Uh, endlich hab ich was auf Vinyl von dem Kerl!
Jetzt fragt ihr euch sicher von welchem Kerl ich rede – na gut dann erzähle ich euch eine Geschichte.
Die Geschichte vom kleinen Steve Wold. Es ist eine bewegte Geschichte, Steve’s Eltern trennten sich, als er gerade mal vier Jahre alt war. Leider ging es dann auch nicht sehr viel besser weiter, denn Steves Stiefvater war gewalttätig gegenüber ihm und seiner Mutter. Als Steve 14 Jahre alt war, beschloss er, dem ganzen Mist den Rücken zu kehren und haute kurzerhand ab.
Er verbrachte einige harte Jahre als „Hobo“ auf der Straße und hielt sich mit Jobs hier und da über Wasser. In der Zeit begann Steve Gitarre zu spielen – wenn man der ganzen Situation also irgendwas gutes abgewinnen will, dann eventuell eben genau das: Er lernte Gitarre spielen. Steve spielte hier und da im Vorprogramm bekannterer Blues Musiker*innen und war auch als Sound-Dude aktiv. Und zwar für namhafte Künstler*innen wie z.B. Bikini Kill oder Modest Mouse. So eierte er also einige Jahre durch die Gegend, immer eher im Hintergrund.
Bis er dann ENDLICH im Jahre 2004 sein erstes Album veröffentlicht. Damals allerdings noch nicht als Soloalbum, das folgte dann 2006. Seasick Steve ist geboren! Und da ist der gute schon über 50 – ein echter Spätzünder also. In dem Falle aber lieber spät gezündet als gar nicht. Die Welt hätte was verpasst!
Seasick Steve ist nicht nur ein begnadeter Blues-Musiker, nein, er ist ein Vollblutmusiker. Was er aus seiner selbst gebastelten 3-saitigen Gitarre auf seinem aktuellen Album „A Trip A Stumble A Fall Down On Your Knees“ (erschienen via So Recordings) in meine Ohren spielt, ist genau das, was es sein soll: rauher, schmutziger und trotzdem eingängiger Blues, bei dem er sich wieder mehr auf seine musikalischen Wurzeln besinnt. Dazu kommt, dass Seasick Steve durch seine persönliche Geschichte jede Menge Material hat, welches er mit Gitarre und stampfendem Fuss zu verarbeiten weiß. Klar, auch auf seinen Soloalben arbeitet er mit Backingbands, aber ich bin ziemlich sicher, dass das, was er da macht, auch solo sehr gut funktionieren würde. Seine nach jahrelangem Whiskey- und Zigarettenkonsum klingende Stimme trägt zur Gesamtbluesigkeit des Albums ebenfalls wesentlich bei.
Der inzwischen 73jährige gibt sich allerdings mit autobiographischer Aufarbeitung nicht zufrieden. Seine Texte haben auch durchaus gesellschaftskritische Anteile – bei denen er von sich selbst auf das große Ganze lenkt und auf gesellschaftsübergreifende Themen aufmerksam macht. Einer meiner Reinhörtips ist ganz klar oben eingebetterer „Backbone Slip“ – der Inbegriff eines modernen Bluessongs, den Seasick Steve hier on point abliefert.
Grundsätzlich kann ich allerdings sagen, dass das aktuelle Album eines der besten aktuell verfügbaren Bluesalben ist und die restlichen Monate vom Jahr sich ordentlich anstrengen müssen, etwas auch nur annähernd so gutes hervorzubringen. Auch die Aufmachung des Tonträgers ist wunderbar schlüssig. Der bärtige, in seiner Latzhose eingewachsene Biker steht vor seiner Harley – bluesrockiger geht es kaum. Die Platte habe ich hier in der gelben Variante vorliegen – sie ist noch in einer weiteren Farbe, auf CD und sogar, ganz oldschool auf Casette zu bekommen.
Und zwar HIER oder eben bei der Plattendealerei eures Vertrauens!


