Es gibt sie ja immer noch, die Leute, die vom ’77er – Revival sprechen. Ich seh’ das ein bisschen anders. Ich bin der Meinung, ’77 war nie weg und es gab und gibt schon immer Bands, die sich musikalisch im Jahr des deutschen Herbstes beweg(t)en. Seit ’77 eben. Die einen eher frühlingshaft frisch und dynamisch, z.B. die hervorragenden The Briefs, andere dann halt doch eher trist und grau. Wie der Herbst eben. Dazwischen gibt’s dann noch den Sommer und danach den Winter, schon klar. Und wo man die unüberschaubare Zahl an ’77er – Bands jetzt innerhalb eines Jahreszyklus’ metaphorisch hinsteckt, das ist eh so eine Sache für sich. In meiner subjektiven Wahrnehmung steht und fällt der römische Daumen speziell in diesem Genre nämlich auch stets sehr subjektiv. Hab’s jedenfalls schon x-mal erlebt, dass ein und derselbe Typ die eine Band in den Himmel lobt und die andere, für mich irgendwie genauso klingende, in die Hölle schickt. Das erklär mir mal einer! Wie dem auch sei, konzentrieren wir uns an dieser Stelle auf das mir vorliegende Exemplar der Gattung ’77: Nerve Button mit ihrem aktuellen, von Wanda Records veröffentlichten Release “Volume 2”.
Hab’s eben schon angedeutet: manchmal fehlt mir in diesem Genre schon etwas die Innovation und Eigenständigkeit. Das muss allerdings nicht zwangsweise schlecht sein. Als Anhänger des Genres weiß man in der Regel was einen erwartet. Das schont die Nerven und verhindert normalerweise größere Enttäuschungen. Quasi Musik für Leute, die vorhaben, älter als 77 zu werden. Genug der plumpen Sprüche und hanebüchenen Metaphern. Nur noch eins, bevor hier ein falscher Verdacht aufkommt: ich bin durchaus auch ein Anhänger des Genres, nur eben nicht jeden Tag. Nerve Button wiederum strahlen auf “Volume 2” das Gefühl aus, dass sie für ihre Sache wirklich brennen. Die Songs sind mit viel Spaß, Energie und Überzeugung eingespielt. Reine Spekulation, aber ich glaube, die Jungs aus New Brunswick/Kanada haben sich nach jedem guten Take im Studio geherzt und das Ganze mit viel Dosenbier gefeiert. Wie man das halt so macht im Punk. Lebensgefühl at it’s best und diese Platte strahlt es aus. Für mich mehr wert als Innovation und Eigenständigkeit. Zumindest an meinen ’77er – Tagen und natürlich rein subjektiv betrachtet.
Wobei Nerve Button ihre ’77er – Version durchaus auch mit anderen Stilmitteln anreichern. Der Gitarrensound tendenziell mit mehr Gain als herkömmliche Artverwandte der Neuzeit und die Vocals weniger schrill, dafür mehr bierselig könnten Nerve Button beispielsweise auch für Rose Tattoo – Fans interessant sein. Alle, die ihr auf Protopunkbands à la Stooges, MC 5 oder auch die New York Dolls steht: auch ihr könnt bedenkenlos zugreifen. Wessen Zeitrechnung tatsächlich erst mit The Clash oder den Dead Boys beginnt: kein Problem, Nerve Button heißen euch willkommen. Und wer dummerweise das Los des Spätgeborenen gezogen hat und deswegen auf quasi zeitgenössische Punkvertreter wie die Black Halos, The Cry oder die bereits genannten The Briefs angewiesen ist: check mal Nerve Button. Nun mag der ein oder die andere spitzfindige LeserIn sich fragen, wie man denn die eben genannten Bands alle in einen Topf werfen kann? Meine lapidare Antwort lautet: doch, doch. Kann man schon, wenn man sich Nerve Button rein zieht. Zu welcher Jahreszeit muss jeder für sich entscheiden.
Leider liegt der Scheibe außer dem Download – Code nix bei, weshalb ich bei Songtiteln wie “Party Zone“, “Queen Of The Tarts” oder “Waste Of My Time” nur vermuten kann, dass es Nerve Button eher weniger um Sozialkritik geht. Halt eher was für den Tresen, als für’s Soziologiestudium. Darf doch auch mal sein, oder? Das gekonnte Cover von “Snow White“, einem Song von Streetheart, bestätigt meine These zur inhaltlichen Ausrichtung gen Spaß und Party dann auch mehr oder weniger.
Sehr hübsch kommt sie daher, die Platte. Halb weiß, halb pink. Das nenn’ ich mal colored Vinyl! Sollte wer keine limitierte bunte mehr bekommen, so muss er/sie halt auf die schwarze Variante zurückgreifen. Und sich am Pink des Covers erfreuen. Der Schriftzug dann in etwa so wie bei den Columbian Neckties und dazu noch eine gezeichnete junge Dame mit dem Stern an der richtigen Stelle. Unterm Strich spricht dann doch alles irgendwie mehr für Frühling, als für Herbst. Sie ist beim Label selbst erhältlich, welches oben verlinkt ist.
In diesem Sinne wünscht viel Vergnügen: der Riedinger
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“Volume 2” ist z.B. hier erhältlich: Wanda Records