Wie patriarchalisch, wie wenig offen und wie sexistisch ist die Punkszene? Diese Fragen sind nicht neu, spätestens mit der Riot-Grrrl-Bewegung der frühen 1990er wurden sie breit diskutiert. Aber auch 30 Jahre später ist Punk in weiten Teilen und vor allem in der öffentlichen Rezeption immer noch ein Ding, bei dem sich Männer (zu) viel Platz nehmen und FLINT* (Frauen, Lesben, Inter-, Nicht-Binäre, Transmenschen) viel zu wenig sichtbar sind.
Sexismus und Punk. Damit sollten wir uns alle, die sich dieser vermeintlich so toleranten und aufgeklärten Szene verbunden fühlen, auseinandersetzen. Die #punktoo-Bewegung hat da einiges angestoßen.
Und auch hier beim Vinyl-Keks haben wir uns zuletzt viel mit dem Thema beschäftigt. Es gab Diskussionen und Zerwürfnisse, verschiedene Personen haben sich aus verschiedenen Gründen aus der Redaktion zurückgezogen. Das verbleibende Team hat reagiert: Eine neue, flache und gemeinschaftliche Struktur wurde etabliert und ein klares Selbstverständnis erarbeitet, welches keinen Platz für Diskriminierungen lässt und den wertschätzenden Umgang miteinander betont.
Und wann geht es endlich um War on Women? Jetzt. Denn das aktuelle Album der Band aus Baltimore ist ein guter Anlass, die genannten Punkte noch einmal zu betonen. Schließlich steht das Quintett für einen kämpferischen und feministischen Hardcore, der Politik, Gesellschaft und der eigenen Szene gleichermaßen den Spiegel vorhält.
Erschienen ist „Wonderful hell“ im November 2020 auf Bridge Nine Records. Musikalisch überzeugen War on Women auf ihrem dritten Album mit einer mitreißenden Mischung aus schnellem Hardcore, Sludge und dem ein oder anderen Thrash-Moment.
Im Mittelpunkt stehen hier aber ganz klar die Texte, die nicht nur auf Wut, sondern mindestens ebenso sehr auf kämpferischen Optimismus setzen. So heißt es im Titelsong: „There’s got to be a better way/Than giving up and wallowing. Let’s raise some wonderful, beautiful hell/And make this world worth living in“.
Vor allem die US-Politik mit all ihren Abgründen bietet Sängerin Shawna Potter und ihren Mitstreiter*innen stetig Anlass für deutliche wie eloquente Gegenrede – ob es um den Umgang mit Geflüchteten geht oder darum, wie sehr Frauen in öffentlichen Ämtern immer noch nach Äußerlichkeiten beurteilt werden. Im abschließenden Sechs-Minuten-Brecher „Demon“ kulminiert das alles schließlich in den Zeilen „If I can’t be more than accessory / Then I will scream until I can’t breathe“.
Keine Frage: War on Women haben hier ein großes und wichtiges Album abgeliefert. Eines, das sich viele old fashioned Szene-Dudes mal ganz genau anhören sollten. Die Diskussion über Punk und Sexismus ist noch lange nicht vorbei. War on Women liefern den Soundtrack dazu.
Bestellen könnt ihr das Album zum Beispiel bei Flight13.