Es ist wieder an der Zeit, euch eine neue Vinylsünde zu präsentieren und irgendwie steckt da mit den ganzen Chris´s der Wurm drin. Anscheinend sind es hauptsächlich Menschen mit dem Namen Chris, die Vinyl sammeln denn innerhalb von vier Wochen haben wir hier nun den dritten Chris am Start!
Heute geht es um den Chris, der unter anderem bei den Bands Accion Mutante, Helmut Cool und Planet Watson aktiv und dadurch in der Punk/Hardcore Szene doch recht bekannt ist.
Hey Chris, du bist ja fast schon Extremsammler was Vinyl angeht und so passt ja unsere Vinylsünde geradezu wie die Faust aufs Auge. Ich hab mich ja schon paar Mal gefragt, welche schönen Sünden bei dir so in der Sammlung stehen und nun ist es an der Zeit, mir diese Frage zu beantworten. Chris, sag, was ist deine ganz persönliche Sünde?
Ich muss erstmal betonen, dass ich es nicht als leicht empfunden habe, einen richtigen Stinker in meiner Plattensammlung ausfindig zu machen.
Ich bin Anfang 30 und sammle seit etwa 15 Jahren Platten. Mein Musikgeschmack hat sich in dieser Zeit nicht grundlegend geändert. Und mit Totalausfällen aus den 80ern kann ich auch nicht „auftrumpfen“.
Eine Platte fiel mir dann aber doch ins Auge, die erwähnenswert schien: Die Deutschen kommen. 1982 auf Rock-O-Rama erschienen mit dem Untertitel „DER KÖLN / LEVERKUSEN SAMPLER !“ [sic].
Darauf versammelt sind die Bands Fasaga, Der Fluch, Cotzbrocken, OHL und Stosstrupp.
Der Sampler ist im Endeffekt auf so vielen Ebenen scheiße, dass man nicht recht weiß, wo man eigentlich anfangen soll.
Ich entscheide mich fürs Cover. Dieses zeigt – wie leider für Rock-O-Rama nicht unüblich – einen Wehrmachtssoldaten und den Titel des Samplers in Frakturschrift (Warum Labelbetreiber Herbert Egoldt seinen Bands bevorzugt Soldaten oder ähnlichen Kriegscontent aufs Cover setzte, entzieht sich meiner Kenntnis.). „Abgerundet“ wird dieser optische Haufen Müll durch einen knallgelben Hintergrund.
Wenn ich schon dabei bin, mache ich mit dem Label Rock-O-Rama direkt weiter. Es dürfte hinlänglich bekannt sein, dass dieses ab 1984 vermehrt Rechtsrock Bands veröffentlichte. Zum Erscheinungszeitpunkt des Samplers war dies wohl noch nicht abzusehen. Damals zeichnete sich das Label noch durch sehr dürftige Produktionen aus, da Egoldt diese wohl in der Regel selbst übernahm. So klingen sogar gute Songs von Bands wie Chaos Z (die damals auch auf Rock-O-Rama waren) auf Platte, als seien diese auf einem Alufolien-Schlagzeug und einem Staubsauger eingespielt worden. Es ist bezeichnend, dass Bands, die damals auf Rock-O-Rama veröffentlichten ihre Fans in Fanzines zum Boykott der eigenen Platte aufriefen, da sie sich vom Label übers Ohr gehauen fühlten (ich glaube, es waren M.A.F.).
Mit diesem Vorwissen wage ich mich jetzt an die Musik ran und gestehe, warum ich diese Platte überhaupt besitze. Dies liegt einzig und allein an dem Opener der Platte, „Pogo in der Straßenbahn“ von Fasaga. Für mich eine wahre Deutschpunk-Hymne. Dieser Sampler ist die einzige offizielle Veröffentlichung, auf der Material von Fasaga enthalten ist. Und als Sammler besitze ich Musik, die ich mag nun mal gerne physisch. Auch die Produktion der vier enthaltenen Fasaga Songs ist recht mager, geht aber klar. Tatsächlich muss auch angemerkt werden, dass die drei verbleibenden Songs der Band nicht ganz so hitverdächtig sind, dennoch aber gut ins Ohr gehen.
