Drei Tracks, die dreißig Minuten dauern, dreihundert Mal auf schwarzes Vinyl gepresst. Das ist das neue Stargo-Album “Dammbruch”, das am 17. Dezember erschienen ist. Die Zahl drei scheint es der Dortmunder Stoner-Rock-Band Stargo angetan zu haben. Und drei Bandmitglieder sind sie auch noch – Stargo sind Nordin an der Gitarre, Stefan am Bass und den Synths und Karsten an den Drums. Ihr Debütalbum “Parasight” haben die Stoner-Rocker vor nicht allzu langer Zeit im Juni vergangenen Jahres herausgebracht. Die Platte hat 9 Tracks, Gesang, Gitarre, Bass und Schlagzeug.
Auf ihrem zweiten Album “Dammbruch” wollten sich die Drei offensichtlich nicht wiederholen und sind ganz anders rangegangen. “Dammbruch” erzählt von vorne bis hinten eine stringente Geschichte, es ist quasi ein Konzeptalbum. Was hier musikalisch passiert, spiegelt sich im Albumtitel, in der Benennung der Tracks und im Platten-Front- und Backcover wider. Auf Gesang haben Stargo hier komplett verzichtet. Und auch auf klassische Songstrukturen. Auf der A-Seite ist ein längerer Track zu hören, der in vier Teile separiert ist. Auf der B-Seite gibt es zwei weitere Tracks. That’s it.
Das Album macht uns zum akustischen Zeugen eines Dammbruchs. Bei einem Dammbruch wird ein kleines Leck, eine noch so kleine Schwachstelle in der Mauer immer größer und löst schließlich eine gigantische Kettenreaktion mit verheerenden Folgen aus. Und so beginnt das Album unter dem Titel “First Cracks” zart mit einer melodischen Gitarre, ruhig, mit Beckeneinsatz. Dann brettern Stargo los, mit Distortion, wummerndem Bass und schepperndem Schlagzeug. Die Risse werden immer größer, was durch einen heftigen treibenden Rhythmus und Metal-Riffs hörbar wird.
Zweiter Teil dann: “From An Eagle’s Perspective”. Uns wird eine Verschnaufpause gegönnt und wir sehen uns das, was da aufkommt aus der Vogelperspektive an. Das ist als entspannte Gitarren-Melodie zu hören, die variiert und in immer höhere Lagen transponiert wird. Wiederholung ist ja sowieso ein Kennzeichen von Stoner-Musik. Dadurch entsteht eine Art Trancezustand und Eingängigkeit.
Der Teil “Dammbreach” brettert dann richtig rein, mit Distortion, überlagert jetzt von Synth-Klängen. Dann bekommt der Track richtig Speed, die Metal-Einflüsse von Stargo sind eindeutig zu hören. Allerdings nicht zu lange – die Band kehrt schnell wieder zurück in den schleppenderen Stoner-Sound. “Drift In A Nutshell” ist dann schließlich wesentlich ruhiger, verträumt, wie dahinfließendes Wasser nach einem Sturm.
https://youtu.be/Rc3x08qls1k
Auch auf der B-Seite geht es mit solchen Dynamik-Gegensätzen weiter – In “Copter”, das anfangs akustisch an sich drehende Rotorblätter erinnert, wird es sowohl treibend, heftig und metallig, als auch zurückhaltend und melodiös. Der letzte Track von “Dammbruch” heißt “Barthysphere”. Das ist der Name einer Tiefseekugel aus dem Jahr 1930. In der Kammer herrscht ein atmosphärischer Druck, der sich bei Tauchgängen nicht ändert – anders als bei der Tauchglocke. Nachdem alles zusammengebrochen und überflutet ist befinden wir uns nun also unter Wasser. In diesem Track beginnt hörbar ein neues Thema und ein neuer Sound. In diesen letzten Abschnitt packen Stargo nochmal alles rein, was sie in petto haben. Es geht ordentlich zur Sache, dann wird es groovy und schleppend. Am Ende fühle ich mich im besten Sinne an guten 90ies-Rock erinnert. Dann ist die Reise durch die Katastrophe zu Ende.
Stargo ermuntern uns mit ihrem zweiten Album dazu, ihre Musik bewusst zu genießen und genau hinzuhören und zeigen, dass ein Album auch im Jahr 2021 als Konzept- und Gesamtkunstwerk bestehen kann. Die drei Tracks von “Dammbruch” bilden eine Einheit und sind doch in sich und verglichen miteinander abwechslungsreich und dynamisch spannend. Wer Gesang braucht, wird hier vermutlich nicht glücklich. Alle anderen können sich über ein sehr gelungenes frisches Stoner-Rock-Album freuen. Wer vielleicht jetzt erst durch Stargo Lust auf Stoner-Rock bekommt führt sich am besten in aller Ruhe Stoner-Bands wie Saint Vitus, Kyuss, Melvins, Electric Wizard, Clutch, Atomic Bitchwax oder Karma To Burn zu Gemüte. Für neuen Stoner-Stuff sind Stargo sehr zu empfehlen. Entweder als eins der 300 Vinyl-Exemplare oder als Download.
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