren auch Gebärdendolmetscher*innen und DKN, die gehörlose Rapperin. Da fühlen sich Hörende eventuell ausgeschlossen. Ich bin z.B. mal zu einer Kino Veranstaltung im Wedding gegangen, da war alles gebärdet. Im Publikum waren etwa 300  Gehörlose und 20 Hörende, die es nicht so richtig geschnallt hatten. Muss man ja auch mal sagen. 

Da war es dann mal umgekehrt.  

Lilo: Ja, dann war es mal umgekehrt. Das, was gebärdet wurde, wurde für uns lautsprachlich übersetzt. Als wir an der Kasse bestellen wollten, war es auch wirklich witzig. Sie haben sich ein bisschen über mich lustig gemacht. Diese Umdrehung der Positionen, das war ganz schön. Als damals Signmark, der gehörlose Rapper aus Finnland, bei uns aufgetreten ist, im Rahmen einer Gehörlosen-Woche, waren da 400 Gehörlose und circa 50 Hörende. Das ist ja nicht immer so, wenn eine Veranstaltung ist. Immer wenn eine Mischung da ist, etwas gemeinsam zu machen, fühlen sich beide Seiten eventuell nicht mehr so wohl oder nicht angesprochen. Es ist vielleicht unklar, für wen das  ist. 

 

Signmark Konzert im SO36 (Foto: Malte Ludwig)
Signmark Konzert im SO36 (Foto: Malte Ludwig)

 

Der Zustand der Barrierefreiheit wäre, dass es ganz normal ist, gemeinsam etwas zu  machen. Es gibt Bands in denen Menschen mit sichtbaren / unsichtbaren  Behinderungen spielen, dies jedoch nicht groß nach außen kommunizieren. Ist das geglückte Inklusion oder sollte man darauf hinweisen?  

Lilo: Im Moment versuchen wir eher von dem Konfettikonzept wegzukommen und versuchen in unseren Veranstaltungen ein Stück weit inklusiv zu sein wie bei Licht aus!, wo Bertil Thomas und Barbara Morgenstern eine Veranstaltung zusammen gemacht haben. Bertil sitzt zwar im Rollstuhl, aber es geht darum, das nicht groß nach außen zu kommunizieren, sondern einfach die Möglichkeiten zu schaffen. 

Normal im Rollstuhl, ohne dass es einer Ankündigung bedarf. Das ist natürlich schön. An was für Hürden denkst du beim Thema „Umsetzung  barrierefreier Veranstaltungen“?  

Lilo: Ich finde bei allen Bemühungen auch bauliche Einschränkungen ganz schwierig. Wenn man jetzt das SO36 nimmt: Unser Backstage ist im ersten Stock, unsere Bühne ist 1m hoch. Das sind krasse Hindernisse. Wir können es auch gar nicht umbauen, so ohne weiteres, zumal es uns nicht gehört. Wenn es da mehr Möglichkeiten gäbe zu einer Förderung, wäre das gut. Wenn man zum Beispiel für Menschen, die halt nicht so mobil sind, total easy einen Hublifter mieten könnte.  

Pasqual: Dann meldet man sich da nur an und sagt: „Heute Abend brauche ich ihn“, und  dann wird er geliefert. Dann hat man ihn abends da und muss ihn danach nicht irgendwo verstauen. Ein Hublifter für den Stadtteil.  

So ähnlich wie CarSharing?  

Lilo: HubLifter Sharing. 🙂 Im Grunde wäre es doch super, wenn es einmal im Jahr eine Fortbildung gäbe, die Leute im Veranstaltungsbereich oder in der Gastro einfach machen müssten. Eine regelmäßige, verpflichtende Weiterbildung zu den Bedürfnissen unterschiedlicher Behinderungen (z.B. Gebärdensprache, Assistenz, etc.). So, wie Leute den Erste-Hilfe-Schein machen. Die Teilhabe in der Gesellschaft kann ja nur möglich sein, wenn wir alle die auch ermöglichen. 

Man könnte dann endlich Aufmerksamkeit schulen für die typischen Fehler. Best of:  Blumentöpfe und Aufsteller auf der Treppe direkt unter dem dringend benötigtem  Handlauf oder der Klassiker mit der vollgerumpelten Behinderten-Toilette. Wenn die wunderbaren Dinge zur Barrierefreiheit schon mal da sind, aber zweckentfremdet selbst zur Barriere werden. 

Lilo: Das hatten wir auch schon und mussten uns dazu Kritik anhören. 

