Es ist einfach schrecklich! Leider passiert es nach wie vor viel zu häufig und es lässt die Betroffenen immer wieder fassungslos zurück. Das Label kündigt eine Reisegeschwindigkeit von 33,3 rpm an. Man denkt sich nichts Schlimmes dabei und hält sich an die Empfehlung. Und dann das! Eine Mischung aus Katzengejammer und eingeschlafenen Füßen wirft dem schweißgebadeten Schreiberling die Frage auf, worauf er sich da bloß wieder eingelassen hat? Da hilft jetzt nur, einen kühlen Kopf zu bewahren, schnell und professionell zu handeln und dem Gejaule ein Ende zu bereiten. Kurz auf’s Gaspedal drücken und die Reisegeschwindigkeit auf 45 rpm erhöhen und siehe da, eine Wohltat.
Ging gerade nochmal gut und ja, jetzt hört es sich auch nach Musik an. Sehr schöne, sehr unaufgeregte Musik. Dargeboten von The Underground Youth & Laura Carbone. Und hoppla, die vier Stücke auf der via Glitterhouse Records veröffentlichten 10″ “In Dreams” kommen mir doch allesamt bekannt vor. Klar, sind allesamt vom good old Roy Orbison. Ein Konzeptminialbum also. Dargeboten werden “In Dreams”, “Crying”, “Lonely Wine” und “Love Hurts”, welches die Hardrocker Nazareth einst unsäglich verhunzt haben, hier aber herrlich geerdet und unprätentiös dargeboten wird. In Wahrheit handelt es sich bei dem Song allerdings auch nicht um einen von Roy Orbison, sondern um einen von Boudleaux Bryant. Ist allerdings nur irrelevantes Insiderwissen und für dieses Review allerhöchstens als Randnotiz wichtig. Wenn überhaupt.
Wie so viele ihrer Kolleg*Innen konnten auch Laura Carbone und Craig Dyer während der Pandemie – dem Musikgott sei Dank – die Füße nicht still halten und suchten deshalb trotz der bekannten Einschränkungen nach Möglichkeiten, sich musikalisch mitzuteilen. Beide mittlerweile in Berlin ansässig, waren sie sich dort schon vorher über den Weg gelaufen und auf Initiative von Dyer kam es schließlich zu diesem Projekt. Dass Dyer dabei unter dem Namen seiner Psychedelic/Noiserock – Band The Underground Youth auftritt, ist insofern etwas irreführend, da er und Carbone der alleinige Protagonist, bzw. die alleinige Protagonistin auf “In Dreams” sind.
Entsprechend haben wir es auch nicht mit einem Rockgewitter zu tun, sondern mit vier herrlich arrangierten Versionen der oben genannten Songs. Im Fokus der Aufnahmen stehen eindeutig die Stimmen im Duett von Carbone und Dyer. Die spärlichen instrumentalen Arrangements dienen lediglich dazu, den Songs einen Rahmen zu bieten. Und “instrumentale Arrangements” ist dabei auch schon wieder maßlos übertrieben, denn diese beschränken sich auf den dezenten Klang einer Gitarre. Das Ergebnis passt ideal zur gerade frisch eingekehrten Herbstmelancholie, kombiniert mit dem neuerlichen Entfachen des Komfortofens ob der trüben und nasskalten Suppe da draußen. Denke ich mir so, während ich vor eben diesem Komfortofen sitze und diesen wohligen Klängen auf “In Dreams” lausche.
Wer was mit den American Recording – Sessions von Johnny Cash, Tina Dico, Chris Isaac und natürlich auch Roy Orbison anfangen kann, der/die sollte losstürmen und sich “In Dreams” zulegen, bevor das Wetter vollends ganz zum auf der Couch verweilen nötigt. Komfortofen ist dann auch nicht unbedingt zwingend, die Platte funktioniert auch ohne.
Als Pendant zur Musik ist auch das Artwork der Platte aufregend unaufgeregt. Künstlerin und Künstler in schöner Photographie, welche alles beinhaltet, was auch zu hören ist: zwei Menschen und eine Gitarre. Treffender kann man den Hörgenuss wohl kaum visuell wiedergeben. Minimale Linernotes auf der Rückseite, kein Schnickschnack weit und breit. Das gefällt! Zu haben ab dem 12. November z.B. hier.