Jeder hat doch in seinem Leben diese LPs, die er seit Ewigkeiten immer wieder hört, die nie irgendwie in Zweifel geraten sind und über alle Anderen gestellt sind. Zu vielen solcher Platten gibt es Geschichten, die man damit verbindet. Sei es die erste eines Genres, die man selbst erworben hat, sei es ein spezielles Konzert in Zusammenhang mit der LP oder auch nur ein spezielles Lied, welches die Scheibe zu einer Herzensangelegenheit macht.
In dieser Reihe wollen wir euch solche Geschichten erzählen. Vielleicht habt auch ihr die ein oder andere Geschichte zu einer dieser Platten, die ihr euch dazu in Erinnerung rufen könnt. Vielleicht lernt ihr aber auch gute Alben oder Singles kennen, die bisher an euch vorbei gegangen sind. Es geht hier nicht darum, dass „Master of Puppets“, „Killer Queen“ oder „Never mind the bollocks“ Evergreens ihrer jeweiligen Abteilung sind. Hier geht es nur um die persönliche Historie und deren musikalischer Begleitung.
Folge Fünf: Chriskowski’s Platten
Yipiee! Die Ehre wurde nun mir erteilt. Erst freute ich mich unglaublich darüber und war ganz aufgeregt, dann kam die pure Verzweiflung.
Durch die Jahrzehnte hindurch habe ich so einige Tonträger miterlebt, gekauft und genutzt. Vom Tonbandgerät über Kassetten zu Vinyl, CD und Mini-Disc bis zum MP3 und Streaming. Jessas, bin i oid. Und leider bin ich auch Etliches wieder losgeworden. Deswegen ist diese Liste leider keine komplette. Es fehlen Vinyls von Queensryche (Operation Mindcrime!), Boomtown Rats (The Fine Art of Surfacing), Black Sabbath (Paranoid) und so weiter und so fort, die es vermutlich mit rein geschafft hätten. Ich könnte mir sowas von in den Hintern beißen, ehrlich. Aber wer hatte denn Ende der 90er ernsthaft geglaubt, dass das Vinyl ein solches Comeback erleben würde. Wenn das jetzt mit den Kompaktkassetten auch so weiter geht… Freunde dann bin ich geliefert. Da habe ich keine einzige mehr.
Die Liebe zum Vinyl ist Gott sei Dank nie ganz erloschen, und ich grabe seit einiger Zeit immer wieder mal vereinzelt meine noch vorhandenen alten Schätze aus. Wenn ich auf die berühmte einsame Insel zwei Handvoll davon mitnehmen dürfte, wären das dann folgende:
JUDAS PRIEST – Painkiller (1990)
Den Einstieg gibt meine metallische Erleuchtung schlechthin – Painkiller von Judas Priest -. Die beiden Releases davor „Turbo“ und „Ram it Down“ waren schon sehr kommerziell (nicht destotrotz ziemlich geil). Ich konnte, auch deswegen, mein Glück kaum fassen, als ich mir anno 1990 dieses Vinyl zulegte. Painkiller ging zwei, drei Schritte weg von den kommerziellen Outputs ab Mitte der 80er. Neue Sounds, Messerscharfe harte Riffs. Ein Meilenstein und das Reinelixier des Heavy Metals. Mir hat es den Schädel weggehauen. Priest hat härtetechnisch eine Chromglänzende Kante zugelegt, die mich auch heute bei jedem Hören noch freudestrahlend verzückt. 10 Tracks – 10 kleine Meisterwerke!