Pasqual: Absolut zu Recht.  

Lilo: Ja, die Behinderten-Toilette ist kein Abstellraum. Es ist eben wichtig, mit mehr Bewusstsein durch die Gegend zu laufen. Vielleicht könnten wir auch einfach noch die Preistafeln größer drucken und unsere Homepage anpassen. Aber das kostet viel Geld und es gibt wenig Förderung dafür. Wir sind ja ein gemeinnütziger Verein. Deshalb können wir immerhin manchmal Sachen bei Aktion Mensch beantragen. Aber das können andere Clubs nicht. Die müssen das selber  tragen. Das muss doch irgendwie gefördert werden, wenn wir offene Räume für alle wollen.  

„Es kommen ja kaum Menschen mit Behinderung, man sieht kaum welche auf der Straße“, ist ein häufiger Trugschluss, den ich oft gelesen und gehört habe. Dadurch rücken die Dringlichkeit und die Plausibilität von Förderung vielleicht in den Hintergrund. Es ist ohne Barrierefreiheit total umständlich für manche Menschen, irgendwo hinzukommen. Sie überlegen es sich dreimal, vermeiden es dann einfach  und sind deswegen nicht sichtbar. Daraus resultiert dann: Es gibt ja kaum welche.  

Pasqual: Wir haben schon die Ohren angelegt, als wir mitbekommen haben, wann Schluss ist mit den Fahrdiensten. Wenn du mal bis um zwölf auf sein willst, kommt überhaupt kein Fahrdienst mehr, um dich irgendwo mit dem Rollstuhl einzusammeln. Bei der ersten Veranstaltung von „Konfetti“ war das auch so.  

Lilo: Bei der zweiten war es immer noch so. 

Pasqual: Bei der zweiten Veranstaltung hatten wir dann immerhin selbst einen Fahrdienst eingerichtet, damit die Leute danach überhaupt wieder nach Hause kommen.  

Lilo: Da hatten wir einen Wagen genommen und da musste man sich im Laufe des Abends anmelden. Die Veranstaltung war zwischen Mitternacht und 1 Uhr vorbei. Der Wagen hat dann die Leute durch ganz Berlin bis 4:30 Uhr morgens gefahren.  

Die Letzten saßen dann bis um 4:30 Uhr morgens im Auto. 

Lilo: Ja, aber die waren froh, überhaupt irgendwo hin zu kommen. Unglaublich, dass es nicht mehr zugängliche Taxen gibt, dass die auch immer vorbestellt werden müssen und es selbst dann nicht immer klappt.  

Pasqual: Das meinte ich eingangs. Sowas hat man eben nicht immer auf dem Schirm, wenn man nicht drauf angewiesen ist. Das waren „Aha“-Momente. Es war auch so für uns ganz cool sich mal so explizit umfassend Gedanken zu machen. Wir wollen auch wirklich Leute mit Behinderungen ansprechen, was gehört denn dann alles dazu? Gerade weil wir nicht so supertoll barrierefrei sind, muss man vielleicht auch berücksichtigen, dass wir z.B. Leute da haben, die Assistenzen leisten. 

Das ist natürlich ein Top-Service, wenn das SO36 von sich aus eine Assistenz  anbietet. 

Lilo: Bei „Konfetti“ hatten wir das. Jetzt haben wir das nicht mehr bei jeder Veranstaltung. Wir bemühen uns darum, sobald jemand uns anspricht. Zumindest wollen wir ein Bewusstsein dafür haben und gucken, ob wir die Hilfe leisten können. Aber es wäre schon toll, wenn es dafür Gelder geben würde, dass es bei jeder Veranstaltung eine Assistenz gäbe. 

Toll wäre es ebenso, wenn es bei fast jeder Veranstaltung Gebärdendolmetscher*innen geben würde. Wenn es das alles gäbe, würde der Eintrittspreis aber sehr teuer sein und das ist dann auch nicht in unserem Sinne. Das sind die Dinge, die eigentlich gefördert werden sollten: Hublifter, Assistenzen, Gebärdendolmetschung, Homepage, Beschilderung… 

Es wäre ein Traum, wenn es immer eine geförderte professionelle Allround-Assistenz gäbe, am liebsten in einem Safespace zum Durchatmen. Gerade auch für unterschiedliche psychische und seelische Behinderungen, wie z.B. PTBS, Angststörung, Depression etc. Diese können ebenfalls einen Grad der Behinderung  mit bis zu 100% inklusive Schwerbehindertenausweis anerkannt bekommen, sofern sie das beantragen. Besonders die unsichtbaren Behinderungen werden leider oftmals nicht mitgedacht, weil unsere Gesellschaft sie tabuisiert und regelmäßig als Simulation abtut.  

