Ist sie es, oder ist sie es nicht? Meine Recherche ergibt ein “Nein”. Dabei könnte ich schwören, dass bei Rotura die Sängerin der famosen Kolleg*innen Accidente am Mic tätig ist. Frappierend ähnlich klingen die beiden. Doch weder sind die Namen Silvia (Rotura) und Blanca (Accidente) deckungsgleich, noch liegen Barcelona (Rotura) und Madrid (Accidente) in unmittelbarer Nachbarschaft. Wer allerdings schon einmal das Vergnügen hatte, die spanische DIY-Punk-Szene näher kennen zu lernen, der/die weiß, dass geographische Distanzen in Spanien kein Hindernis für etwaige Zusammenarbeiten sind. Ich jedenfalls kenne (bislang) noch keine Szene, die so dermaßen agil und gut vernetzt ist, wie die spanische. Selbst diverse spanische Eilande sind in dieser Hinsicht nicht vom Festland abgeschnitten. Da steckt viel Herzblut und Solidarität mit drin. Man hilft sich und man kennt sich. Man diskutiert und man feiert miteinander. Vom Konzertraum bis zum Café Liqueur ist (fast) alles selbst gemacht und wer nichts hat, gibt trotzdem alles.
Greifen wir nochmal den Aspekt des Feierns heraus und versuchen dadurch wieder zurück zu Rotura zu kommen. Gefeiert wird stets solidarisch. Das heißt auch, dass jede, ausnahmslos jede Band gefeiert wird, ganz egal, ob sie Qualität abliefert oder nicht. Das ist beeindruckend und ja, … einfach nur beeindruckend. Folglich wird garantiert auch Rotura gefeiert, wo immer sie aufschlagen mögen, auch wenn zumindest ihr erster Release “Estamos Fracasando” die ein oder andere Schwäche offenbart. Nicht was spürbare Leidenschaft und Attitüde anbelangt. Es sind vielmehr so ein paar rein musikalische Haken an der Sache. Gefühlt haben Rotura ihre Songs nicht mit Klick eingespielt, denn diese scheinen von dezenten Temposchwankungen geplagt. Verstärkt wird dieses Gefühl dadurch, dass der Drummer seine Wirbel durchweg zu lange wirbelt und nicht wieder auf der Eins am Start ist. Das irritiert und nimmt der ansonsten schmissig vorgetragenen Platte etwas den Drive. Schade.
Berechtigterweise darf natürlich hinterfragt werden, inwieweit dies denn Argumente sind, wenn es um eine DIY-Punkband geht. Allerdings lässt die ordentliche Produktion der Platte schon vermuten, dass Rotura ihre Sache in jeglichen Belangen gut machen wollten. Gut gemacht haben sie ja auch trotzdem einiges. Die Songs sind dank simpler Gitarrenmelodien, oftmals in bester No Use For A Name – Manier mit Oktavakkorden gespielt, absolut eingängig und tanzbar. Und ja, die musikalische Schnittmenge von Rotura ergibt sich dadurch grob aus den eben genannten und den bereits oben genannten Accidente.
Das Artwork ist so voll DIY. Schwarzes Gekrissel auf weißem Grund und mittig diagonal der Bandname, per Stencil aufgesprayt. Geht ok, gewinnt aber wahrscheinlich keinen Pulitzer-Preis. Dafür kann sich das Beiblatt sehen lassen. Krieg und Verderben trifft auf westliche Dekadenz und kann durchaus die ein oder andere Punkerwand schmücken. Allerdings sind dann sämtliche spanischen Texte nebst englischer Übersetzung sowie die Linernotes nicht mehr einsehbar. Entscheidet selbst.
Releast wurde “Estamos Fracasando” ganz im Sinne der spanischen Verbundenheit von diversen Labels. Das hierzulande wohl bekannteste davon dürfte das meines guten alten Kumpels Ralf aus Heidelberg sein: Kink Records. Sorry Ralf, dass ich dieses Mal ne Kleinigkeit zu meckern hatte. Unterm Strich veröffentlichten Rotura aber eine brauchbare bis gute Punkplatte und wer die denn auch haben will, sollte sich beeilen, denn das Teil scheint – zumindest bei Kink Records – schon nahezu vergriffen zu sein. Also beeilen und z.B. hier ordern!