GENESIS – And Then There Were Three (1978)
Eine Scheibe, die mich immer noch sehr berührt, ist das neunte Studioalbum von Genesis, dass mit seinem Titel Bezug auf den Weggang von Peter Gabriel (1975) und Steve Hackett (1977) nahm. Für mich bildet dieses Werk die Essenz des Schaffens von Genesis mit. Grundmelancholische Melodien wie bei „Undertow“ und „Down and Out“, bei denen ich heute noch Gänsehaut bekomme und die trotzdem oder gerade deswegen einen Schub nach vorne geben. Mit dem Album verbinden mich Erinnerungen und Gefühle an Schullandheim und Hort-Ferienfahrten in der 5.und 6. Klasse, die in Abschlusspartys gipfelten, in denen die Jungs schon sehnsüchtig und mit Schmetterlingen im Bauch zu den Mädels der Parallelklasse schielten und diese das (natürlich) scheinbar komplett ignorierten. Und natürlich durfte auf dem Mixtape „Follow You Follow Me“ nicht fehlen. Damals schon ein Klassiker, den mein guter Spezl Patrick aus dem Plattenschrank seiner Eltern auf seine 90 Minuten Kompaktkassette von Philips (Anm: Luxus damals, ich hatte meist 60 Minuten Tapes, die waren günstiger) spielte. Das Vinyl legte ich mir erst etliche Jahre später zu und bin heilfroh, dass dieses Stück meine Plattensammlung bereichert.
METALLICA – And Justice for All (1988)
Mit diesem Release ging Metallica nach Cliff Burtons Tod (R.I.P. Cliff) einen weiteren Schritt und entwarf ein teilweise recht komplexes Album, das aber auch einen Markstein des Trash-Metals darstellt. Metallica hat meinen Metal-Kosmos geformt. Da spreche ich bestimmt für so einige Metalheads. Und tatsächlich so richtig durchgeschlagen haben sie dann bei mir eben mit ihrer vierten Vinyl LP „And Justice for All“.
Lang, lang her… es gab auf Tele 5 mit „Hard ‚n Heavy und auf RTL mit „Mosh“ zwei konkurrierende und mit Video-Clips prall gefüllte Musiksendungen rund um das Genre Metal. Und die legendäre Hard ‚n Heavy Moderatorin Annette Hopfenmüller präsentierte diese für die damalige Zeit super professionell gemachten Videos wie zum Beispiel „One“ oder den ein oder anderen Live Schnipsel. Was dann das Album noch mal pushte…das war schon beeindruckend.
And Justice… hat aber auch etwas Neues mitgebracht, ein neues, anderes Metallica auch abseits des Trash. James hat doch tatsächlich angefangen zu singen! Ja, zu singen!
Es vergeht kein Jahr, in dem dieses Stückchen Metal-Geschichte nicht bei mir von vorne durchläuft. Nichts hält für die Ewigkeit? Da schauen wir mal…
DIE GOLDENEN ZITRONEN – Kampfstern Mallorca dockt an (1988)
Alle, wirklich alle hörten damals die Toten Hosen oder die Ärzte. Das war schon fast ein Glaubensbekenntnis…so wie in München die Frage, ob du ein Blauer oder ein Roter bist (Anm.: Fussball, 1860 oder FCB). Aus purem Trotz und weil ich halt ein Alleinstellungsmerkmal haben wollte, habe ich mir die „Kampfstern Mallorca dockt an …“ LP zugelegt und gleich auf Kassette überspielt. In den Sony-Walkman rein, so laut aufgedreht, dass auch wirklich jeder der vor der Schule stehenden Kumpels hören konnte, dass da was (Fun)-punkiges läuft… und dann der Moment und die Frage: „was hörstn da…? Die ich dann genüsslich mit „die Zitronen halt…“ beantworten konnte. Fragezeichen-Gesichter als Antwort. Die Zitronen kannte kaum jemand, damals. Nach und nach fanden dann aber einzelne Stücke wie „Daniel“, „Der Humpty Dumpty“ oder „Walzer nix gut“ ihren Weg in diverse Afterschool Feste. Die Scheibe begleitet mich heute noch… und dies nicht aus Trotz ;-). “Kampfstern Mallorca dockt an” ist (fast) zeitloser Spaßpunk, in den ich gerne immer wieder mal Abtauche: ein wilder Genre-Mix aus Punk-, Rock- und Country-Versatzstücken, Gag-gewürzt mit überzeichneten Schlagertexten, die einfach auch mal unkompliziert sein dürfen und einfach Laune machen.
