Wow! Das ist ja mal was sehr willkommenes Neues. Post-Punk der auch aggro kann. Geht gut runter und erstickt die aufkommende Müdigkeit, wie sie sich sonst gerne mal beim Hören von Platten des Genres instant breit machen will bereits im Keim. “Colony” heißt das Debütalbum der Kölner Band TV Cult und das macht müde Geister wieder munter. Wegbereiter für den Sound der Band waren sicherlich zu sehr großen Teilen die ebenso großen Joy Division. Doch wo Ian Curtis einst mit seinem Gesangsstil auf so was wie Ruhe wert legte, wollen TV Cult lieber laut sein. Richtig laut. So laut, dass man es auch viel weiter südlich und nahe des Rheins hören konnte. Flight 13 Records aus Freiburg hat die Ohren aufgesperrt und “Colony” auf wunderschönem Transparent Petrol-Vinyl veröffentlicht. Allerdings auf nur gerade einmal fast schon lächerlich anmutenden 250 Exemplaren. Ich bin mir nämlich sicher, das Teil geht weg wie Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt, treffen TV Cult doch absolut den Zahn der Zeit – und das mit einer völlig schicken, weil nicht eingestaubten Uhr!
Aber keine Sorge. Schwarzes Vinyl ist auch noch da und jede*r der/die möchte, soll sein Stück TV Cult erhalten. Warum ihr “Colony” nicht nur wollen solltet, sondern unbedingt auch haben solltet, darauf gehen wir nun en détail ein. Rocken tut sie, die Scheibe. Das ist wichtig und richtig und das hebt sie von konventionellen Post-Punk Produktionen ab. Einen Großteil dazu trägt Sänger Marco dank seiner enormen Stimm- und Stilvarianz bei. Einerseits mit ordentlichem Gebrüll wie Chuck Ragan in seinen frühen Tagen bei Hot Water Music, andererseits mit einem gedämpften Bariton, der wie von Iggy Pop himself vorgetragen klingt, gelingt Marco das seltene Kunststück, aus sich selbst quasi zwei bei TV Cult amtierende Sänger zu machen. Beide genannten Referenzkünstler sind auch nicht zwangsweise diejenigen, die man einer Post-Punk Band zuordnen würde, was die Sache zusätzlich spannend macht.
Dann ist da noch die Musik selbst, die ihren Ursprung zwar in Manchester haben mag, zu Fortbildungszwecken aber definitiv auch in den ’80ern in Washington D.C. und sogar in Portland/Oregon war. Soll heißen, alle die sich in der Dischord-Bubble stets gut aufgehoben gefühlt haben und darüber hinaus auch die wavigen Wipers abfeiern, werden TV Cult doch schon sehr mögen. Und was haben musizierende Menschen aus D.C. und Portland gemeinsam? Na klar, sie schaffen es mit musikalisch minimalistischen Mitteln eine große Tiefe zu erzeugen. So ist das nun neuerdings auch in Köln.
Hätte ich nicht bereits etwas voreilig meine Best of 2023 geschrieben, so wären TV Cult mit “Colony” definitiv noch ein heißer Aspirant dafür gewesen. So bleibt mir lediglich nochmals und erneut die Möglichkeit, euch die Platte im Rahmen dieses Artikels allerwärmstens ans Herz zu legen. Und das, obwohl ich im Allgemeinen nicht zu den allergrößten Post-Punk Fans zähle. Im Unterschied zur Musik gehen TV Cult das Artwork betreffend einen eher straighten, post-punkigen Weg. Simpel und schwarz/weiß gehalten, schön auf Inside/Out-Cover und mit so einer genretypisch leicht depressiv anmutenden Note gibt es da Gesicht und Fuß zu sehen. Hand und Fuß wäre passender gewesen, um die Floskel von Hand und Fuß auch bedienen zu können. Das hat “Colony” von TV Cult nämlich definitiv.
Am 24.11., also exakt einen Monat vor dem kleinen Jesuskind, hat diese gottgleiche Platte das Licht der Welt erblickt. Schaut gerne mal bei JPC danach.