Heute kommt hier mal wieder eine Vinylsünde an den Start, auf die ich mich richtig freue. Caddy von Chefdenker und The Human Atombombs haut hier einen Klopper raus, der es in sich hat und so wie es sich gehört, wird hier richtig in die Pfanne gehauen, aber lest einfach selbst. Viel Spaß euch.
STRYPER (Isaiah 53:5) – The Yellow And Black Attack LP
„Religion is like a penis. It’s fine to have one and it’s fine to be proud of it, but please don’t whip it out in public and start waving it around… and PLEASE don’t try to shove it down my child’s throat.“
(Anonymes Zitat, in unterschiedlichen Abwandlungen via Internetsuchmaschine deines Vertrauens nachlesbar)
Ich ahnte, was mir mit der Bitte um einen Beitrag zu dieser Rubrik ins Haus stand, und es sollte auch so kommen: Nach eingehender Untersuchung meines Plattenregals stand ich nun vor dem Problem, knapp 30 Platten gefunden zu haben, die entweder richtig kacke sind oder derer ich mich schäme. Das Eine bedingt keinesfalls das Andere (so fand ich in dieser Rubrik bereits wichtige Kulturzeugnisse wie z.B. Die Drei Besoffskis oder den Scumfuck Arschlecken Rasur – Sampler; nicht immer schön, aber wichtiger Teil kulturhistorischer Bildung!), aber manchmal ist auch beides der Fall. Ich hatte die Wahl zwischen Disco- und Billigcountry-Samplern, einem Kinderchor zur deutschen Einheit, griechischem Bouzouki-Potpourri, Saufliedern für Omma und Oppa auf Deutsch und Niederländisch, einer schwedischen spoken-word-Platte, die ich wohl nur gekauft haben musste, weil auf dem Cover eine Gruppe Punks mit einem spießigen Opa posierten, ein paar 00er Indie und Emo-Platten, bei denen ich das Kotzen kriege, Iwan Rebroff, Freddy Quinn, Pur, Tony Marshall, Alfons Bauer…ich war einfach zu oft besoffen auf dem Trödelmarkt. Jedenfalls kann ich jetzt schonmal danke sagen – ich hab viel zum Wegschmeißen gefunden. Ebenfalls schloss ich nicht aus, die eine oder andere Wohlstandskinder-LP, die ich selbst mit verbrochen habe, ins Visier zu nehmen. Am Ende haben aber STRYPER das Rennen gemacht, und ich glaube auch verdient.
Vermutlich habe ich bei einem dieser besagten Trödelmarktbesuche auf dem Parkplatz des Unicenters in Köln, die oft genug Samstagmorgens nach durchzechten Nächten stattgefunden haben, bis über beide Ohren gestrahlt, als ich diese Platte aus irgendeiner Grabbelkiste zog, denn ein gewisser Unterhaltungswert des Produktes, dass es nach allen Regeln des gesunden Menschenverstandes eigentlich gar nicht geben dürfte, ist einfach nicht von der Hand zu weisen. Die Hardfacts: Es handelt sich um die spanische Pressung des 1986 via Enigma Europe/Vegeoria erschienenen Re-Issues der Debut-EP der Band, die schon 1984 erschien und nach der ersten full length LP von 1985 wegen des großen Erfolges (!) und als Bonus mit 2 neuen Songs versehen, als LP rausgehauen wurde. Die Band spielt(e) Hair-Glam-Hardrock mit christlichen Texten und waren die wohl bekanntesten und erfolgreichsten Vertreter des ‘White Metal’ Genres, quasi men with a mission, oder, wie es schon bei den Blues Brothers hieß:„They’re on a mission from God.“, nur halt leider sehr real und humorfrei. Als Suffix zum Bandnamen gaben sich Stryper immer den Zusatz ‘Isaiah 53:5′, einen auf die männliche Hauptrolle des neuen Testamentes bezogenen Bibelvers, bei dem sich Impaled Nazarene warscheinlich ‘Selber schuld, aber danke für die Inspiration zum Bandnamen.’ denken und sich kaputtlachen würden:
„But He was pierced for our transgressions, He was crushed for our iniquities; the punishment that brought us peace was upon Him, and by His stripes we are healed.“
Die genannten ‘stripes’ , die im Outfit und Artwork der Band in gelb/schwarz zur Corporate Identity wurden, meinen die von Peitschenhieben herrührenden Wunden des Jesus von Nazareth, der Bandname ist eine Ableitung dessen, und obendrein liest man auf Wikipedia, dass Sänger/Gitarrist Michael Sweet den Bandnamen als Abkürzung für Salvation Through Redemption Yielding Peace, Encouragement and Righteousness.“ deutet. Wow. Der Pathos der Böhsen Onkelz ist ein Scheissdreck dagegen.