Und heute? Die Goldenen Zitronen und Schorsch Kamerun sind mittlerweile so ziemlich jedem in der Szene plus Umgebung ein Begriff. Oder auch schon wieder nicht mehr.
IRON MAIDEN – Somewhere in Time (1986)
Stellvertretend für so Einiges von den Eisernen Jungfrauen – Somewhere in Time -. Das Album zugelegt habe ich mir seinerzeit tatsächlich ohne einen einzigen Titel wirklich zu kennen. Gut, „Wasted Years“ hatte ich da schon mal gehört, aber das wars auch. Mich hat das dystopische Artwork des Albums und der Cyborg-Eddie einfach magisch angezogen. Eddie ist immer ein Cover-Schmaus. Aber dieses hier hatte einen Zauber inne…dem konnte ich, auch ohne den Inhalt zu kennen, nicht widerstehen. Also legte ich die 19,90 DM auf den Kassentisch und ging glücklich nach Hause. Und Glück ist genau der Zustand und das Gefühl, das mich durchströmt, wenn ich dieses druckvoll und nuanciert produzierte Sternstundenwerk Maidens höre. Flagschiff des Metals, Hilfsausdruck.
MEGADETH – So Far, So Good… So What! (1988)
1988. Das Jahr der hochkarätigen Neuerscheinungen. Metallica’s „…And Justice for All“, Iron Maiden’s “Sevenths Son of A Seventh Son”, Queensryche’s “Operation Mindcrime” , Slayer’s “ South of Heaven”, Judas Priest’s “Ram it Down” (jaha, auch das!)… und so weiter. Eine ellenlange Liste grandioser Releases. Und! Natürlich: Megadeth! Dave Mustaine war einer meiner Jugendhelden. Zur damaligen Zeit konnte ich mir kaum schnelleren, härteren Metal vorstellen. Und das 88’er Album gab so ziemlich alles her, was unter dem Genre Speedmetal und Trashmetal als erstklassig zu verbuchen war/ist(!). Ahja, und das allerERSTE Metal T-Shirt, welches ich trug, war selbstredend ein Megadeth „So Far, So Good…So What! –Shirt \m/. Ein zeitloser Speed-Trashmetal Klassiker, den man auch 30 Jahre nach Erscheinen rauf und runter hören kann.
DIE TOTEN HOSEN – Damenwahl (1986)
„Wir haben g’rade nichts zu tun, so wie jeden Tag…“. Kein Album beschrieb und besang das damalige Lebensgefühl für mich und meine (Sauf-)Gefährten besser als das dritte Studioalbum der Hosen (mal abgesehen vom Live-Album „Bis zum bitteren Ende…“). Wie im Text „Verschwende deine Zeit“ Ob Rennbahn oder Stadion oder Arbeitsamt, wir finden immer einen Grund und Ort weshalb man feiern kann…wir suchten und fanden immer Gelegenheiten, uns selbst zu feiern und auf die Schule zu pfeifen. No Future Reloaded (light). Auf ner Sommerparty sturzbetrunken, schwankend und Arm in Arm mit Alex und Robert (? hab den Namen vergessen) das „Wort zum Sonntag“ grölend vom Schuldach des Heinrich- Heine-Gymnasiums auf den roten Basketballplatz pinkeln. Zu „Verflucht, Verdammt, Gebrandmarkt“ in der Ferienunterkunft einfach mal Aspirin zerbröseln und das Ganze mit Tabak zu einem Aspi-Joint drehen und dann, nach Genuss, ein paar Minuten später den Garten des Domizils vollkotzen. Aber AUCH die ersten kleinen und großen gesellschaftskritischen Gedanken. Das jugendliche Auflehnen gegen die elterliche Biederkeit und Wurstigkeit. Ja, „warum springt hier keiner mehr auf? Warum bleiben alle zu Haus? Warum lehnt sich keiner mehr auf, und schreit heraus: Großalarm, Großalarm“. All das…und aber auch noch viel Kurioseres (aber hier Gewiss nicht niederschreibbares) bleibt mir auf ewig mit der LP „Damenwahl“ verbunden.
