Ja, Martin und mich verbinden schon seit ewigen Zeiten so einige Sachen und ja, gefühlt kennt man sich eigentlich auch schon seit dem Sandkasten. Naja, eher so aus der Teenie Zeit, aber eben schon lange. Er ist ebenso wie ich sehr umtriebig und aus der Punkrock Szene irgendwie zumindest in Süddeutschland nicht weg zu denken und betreibt aktuell den YouTube Kanal Kesselpunks. Grund genug, auch den Herrn aus Stuttgart mal nach seiner persönlichen Vinylsünde zu befragen und was dabei raus gekommen ist, ist mal wieder Creme de la Creme! Viel Spaß beim lesen.
Meine Vinylsünde ist nicht eine, sondern gleich zwei LPs. Wobei es sich eigentlich weniger um echte Geschmacksverwirrungen meinerseits (ok, das kann man auch anders sehen :D) handelt, als vielmehr um Erinnerungsstücke an eine verrückte Zeit. Dafür muss ich ein bisschen Ausholen:
2001 durfte ich ein High-School-Jahr in den USA verbringen. Als 16-Jähriger bin ich damals mit zwei großen Reisetaschen aufgebrochen und in Mark, Illinois gelandet. Einem Kaff mit nicht Mal 600 Einwohnern in der buchstäblichen „Middle of Nowhere“. Die Gastfamilie bei der ich damals lebte waren sehr konservative Baptisten. Und so bekam ich Einblick in eine Parallelwelt, die ich vorher nicht kannte und die ich faszinierend fand. Das ganze Leben der Familie spielte sich im Umfeld der Kirchengemeinde ab. Ich ging gemeinsam mit meinen Gastgeschwistern in eine baptistische Privatschule und eigentlich drehte sich das gesamte Leben irgendwie immer um die Frage, ob etwas nun „erlaubt“ ist oder doch Sünde. Alkohol war zwar nicht verboten, aber verpönt. Ebenso Tattoos. Denn der Körper ist ein Tempel und Geschenk Gottes und muss sorgsam behandelt werden. Komischerweise galt unfassbar fettiges Essen als ok. Musik wurde aufgeteilt in „Christian Music“, die war erlaubt, und „weltliche Musik“, die war ebenfalls verpönt. Meine Bad Religion und Blink 182 CDs kamen da gar nicht gut an.
Aber was den Kindern der Familie erlaubt war, war „Christian Rock“. Und so lernte ich Bands wie MXPX, Creed, POD, Underoath oder Flatfoot 56 kennen. Und weil diese christlichen Bands nicht nur dufte Musik machten, sondern auch gut für die Moral waren, durfte ich zusammen mit meinen Gastbrüdern auch kleinere Konzerte solcher Bands besuchen. Die fanden dann meist in Jugendzentren oder Kirchen statt und es war alles dabei von Metalcore, der damals schwer angesagt war, bis Pop-Punk oder Alternative Rock. Und immer wieder wurde geradezu verschwörerisch von den älteren Kids, also den 20-Jährigen oder noch älteren, die sich schon länger in der Christian Rock-Szene bewegten von einer Band geraunt, die den Stein erst ins Rollen gebracht hatten: Stryper.
Und das waren Geschichten, die hörten sich so schräg an, das konnte doch nicht wahr sein. Doch, es stimmte. Alles. Dass die Band Mitte der 80er ganze Arenen füllten. Dass sie mit Kanonen Bibeln ins Publikum schossen. Und dass sie mit Limos unterwegs waren, als wären sie Bon Jovi oder Metallica.
Stryper waren die Ersten, die Christian Heavy Metal spielten. Die Band erntete damals übrigens von Hardcore-Christen auch viel Gegenwind, weil sie immer noch „satanische Musik“ machen würden und somit die Jugend verführten für den Rock’n’Roll. Aber die Kids liebten sie und sie traten damit eine Welle los, die bis heute eine eigene Kategorie im US-Musikmarkt bildet. Christian Music ist heute ein Milliardengeschäft und die großen Plattenfirmen haben in Nashville ganze Hochhäuser gebaut, eines davon hat ein riesiges Kreuz darauf. Da geht es nicht mehr nur um die Message, sondern auch um ordentlich Cash.
Stryper waren also immer ein Mythos für mich. Damals gab es ja kein Youtube, wo man einfach mal reinhören konnte. Und deshalb musste ich einfach zuschlagen, als ich die beiden Alben „To Hell with the Devil“ und „Soldiers under Command“ in einem Plattenladen bei einem späteren USA Urlaub fand. Außerdem passten die gut zu meiner Hairmetal-Sammlung, die ich damals begonnen hatte, nachdem ich „The Dirt“ von Mötley Crüe gelesen hatte. Inzwischen hab ich die aber fast komplett wieder abgeschafft. Weil Hairmetal einfach echt scheiße ist und sowas ironisch zu hören auch keinen Spaß macht.
Zu meiner Gastfamilie von damals hab ich übrigens immer noch Kontakt. Inzwischen sind sie deutlich gemäßigter unterwegs und ich glaube, das lag auch an meinem Einfluss.
Ich mag die Platten immer noch, einfach weil sie mich an diese Zeit erinnern. Und hey, kuck dir nur mal die Cover an. Sowas schmeißt man doch nicht weg!