Heieiei, was für ein eigensinniges Stück Musik zum Ende des Jahres (in Wahrheit ist das neue Werk „Bermudadreieck“ des Berliner Musikers Sid Vision bereits am 11.10. erschienen). Da bleibt mir beim wirklich allerletzten Review des Jahres, quasi auf der Zielgeraden, doch glatt noch die Spucke, bzw. die Tinte weg.
Na gut, wenn da nichts geht, dann philosophiere ich halt ein wenig über das oben benutzte Wort „eigensinnig“. Ist ja nicht unbedingt im alltäglichen Gebrauch, das Wort. Meistens ist es ja auch eher negativ behaftet, wird es doch gerne von (konservativen) Eltern benutzt, die unzufrieden bezüglich der Widerspenstigkeit, der Partner*innenwahl, der Berufswahl, usw. ihrer Brut sind und dabei aber gerne mal übersehen, dass sie selbst einen Stock im A**** haben. Dabei ist es doch ein durch und durch positives Wort, was klarer wird, wenn man es in seine zwei Bestandteile „eigen“ und „sinnig“ zerlegt. Mensch ist sein eigen und trifft eigene sowie freie Entscheidungen, die (für ihn) sinnig sind.
Zurück zum Wesentlichen, zu Sid Vision. Die Musik auf „Bermudadreieck“ ist sowohl eigen, als auch sinnig. Eigen ist sie deshalb, weil sie kaum irgendwelchen (zumindest der mir bekannten) Normen entspricht. Sie ist also „eigen“ im Sinne von „eigenständig“ und das wiederum ist was absolut tolles, ist doch in bald 80 Jahren Populärmusik (fast) alles schon mal da gewesen. Sie ist aber auch „eigen“ als Sid Vision’s Soloprojekt, der „Bermudadreieck“ fast ohne fremde Hilfe komponiert und aufgenommen hat. Das Schaffen eines Künstlers, der niemandem folgen muss, außer seinem eigenen Kopf, zumal er das Vinyl auch DIY und ohne Label im Rücken veröffentlicht hat. Diese Freiheit kann man „Bermudadreieck“ geradezu anhören, ohne dass ich jetzt dieses Attribut einer weiteren philosphischen Untersuchung unterziehen will.
„Sinnig“, nun ja. Das breche ich jetzt banal herunter und verknüpfe meine Erklärung bereits an dieser Stelle und direkt mit einer Kaufempfehlung: „Bermudadreieck“ macht absolut Sinn, wenn man Musik jenseits des Tellerrands mag, wenn man gut unterhalten sein mag, wenn man Synthies mag, wenn man auch mal staunen und nicht nur hören mag. Ein tolles Album; am besten bei Sid Vision ordern!
Und da es mir so schwer fällt, die Musik von Sid Vision in Worte zu fassen, schmücke ich mich hier mit fremden Federn und bediene mich an dem, was auf Bandcamp geschrieben steht. Demnach sei Sid Vision ein Multiinstrumentalist, der eine Vorliebe für den Mellotron-Bombast der frühen Genesis habe, sich an der Performance von Jeff Buckley orientiere und Talk Talk ganz gerne habe.
Klingt fast schon ein wenig größenwahnsinnig (Ha! Da steckt ja auch das Wort „sinnig“ drin!). In Kombination mit der Musik verwandelt sich der Größenwahn aber in etwas verschmitztes und sympathisches. Da fällt mir gerade ein, Anfang des Jahres habe ich das damalige Neuwerk „The Silver Cord“ der australischen Tausendsassas King Gizzard & The Lizard Wizard besprochen. Ja. Doch. In die Kerbe schlägt „Bermudadreieck“ auch.
Leichtfüßiger Synthiepop, tolle und akribisch ausgetüftelt anmutende Sounds, auch mit E-Gitarre, und ein sich über mehrere Oktaven ausbreitender Gesang. Klingt geschwollener als „Bermudadreieck“ jemals sein wollte, ist aber in etwa meine Umschreibung für die Musik von Sid Vision. Aber wie immer und hier vielleicht noch ein bisschen mehr: hört am besten selbst rein. Lohnt sich!
Das Artwork, na ja, geht so. Wahrscheinlich fällt es am ehesten deshalb auf, weil sich v.a. junge Leute interessiert fragen könnten, was das da denn für ein mittelalterlicher Apparat da vorne drauf sein könnte. Snake auf dem Nokia-Knochen. Hach, das waren noch Zeiten! Tipp: zieht euch Sid Vision und „Bermudadreieck“ rein und ihr werdet vergleichbar schöne Glücksmomente haben.