Lilo: Ja, das wäre total gut, wenn es nicht nur Awareness-Teams gäbe oder den Host am Eingang, sondern auch eine Assistenz im Raum. Das ist natürlich alles so Wunschdenken, aber über „Konfetti“ haben wir zum ersten Mal ausgearbeitet oder gesehen, was es so alles braucht. Das, was eben schön wäre zu haben. Damit eine Barrierefreiheit immer ein Stück mehr erreicht wird. Zumindest, damit es eben von Stück zu Stück immer ein bisschen barriereärmer wird.

 

Protest bei Konfetti, weil nur hörende Gebärdendolmetscher*innen da waren (Foto: Nanette/SO36)
Protest bei „Konfetti“, weil nur hörende Gebärdendolmetscher*innen da waren (Foto: Nanette/SO36)

 

Ich finde es auf jeden Fall mega, dass ihr euch damit schon soweit befasst habt. Mir  fällt jetzt gerade auch kein anderer Club ein, bei dem das so ist. 

Pasqual: Die bei Mensch Meyer zum Beispiel sind ziemlich weit vorne. Die haben schon ziemlich lange die inklusive Party, das ist schon super geil. Ich weiß nicht wie regelmäßig das ist. 

Lilo: Die heißt Spaceship-Party und ist oft vor einer anderen Party, wegen der Fahrsituation. Aber die ist halt für Menschen mit und ohne Behinderung. 

Pasqual: Ich glaube, die sind dann auch bemüht, ein entsprechendes Booking hinzukriegen. Künstler*innen mit und ohne Behinderung. Die Party läuft wohl ganz gut. 

Lilo: Die ist auch preislich günstig. Ich glaube, die Teilhabe an Konzerten und Partys ist auch immer ein Problem für alle Menschen mit und ohne Behinderung, die wenig Geld  haben. 

Da ist Spendenbasis natürlich eine Idee. Jede*r für sich überlegt, wie viel er/sie sich leisten kann. Aber funktioniert sowas?  

Lilo: Wir haben diesen Sommer mehrfach einen Von-Bis-Betrag für den Eintritt genommen bei Partys. Ich denke, wenn man kein Geld hat, dann hat man halt kein Geld. Man geht aus und möchte ja auch noch ein Bier kaufen. Früher, als es alle noch nicht so gewohnt waren, haben sich die Meisten immer irgendwie so im Mittelfeld verhalten. Es gibt mittlerweile welche, die geben den Höchstbetrag von sich aus. 

Pasqual: Gerade, wenn du den persönlichen Kontakt an der Abendkasse hast, dann hast du immer noch die Möglichkeit, mit den Leuten zu reden. Jetzt, wo Corona kam, da war eben nur Vorverkauf, sodass die Leute ratlos blieben und gemailt haben. Wir haben dann  gesagt: „Je nach Selbsteinschätzung, das steht da ja auch…“  

Lilo: „…und nee, wir wollen keinen Ausweis sehen.“ Ich glaube der Großteil der Leute ist fair. Klar gibt es welche, die unfair sind, aber die erreichen wir wahrscheinlich eher nicht. Wir bemühen uns jedenfalls, um noch mal auf das Thema zurück zu kommen, den barrierearmen Raum zu schaffen. Und es ist immer toll, wenn ich merke, dass es auch angenommen wird. Ich habe mich total gefreut, dass bei den letzten Partys hier im SO36  oder auch bei Veranstaltungen, die ich so betreut habe (von der CSD-Party bis zum  Butch*Walk) immer irgendwie Rollstuhlfahrer*innen gefeiert haben und auf dem Dancefloor waren. 

Habt ihr einen speziellen Bereich für Rollstuhlfahrer*innen bei Konzerten?  

Lilo: Da gibt es keine Vorschrift, es sei denn du wünscht dir ein Podest. Das wird dann eben so an die Seite gebaut, dass du da auch die Rampe hoch laufen / fahren kannst, weil es gibt ja keinen Hublifter.  

Das würdet ihr machen? 

Lilo: Ja, das machen wir.

Wenn jemand jetzt anrufen würde und sagt: „Ich komme in drei Wochen zu dem Konzi. Ich habe schon die Tickets, ich habe einen Rollstuhl und ich brauche eine Rampe für mich und meine Freundin.“ Dann würdet ihr die aufbauen? 

