Mann, Mann, Mann, obwohl bereits 1981 – also ein Jahr vor meiner Geburt – im englischen Sunderland gegründet, gingen Red London bisher völlig an mir vorbei. Klar, hier und da mal über den Namen gestolpert, aber reingehört: Fehlanzeige! Und auch wenn zwei der Knilche da vorne drauf auf dem Cover des nagelneuen Albums “Back On The Streets” so aussehen, als wären sie ’81 auch noch nicht auf der Welt gewesen, bereu’ ich meinen bisherigen Frevel beim Hören des Albums sofort.
Denn dieses packt mich bereits beim ersten Hördurchgang, obwohl ich heute noch nicht mal gute Laune hab. Präsidentschaftswahl in den USA und ich hab’ da so eine dunkle Vorahnung. Und ja, ich geb’s ja zu, dass ich erstens von einer Oi!-Band namens Red London viel mehr Monotonie und bei weitem nicht so viel Abwechslungsreichtum erwartet habe. Und zweitens, dass ich der festen Überzeugung war, dass neben ein paar ganz netten Songs sicherlich auch jede Menge Füllmaterial vorhanden sein wird. Selbst bei The Clash‘s “London Calling” ist schließlich nicht jeder Song ein Treffer. Aber nichts da! “Back On The Streets” bietet ohne Witz elf Songs = elf Smasher!
Schon der Titelsong und Opener ist ein unvergesslicher Ohrwurm, der direkt zum Mitgrölen einlädt. “Do You Remember” steht dem in nichts nach. Wenn ich allerdings aus irgendwelchen Gründen eine Singleauskopplung aussuchen dürfte, dann wäre das Lied Nr. 3. “Long Nights In Long Island” hat alles, was ich an Punkmusik von der Insel so liebe. Simple, aber absolut catchy Melodien. Gangshouts noch und nöcher. Eine kämpferische und aufpeitschende Note. Und dann noch diese schwer in Worte zu fassende, leichtfüßige Selbstverständlichkeit, die in dieser Musik steckt. Ach ja, und ein nices Gitarrensolo gibt’s auch noch. Finden manche im Punk ja blöd, ich aber nicht. Überhit, der alleine schon den Kauf von “Back On The Streets” rechtfertigt. Zumindest solange er nicht als Single ausgekoppelt wird.
Dem Oi!-Gott sei Dank, dass Mad Butcher Records das gesamte Album auch als CD beigelegt hat. Da kann ich diese Hymne gleich nochmal schnell und unkompliziert zurückskippen. Und das kurz angerissene “The Star-Spangled Banner” am Ende des Songs erinnert mich abermals daran, dass heute Wahltag ist. Wenn die da wieder diesen Irren, dann… aber lassen wir das. Bringt ja nix und deshalb wieder zurück zu den schönen Dingen des Lebens, in diesem Falle also zu Red London.
Die spielen inzwischen “All The Skinhead Girls”, eine Nummer mit leichten 2-Tone-Anleihen und großer Überzeugung. “Every city has a pretty girl. But not as pretty as a Skinhead girl…”. Na dann. Laut – übrigens zu allen Songs nett geschriebener – Erläuterung der Band, ein “Tribute to Skinheads and Skinhead Girls across the world”. Dann nochmal Punk Rock und mit “Bootboy Overture” DER Stomper des Jahres. “Love That Friday Feeling”. Das können wir Working Class Heroes wohl alle nachempfinden. Red London zelebrieren dieses mit einem fast melancholischen Akustik-Popsong. Erst hab’ ich sie nicht gekannt und dann überraschen sie mich umso öfter. Muss mal kurz meine Stoff-Doc Martens aus dem Schrank kramen. Für den Rest des Albums ist die Ledervariante angesagt.
Und à propos rauskramen: Red London animieren mich dazu, morgen mal all die alten Angelic Upstarts-, The Ruts-, Cockney Rejects-, The Clash– und noch viel mehr-Platten abzustauben. Oder aber, ich lass’ den Staub Staub sein und bleibe bei Red London und “Back On The Streets”. “No One’s Coming Outside” gerade. Woohooo, wie geil! Ich raste aus. Ich habe nichts erwartet und bekomme alles. Für mich die bis dato positivste Überraschung des Jahres. Da könnt ihr Amis doch wählen wen ihr wollt, den 05.11.2024 verderbt ihr mir nicht!
Geiler Release, liebe Red London und liebe Mad Butcher Records. Auch super schick als red-white/splattered-Version, oder halt schlicht und schwarz, in beiden Fällen mit beidseitig bedrucktem Inlay als Beilage. Am besten direkt bei Mad Butcher Records bestellen.
P.s.: inzwischen ist es der Morgen danach und zähneputzend sowie hilflos muss ich im DLF Kultur mit anhören, dass der Irre wohl tatsächlich das Rennen machen wird. Ich frage mich ernsthaft, was wir unseren Kindern, die gerade freudestrahlend und von all dem nichtsahnend ins Bad gestürmt kommen, für eine Welt hinterlassen werden. Für den Moment bleibt mir nur eins: ich werde mir abermals die CD-Version von “Back On The Streets” mit ins Auto nehmen und mir auf dem Weg zur Arbeit reinziehen. Ähnlich wie gestern wird das bestimmt den erwünschten Effekt erzielen und meine Laune etwas verbessern. Gute Musik kann so wichtig sein!