Bei der Konkurrenz ist es dabei auch wahrlich einfach, als Sieger durchs Ziel zu gehen.
Danach wird es mit Der Fluch finster – und das meine ich nicht in Bezug darauf, dass die Texte der Band durch Horrorpunk und Gothic beeinflusst sind. Die Truppe war bzw. ist ein Nebenprojekt des OHL Sängers. Musikalisch bestechen die Songs durch eine Art Rockabilly-Gitarre, die einfach nur nervt. Die Texte erzählen mir irgendwas von tanzenden Hexen und der Nacht der Toten. Kombiniert mit der bereits erwähnten lausigen Produktion lässt mich das ziemlich kalt. Ich finde Der Fluch beim Hören aus Überzeugung scheiße, weil ich auch OHL scheiße finde. Dazu aber später mehr.
Weiter geht es mit Cotzbrocken. Obwohl ich generell auf alten Deutschpunk stehe, war mir diese Band tatsächlich einfach immer zu blöd. Abgesehen vom musikalischen Unvermögen waren die strunzdummen Texte wohl Aushängeschild der Band. So rufen sie zum Beispiel dazu auf, Kiffer kaputt zu schlagen, weil diese jeden Tag zugeknallt sind. Ich bin mir ziemlich sicher, dass zumindest Teile der Band in den späten 80ern im rechten Lager gelandet sind. Zuletzt lief mir die Band aufgrund eines Skandälchens wieder über den Weg, da auf dem Textblatt einer vor nicht allzu langer Zeit erschienenen Compilation ein Mitglied der Band ein Skrewdriver Shirt trägt. Ich fand auch den Albumtitel „Jedem das Seine…“ immer mehr als daneben. Im Song „Oi Oi Oi“ heißt es im Refrain dann übrigens „Exploited – Discharge – Reject – Oi Oi Oi“. Na dann…
Kommen wir nun zu OHL. Diese Band könnte man musikalisch sogar ganz gut finden, wenn die Texte nicht immer wieder rechts mit links gleichstellen würden. Nicht umsonst wurden sie schon damals als CDU-Punk gelabelt. Bereits im ersten Song „Der Osten“ macht sich diese Paranoia vor der Roten Gefahr breit. Was uns der Deutsche W. dann mit „Soldaten leben länger“ genau sagen will, weiß ich nicht. Mir ist auch meine Zeit zu schade, mich ernsthaft damit auseinanderzusetzen.
Den Abschluss machen dann Stosstrupp, von denen ich nicht viel weiß. Nach dem Hören ihres Beitrags zu diesem Sampler ist mir auch nicht danach, mich in Bezug auf die Band schlauer zu machen. Musikalisch ist das einfach stumpfer Deutschpunk mit (natürlich) schlechter Produktion und einer monotonen Stimme, die mir fürchterlich auf den Sack geht. Was ich von den Texten meine zu verstehen, lässt nicht auf sonderlich geistreiches schließen. Es ist mir zusehends auch egal. Um ehrlich zu sein, habe ich nur für diesen Beitrag die Platte mal wieder in Gänze angehört und warte sehnsüchtig drauf, dass der Spuk endlich vorbei ist.
Es hilft am Ende eigentlich nur, die Platte noch einmal umzudrehen und sich mit Fasaga wieder ins Gedächtnis zu rufen, warum diese Platte überhaupt mal gekauft wurde.
Ich musste im Anschluss Extreme Noise Terror hören, um mich wieder zu erden. Das ist zwar ebenfalls auf seine Weise stumpf, aber halt gut.
Ich stelle am Ende nur fest, dass das Plattencover damit wirbt, es sei eine Textbeilage enthalten, die bei meinem Exemplar allerdings fehlt. Aber was wird dieses schon brauchbares enthalten…
Die Deutschen kommen? So schnell nicht wieder! Sie wandern jetzt erstmal zurück in mein Regal. Und das vermutlich für längere Zeit.