Lilo: Ja, schick ’ne Mail. 

Pasqual: Ja, wir quatschen einfach mit den Leuten. Es ist halt immer cool, wenn sie die Tickets direkt hier kaufen. Manchmal ist es dann so, dass sie die Tickets bei der KOKA36 kaufen. Die haben es auch auf dem Schirm und wissen, was für Möglichkeiten hier sind, dann ruft die Konzertkasse direkt bei uns an.  

Die Frage ist natürlich, was überhaupt möglich ist, wenn wir mega ausverkauft sind. Wir versuchen dann zu schauen, dass wir nicht so die fette Rampe hinstellen müssen. Wir  fragen dann die Leute: „Ist es ein E-Rolli, ist es was Sportliches?“ Dabei habe ich manchmal ein komisches Gefühl und möchte den Leuten nicht zu nahe treten. Man muss da aber offen und frei drüber sprechen können und zum Beispiel fragen: „Ist es für dich möglich, dass unsere Leute dich an der Tür hochheben mit dem Rollstuhl?“ Wir müssen halt verhandeln. So, dass ich mir da als fragende Person / als Location nicht blöd vorkomme. Genauso wäre es schön, wenn sich die Person nicht blöd vorkommt, so eine Frage gestellt zu bekommen oder einfach auch sagen kann: „Hast du einen Vogel, ey? Ich will selbstständig entscheiden, wann ich von meinem Podest runterfahre.“ Das ist alles legitim. Wir müssen nur darüber reden können. 

Lilo: Wir versuchen auf jeden Fall, immer unsere mangelhaften Bedingungen auszugleichen durch Kreativität. Es gibt Veranstaltungen, wo zum Beispiel jemand Stage Diving mit einem Sportrollstuhl machen kann. Da gibt es auch dieses verrückte Foto, das bei uns gemacht wurde. Bei dem Auftritt mit Bertil blieb dann einfach unser Raucher-Café vorne zu, das wurde dann sein Backstage Bereich.  

Wir machen auf jeden Fall auch wahnsinnig viele Fehler. Das Wichtigste dabei ist, Kritik Ernst zu nehmen und daraus zu lernen. Ich selbst habe keine Behinderung, ich kann nur versuchen, mir vorzustellen, wie das ist. Dazu muss ich jemanden fragen, weil alles ist limitiert, was ich mir vorstelle. Wie viel Zeit bei Menschen mit Behinderung draufgeht, nur damit sie von A nach B  kommen und dass man um zehn im Bett liegen soll, das wusste ich vorher auch noch  nicht. 

Habt ihr schon mal Feedback bekommen? 

Lilo: Ja, wir haben schon Feedback bekommen von Leuten, die sich darüber freuen, dass  wir unser WC wieder freigeräumt haben und dass sie zu uns kommen können auch ohne Begleitung. Gerade bei „Konfetti“ war es so gewesen, dass manche sich sehr über das  Programm gefreut haben. 

Habt ihr jetzt noch etwas für die Zukunft geplant? „Konfetti“ wolltet ihr ja nicht mehr  machen, aber was anderes? 

Lilo: Wir wollen es auf jeden Fall so machen, dass wir unser Programm für unseren  Geburtstag diverser gestalten. Auf die Art, dass wir nicht extra darauf hinweisen, dass es eine inklusive Veranstaltung ist, sondern, dass es einfach so ist. Ich weiß nicht, ob es jetzt immer noch so ist, aber vor der Pandemie sind zum Kiez-Bingo immer Menschen mit  Behinderung gekommen. Die haben sich auch nicht angemeldet. Ich habe dann einfach eine Rampe hingebaut, damit sie spontan reinkommen konnten. Mein Eindruck ist, dass  Menschen mit Rollstuhl inzwischen öfter auftauchen, weil für die eben auch schon etwas passiert ist. Als wir noch unsere beiden gehörlosen Kollegen hatten, hatten wir auch viel mehr Veranstaltungen mit Gebärdendolmetscher und viel mehr gehörlose Gäste. Das ist eben, wenn die Community sagt, „hier ist etwas, wo wir hin können“.  

Pasqual: Wir wollen auf jeden Fall weg vom Mainstream und nicht, dass es nur so aussieht, als würden wir die Quote erfüllen wollen. Das kann sonst eine komische Dynamik entwickeln, wenn man wirklich weg vom inhaltlichen geht und nur darauf achtet, die Quote zu erfüllen, besonders wenn es noch nicht so viel Auswahl gibt. 