METALLICA – Creeping Death (1990)
Und wieder Metallica. Diese 1990er EP Fassung von Creeping Death hatte es für mich fett in sich. Zum einen befinden sich auf dieser Scheibe drei meiner All-time Favs von Metallica, „Creeping Death“, Am I Evil“ und „Seek and Destroy“ wieder vereint, zum anderen die Monster-Riff-Nummer „Blitzkrieg“, die es in jede meiner Metal Playlists schafft und schaffen wird. Immer. Die Riff-Line ab Minute 2:38 bis 2:58 birgt eine fuckin‘ unschätzbare Kraft, die eine jede Metal-Glut zum Brodeln bringt.
AC/DC – Back in Black (1980)
Die Ewigen, die Ur-Rocker! 1980 setzten AC/DC mit Back In Black einen Meilenstein! Ein ganz in schwarz gehaltenes Cover, zu Ehren des verstorbenen Bon Scott, 42 Minuten Rockkracher pur. “Hells Bells ,”You Shook Me All Night Long” und selbstredend der Titelsong “Back In Black“, eine neue Zeitrechnung begann. Das damals in meine Holz-Schulbank eingeritzte „AC/DC forever“ war da schon betagt und sah durch darüber gelaufene und getrocknete Tinte und andere Gebrauchspuren schon sehr, na sagen wir mal …antik aus.
Über 30 Jahre später bin ich selbst, na sagen wir mal…nun schon ein bisschen antik, und der australische Wechselstrom/Gleichstrom läuft immer noch auf Hochtouren und beschenkt meiner Frau und mir im Jahr 2015 das bis dahin genialste gemeinsame Live-Event. Wo nahmen die Jungs nur die Power und Energie her, die wie selbstverständlich auf die Fangemeinde überfloss. AC/DC war (ist… na mal sehen…) Live bombastisch. AC/DC ist für mich, auch wenn es sich kitschig anhört, ein Gefühl wie Familie. Mein vierjähriger Sohn geht auf –Back in Black – sowas von ab, da wird zur Luftgitarre wohl bald ne echte Klampfe vom Papa als Geschenk notwendig. Zudem ist einer der wunderbarsten Menschen, den ich in meinem Leben kennenlernen durfte, der größte mir bekannte AC/DC Fan dieser Erde gewesen. We Have a Drink on You, Walter!
VAN HALEN – Panama (1984)
Zu guter Letzt warte ich hier noch mit einer Single auf. Muss bei meinen Schallplatten für die Ewigkeit einfach mit drauf, weil: mehr Umdrehungen hat keine Scheibe geschafft… Never Ever. Panama war im Sommer 1984. Frühling 1985, Sommer 1985… das 7 Inch-Ding, das in meinem Kinder/Jugendzimmer unzählige Male drehte, während ich das Fenster sperrangelweit auf hatte, damit auch verdammt nochmal jeder der Nachbarn und Nachbarskinder es hören konnte und ich meine ersten Headbang-und Luftgitarrenfestivals abzog. „Panama, Panama..Yeah, we’re runnin’ a little bit hot tonight…”
Das wars dann auch schon. Mir hat das Hören der alten Vinyls für diese Liste unglaublich viel Freude bereitet. Dank an euch fürs lesen. Vielleicht hört ihr in die eine oder andere gelistete Scheibe auch mal (wieder) rein. Für die nächste Phase der Reihe „Schallplatten für die (persönliche) Ewigkeit“ (ab dem Jahr 2000) klappere ich jetzt noch geschwind alle mir bekannten realen und virtuellen Plattenläden ab… No Games…Just Vinyl!