Draußen kämpfen Winter und Frühling um die Vorherrschaft. Sehe ich aus dem Fenster, entdecke ich im Wechsel, Regen, Sonne, Donner und Blitz, rasch fliegende Wolken, dann mal wieder Hagel – also die komplette Wetterkarte einmal durch. Auch das Sonnenlicht wechselt ständig zwischen hellstrahlend, durch die Wolken verdunkelt, gefiltert und wieder klar. Der Großteil der Pandemie geplagten Bevölkerung wird das Wetter hassen, da es die meisten an einem Spaziergang vor der Tür hindert, aber die Meteorologen werden faszinierend sein, ob der Dinge, die draußen passieren. Warum komme ich darauf? Weil das aktuelle Album „Simulacrum“ von Volvopenta ähnlich auf die Hörerschaft wirken wird. Ein Großteil wird sich nicht sonderlich dafür erwärmen können, aber die Hörer, welche das Genre lieben, werden feststellen, dass es sich hier um einen echten Edelstein handelt. Aber der Reihe nach…
Volvopenta gehören nicht zum Volvo-Konzern, sondern sind ein Quartett aus Essen und Mülheim, aus dem Heartland von Nordrheinwestfalen, dem Ruhrpott. Spontan fallen mir da Die Regierung aus Essen und Helge Schneider, Bohren and the Club of Gore aus Mülheim ein. Man sieht, nicht die schlechtesten Künstler. Volvopenta besteht aus den beiden Gitarristen Marcus Kreyhan und Stefan Claudius, dem Bassisten André Davids und Kai Spriestersbach am Schlagzeug.
Das Album kommt in einem sehr schicken, hochwertigen Cover daher, lässt aber sonstige Informationen zum Beispiel auf einem Innensleeve vermissen. Die Graphik auf Vorder- und Rückseite sind sehr interessant gestaltet und jeweils mit orangen Pinselstrichen so übermalt, das auf der Vorderseite ein X und auf der Rückseite ein Y erkennbar wird. Aber wofür steht diese XY? Ein weiteres kleines Mysterium, denn als Simulacrum oder Simulakrum bezeichnet ein wirkliches oder vorgestelltes Ding, das mit etwas oder jemand anderem verwandt ist oder ihm ähnlich ist. Dabei kann der Begriff positiv als Konzept produktiver Phantasie oder negativ als trügerischer Schein verstanden werden. Ich lege mich fest – Volvopenta verstehen es als Konzept produktiver Phantasie.
Auf dem Album musiziert die Kapelle zwischen allen Wetterphänomen, mal mit, mal ohne Gesang, mal hell schillernd in Pastelltönen, dann wieder in düsteren Grautönen bis hin zum Schwarz. Volvopenta hat dabei eine Menge Ohrwurm-Potenzial: „Kolonia 56“ und „One to Five“ sind für mich die besten Beispiele des sechs-Track-Albums, die wirklich im Ohr bleiben. Wobei es im Song „One to Five“ um durchaus ernste Themen wie den G20-Gipfel geht. Aber Volvopenta können auch experimentell. Hier kommt ein wenig der Krautrock durch, Beispiele sind die beiden jeweiligen Seiten-Closer „Bar Fly“ und „Flint“. Da das Video zu „One to Five“ schon auf Vinlyl-Keks zu sehen war, zeige ich das Video zu „Kolonia 56″. Ein wunderschön ästhetisches Video in schwarz-weiß, welches die Musik der Band noch auf ganz eigenen Art und Weise unterstreicht.
Volvopenta legen mit dem zweiten Album „Simulacrum“ ein sehr reifes Werk vor. Wundervoll schillernd, melancholisch, dann wieder intensive dunkle Farben gemischt mit psychedelischen Elementen und eine Prise Krautrock. Der Wiedererkennungswert der Band liegt für mich im Spiel der beiden Gitarristen, welche mal harmonieren und sich mal reiben. Der Bassist breitet seine Auslegware unaufdringlich aus, hat aber zu jeder Zeit Rhythmik und Soundteppich fest im Griff. Gleiches gilt für das Schlagzeug, welches jederzeit den Laden zusammenhält und stoisch seine Bahnen zieht. Für mich ganz großes Tennis aus dem Pott. Macht euch selbst ein Bild und ordert das Album hier.