Lilo: Inzwischen ist es ja natürlicher, dass die Menschen wissen, „Frauen gehören auf die Bühne“. Und genau so sollte es auch sein für BIPOC und für Menschen mit  Behinderungen. Eigentlich sollten sie auch in unsere Crew gehören. Wir suchen jetzt nicht zwanghaft, aber wenn uns jemand fragen würde und es passt, dann würden wir überlegen: „Wie können wir das schaffen?“  

Ich denke, ihr habt bereits vieles geschafft. Ihr habt natürlich den Vorteil, dass ihr ein gemeinnütziger Verein seid. Für andere Unternehmensformen ist es natürlich deutlich schwieriger, können die auch Hilfen beantragen?  

Lilo: Alle können Hilfe beantragen. Zum Beispiel bei Initiative Musik oder Musicboard Berlin. Die haben Förderprogramme aufgelegt wie zum Beispiel Pop im Kiez und  Karrieresprungbrett Berlin. Über Pop im Kiez haben wir „Konfetti“ gefördert. Da gibt es eine Jury, die entscheidet, welche Projekte gefördert werden. Bei der Aktion Mensch können allerdings nur Vereine eine Förderung kriegen. Es gibt auf jeden Fall leider noch keine Bauförderung, wie zum Beispiel für eine Inklusionsausstattung.  

 

 

 

Eine Inklusionsausstattung ist ein super Gedanke. Barrierefreiheit ist ein Menschenrecht. Es wird schließlich auch gefördert, die eigenen vier Wände barrierefrei umzugestalten. Warum nicht ebenfalls fördern, dass jemand diese Wohnung auch verlassen kann, weil die Location barrierefrei ist. Es gibt hierfür ja die entsprechenden Gesetze zur Barrierefreiheit. Nur in der Umsetzung klemmt es. Nun könntet ihr euch darauf ausruhen, dass ihr Bestandsschutz habt. Es trotzdem freiwillig zu tun, bedeutet viel Mühe in Kauf zu nehmen und dadurch gleichzeitig  eine wichtige Botschaft zu transportieren. Würdet ihr sagen, dass dies eine politische Arbeit ist? 

Lilo: Ja, wir wollen Veranstaltungen machen, bei denen auf und vor der Bühne ein hoher Anspruch ist. Unsere Räume sind für alle zugänglich. Wir wollen keinen Sexismus, keine Homophobie, keinen Antisemitismus, keinen Rassismus und keinen Ableismus. Trotzdem sind wir ja nicht frei davon und klar ist es politisch. Ich komme aus einer Generation, in der es hieß: Das Private ist politisch.  

Unser Umfeld zu schaffen, wie wir es haben wollen, ist eine große Aufgabe. Es ist auch für das SO36 so, dass der Ort zwar gleich bleibt, aber die Menschen wechseln, die hier arbeiten. Diese müssen gemeinsam den Raum schaffen. Ich arbeite seit den Neunzigern hier und es war schon damals so, dass jemand hier eine Rollstuhlrampe fordern konnte oder Gebärdensprache. Das ist eben keine Modeerscheinung, sondern das ist durchgehend seit über 20 Jahren im SO36 so.

Lilo und Pasqual, ich danke euch sehr für dieses tolle Interview!

 

Damit sich woanders ebenfalls etwas verbessert, kommt es auch auf das Publikum an. Es hilft ganz klar, auf die Problematik aufmerksam zu machen, dass in einigen Locations Menschen mit Behinderung nicht mitgedacht oder sogar abgewiesen werden.  

Darum dürfen sich an dieser Stelle alle gerne zum Einreichen von positiven sowie negativen Konzertberichten zum Thema Barrierefreiheit und Inklusion ermutigt fühlen, hier bei „MusInclusion“.  

Wer jetzt denkt, das betrifft mich ja nicht, weil, ich bin ja nicht behindert, hat etwas kurz gedacht. Behindert werden können wir schließlich alle, von heute auf morgen. Wir selbst oder eine Person im engen Freundes-, Familien- und Bekanntenkreis. Barrierefreiheit ist somit wichtig und glücklicherweise gesetzlich verankert. Die  Umsetzung muss jedoch oftmals noch eingefordert werden, am besten von uns allen. (Arnica Montana)

Tags: BarrierefreiheitBerlinInklusionKonfettiKreuzbergMusInclusionPunkPunkrockSO36Teilhabe
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