Es gibt Dinge, die macht man gerne, die fallen einem meist leicht. Daneben gibt es die Dinge, die man ungern tut oder hasst – diese Dinge fallen einem schwer oder werden nur schlecht oder nie erledigt. Und dann gibt es die Dinge, die man völlig unterschätzt.
So ging es mir als ich das Buch “V-Mann” von Steve Braun das erste Mal sah; da kommen gefühlt ein Kilo Buch oder etwa 600 Seiten und du denkst, wie bekommst du dazu einen Zugang?
Ich empfehle euch ein ruhige Ecke, ein Sixpack und den Sampler “Nürnberg sehen … und sterben“. Und dann blättert einfach mal quer durch. Es bedarf keines Hintergrundwissens und es gibt auch keinen durchgängigen roten Faden. Im Video kann man sich einen groben Überblick verschaffen.
Es ist natürlich nicht der erste Bildband über die Subkultur Punk, aber bei Steve Braun sollen nicht die schrägen Outfits im Fokus stehen, sondern die Freunde der Szene. Durch dieses Vertrauensverhältnis ist nichts zu schräg und nichts zu peinlich. Steve Braun, Kunst- und Fotografiestudent, begleitete die Szene fast fünf Jahre lang. Nicht immer nüchtern, aber die Kamera immer im Anschlag. So bekam er den Spitznamen “V-Mann”, der an ihm kleben blieb.
Was macht es aus? 600 Seiten Blick in die Szene? Ich finde es ist die Nähe und Intimität zu seinen Fotoobjekten. Hier sieht man völlig zerstörte Typen, schrille Paradiesvögel, aber auch nackte Tatsachen. Alles an den typischen Orten und üblicherweise im Delirium oder auf dem besten Weg dahin und zurück. Dabei spielt Alkohol eine wichtige Rolle. Fast immer im Bilde: Bier. Es gibt Menschen beim Pogo oder beim Sex, aber vor allem gibt es immer wieder: Menschen mit Bier.
Die analogen Fotografien haben ihre eigene Spannung, da sie nie gekünstelt oder gestellt aussehen. Sie wirken mal zufällig, mal unscharf, mal willkürlich. Es sind keine Portraits, sondern Zeitzeugen. Egal, was passiert – der V-Mann Steve Braun hält drauf. So entstehen keine Meisterwerke, aber Bilder aus dem Mittendrin. Näher ran geht nicht.
Der Bildband wird unterbrochen von blogpostartigen Beiträgen über Punk im Allgemeinen und in Nürnberg im Speziellen. Ich finde diese Blogs eher belanglos und ohne großen Beitrag zum Bildband. Soll heißen, ich hätte gut und gerne darauf verzichten können, was ein asozialer Landesvater Bayerns zu sagen hat. Oder Figuren aus dem politischen Umfeld, der Anarchistischen Pogopartei Deutschlands (APPD).
Bleibt man bei den Bildern und läßt Gedanken und Erinnerungen freien Lauf, macht das Buch am Ende doch einen Sinn und ich kann mich dafür begeistern. Es eignet sich zum Durchblättern und Anschauen im Besonderen. Und die Art und Weise der Kamerabenutzung ist schon bemerkenswert. Mich würde interessieren, wie der oder die ein oder andere Abgelichtete sind irgendwann mal dieses Buch schnappt und mit den Kindern anschaut. Da gibt es Erklärungsbedarf. So viel steht mal fest!
Ihr seht am Ende, bin ich doch so viel vom “V-Mann” begeistert, dass ich es durchaus weiter empfehlen kann. Kaufen könnt ihr es für 35 Euro im Hirnkost-Verlag.