Ich ärgere mich ein bisschen, dass ich nur das auf dem Foto zu diesem Artikel zu sehende Re-Issue besitze, denn das Original-Cover der EP von 1984 sieht nämlich SO aus:
Das muss man sich mal auf der Netzhaut zergehen lassen: Eine Hand, vermutlich soll es die Patsche Gottes sein, schickt vier mit den Initialen der Bandmitglieder und der Zahl 777 als relativ unoriginelle Alternative zu der uns allen wohl bekannten Zahl des Tieres versehene Marschflugkörper in Richtung Erde, deren Kontinente alle schon schwarz-gelb gestreift sind. Wäre es nicht so scheiße, es wäre SO gut – Applaus! Das ist ein Niveau, mit dem Stryper locker in einer Liga mit Manowar spielen, nur eben auf einer anderen Ebene. Neben dem bereits genannten Sänger sind noch die Namen des anderen Gitarristen Oz Fox (der übrigens 2009 das ehemalige Callgirl Annie Lobért heiratete, welche wiederum das – Achtung! – Missionswerk Hookers for Jesus gegründet hat), und der des Drummers, seines Zeichens Bruder des Sängers, zu erwähnen. Der heisst Robert Sweet und wird ‘the visible timekeeper’ genannt, weil er live auf seinem ordnungsgemäß riesigem Drumriser seitlich positioniert spielt, damit man seine komplette Hübschheit auch bloß mitbekommt. Ausserdem sehr ordnungsgemäß: Die 80s-Glamrock-Garderobe der Band, auf die der Steel Panther-Bassist vermutlich ziemlich neidisch wäre. Steile Dauerwellen, Miniplis, enge Leoparden-Spandexhosen, Tüll etc. – da gibt’s einfach nix zu meckern. Die gelb-schwarzen Fummel wurden dann eher live getragen, zumindest sind diese auf einem Live in Tokyo Youtube-Video zu bestaunen.
Musikalisch gibts hier durchschnittlich produzierten und gar nicht mal so kacke gespielten, dafür aber, was das Songwriting betrifft, oberlangweiligen Hardrock mit glockenklarer Kastratenstimme Marke Ratt, Mötley Crüe, L.A. Guns und Konsorten zu hören, bis auf wenige Ausnahmen absolut hitfrei und harmlos. Von ‘gefährlich’ oder ‘wild’, wie es bei Crüe, Skid Row oder Guns’n’Roses unvermeidbare Attribute gewesen wären, kann natürlich schon alleine wegen des christlichen Selbstverständnisses keine Rede sein. Natürlich nur oberflächlich betrachtet, denn das Zitat ganz oben hab ich ja nicht umsonst ausgewählt. Womit wir zu den Texten und Songtiteln kommen. Hihi. Grob lassen sich diese irgendwo zwischen Kirchengesangsbüchlein (‘My love I’ll always show’, ‘Loving you’), Kindertröstliedern (‘You won’t be lonely’) und/oder Schildern mit Mahnungen zu Gottesfurcht und Tipps zu richtigem Verhalten (‘From wrong to right’, ‘The reason for the season’) wie sie auf den Fluren amerikanischer CVJM-Gebäude vorkommen, einordnen. Kostprobe aus ‘From wrong to right’ gefällig? Geht aufs Haus.
Satan is a fool and it’s so insane.
Some people think he’s cool, you play with fire,
You’ll feel the pain.
Why lose when you could win? Give God a try.
The devil’s not your friend, the truth is not a lie.
I’ve changed my ways from wrong to wright
Evil never pays, no, the truth is not a lie.
Soviel zur Strophe. Dann (und jetzt alle!) der Refrain:
We want to rock one way, on and on.
You’ll see the light some day
All say:
Jesus is the way.
Yeah. So weit, so peinlich. Die ganze Sache könnte man nun schulterzuckend ignorieren, wenn die Typen nicht so tun würden, als meinten sie es absolut ernst und hätten dabei nicht den Anflug eines schlechten Gewissens. Good clean fun for the whole family. Angeblich wurden bei den Konzerten sogar Bibeln ins Publikum geschmissen. Kamelle! Auf dem Dynamo Festival 1987 wurden sie nach dem wie-du-mir-so-ich-dir Motto dafür vom Publikum mit in den Berichten darüber nicht näher bezeichneten Gegenständen beworfen. Die Band erfüllt also entweder den Tatbestand der unaufgeforderten Werbung für organisierte Religion, die vernünftig betrachtet allerhöchstens Privatsache ist und auf öffentlichen Bühnen nichts zu suchen hat, oder verarscht – und hier sehe ich unter Umständen, je nach Promillegehalt beim Hören, eine zweite Gemeinsamkeit mit Manowar (oder den hinlänglich bekannten Fernsehpredigern US-Amerikas) – nach Strich und Faden zum Zwecke der eigenen Bereicherung ihr Publikum. Das geht meines Erachtens nach gar nicht klar, und die zwei Euro, die ich für die Platte vermutlich hingelegt habe, sind mir die Möglichkeit zur Warnung vor Typen dieser Art allemal wert. Dass sie sich dann hier auch noch noch als meine bedeutendste VinylSÜNDE oute, tut ihnen hoffentlich nochmal extra weh. Obwohl ich das eher bezweifele.
Zum Glück ist die Combo nach steiler, aber kurzer Karriere und kurzatmigen Reanimationsversuchen inzwischen Geschichte, obwohl natürlich an verschiedenen Textstellen, z.B. in Co’mon Rock, behauptet wurde, man höre mit diesem grausigen Getue unter Garantie niemals wieder auf. Womit wir bei Manowar- (und wenn man die Bühnenoutfits mitzählt, übrigens auch die zweite Twisted Sister-) Gemeinsamkeit Nr. drei angelangt wären. Das reicht dann aber auch.
In diesem Sinne: Hallelujah!