Mensch wird ja häufig etwas schräg angeschaut, mit dieser Plattensammlerei, als würde mensch nicht mit der Zeit gehen wollen, ja bisweilen sogar als Rückständig abgetan. Warum sich das Wohnzimmer vollstellen und Geld ausgeben pro Platte, wenn doch alles, und noch viel mehr, fein säuberlich sortiert, platzsparend und jederzeit abrufbar aufs Mobiltelefon passt? Darauf gibt es unzählige Beantwortungsmöglichkeiten je nach persönlichem Gusto der*des Vinylliebhaber*in. Aber der Grund, weshalb ich diesen Text hier schreibe sind die vier Worte im ersten Teil des vorangegangenen Satzes: „Geld ausgeben pro Platte“. Ja ich zahle pro Platte mehr als ich monatlich für den Streaminganbieter meines Vertrauens (hüstel, hüstel, kotz, kotz) ausgebe. Spricht klar pro Streaming, gerade in Zeiten des neoliberalen Kapitalismus – Money rules, wissen wir alle, haben wir alle von Kindesbeinen an so gelernt, ebenso, wer mehr zahlt als nötig ist doof, checkt die Marktwirtschaft nicht, ist somit ein*e Verlierer*in. Wenn mensch sich jetzt aber nur ein paar Minuten Zeit nimmt um darüber nachzudenken, dann muss doch schnell auffallen, dass hier was nicht stimmen kann. Das Mehr, was eine Platte kostet, lässt sich doch nicht ausschließlich auf den Materialeinsatz, Personal-und Energiekosten des Presswerks, Transportwege etc. zurückführen. Wer verdient hier eigentlich wieviel und woran?
Das im einzelnen aufzuschlüsseln übersteigt meine Fähigkeiten. Aber wenn mensch in dieses Internet schaut und fragt: „Wie viel verdienen Künstler*innen pro Stream bei Spotify?“ ist die Antwortliste lang und eine einfache Antwort gibt es so nicht. Es gibt Durchschnittswerte von rund 0,3 Cent. Richtig: CENT, also 0,003€. Und das auch erst, wenn der Song mindestens 30 Sekunden gespielt wurde. Also gibt es folglich für einen Song von 18 Sek, wie „Pommes“ von Grilligster Flash nix. Er kann also theoretisch garnicht gehört werden, weil er im kapitalistischen Sinne nicht existiert, weil er einfach zu kurz ist. Außerdem plant der Größte der Streaminganbieter, Spotify, jetzt auch noch Künstler*innen erst ab 1000 Hörer*innen als Geldauszahlungswürdig zu erachten.
Fazit: Die Menschen, die die Musik geschaffen haben verdienen nen Witz daran, es sei denn, sie gehören zu den ganz Großen und viel Gestreamten, dann sieht das schon wieder etwas anders aus, dann können sie sich durch streaming auch mal ein Sandwich leisten. Das liegt daran, dass alles Geld in einem Topf landet und auf der anderen Seite alle gestreamten Songs in einem Topf landen. Wer am meisten gestreamt wurde bekommt dann am meisten Kohle, ziemlich vereinfacht dargestellt. Sprich, meine rund zehn Euro pro Monat werden nicht verteilt an die Musiker*innen, die ich höre, sondern an die von allen User*innen meist Gehörten.
Ja, natürlich streame ich auch Musik, wenn auch nicht beim oben genannten Anbieter, aber das Prinzip ist natürlich ähnlich. Und um in Musik rein zuhören finde ich es toll, um dann eine bewusste Kaufentscheidung zu treffen. Und natürlich find ich’s super unterwegs Musik dabei zu haben, beim Spaziergang um die laute Stadt auszublenden, bei der Bahnfahrt um laute Mitreisende auszublenden usw.
Und natürlich finde ich es gut, dass ich dafür keinen Walkman mitnehmen muss und womöglich das „falsche“, nicht der momentanen Laune und Stimmung, entsprechende Tape eingepackt zu haben. An dieser Stelle kann mensch mir gerne Doppelmoral vorwerfen, das ist okay. Ich würde es hingegen einen Versuch nennen, in einem fragwürdigen System okay zu handeln, unter Abwägung meiner Interessen und der Verantwortung den Künstler*innen gegenüber die ich schätze; und die für ihre Arbeit angemessen vergütet werden sollen, weil alles andere Ausbeutung ist. Und ja, Verantwortung finde ich hier ein durchaus angemessenes Wort. Denkt einfach mal kurz selbst drüber nach und erspart euch und mir hier Kant und seinen Imperativ zu zitieren und auseinander zu nehmen. Danke.
Also, um diesen fragwürdigen Spagat zwischen Eigeninteresse und Verantwortung (okay, für die, die sich so schwer tun mit dem Wort, können wir es meinetwegen auch monetäre Interessen der Künstler*innen nennen) zu bewerkstelligen, kaufe ich Vinyl und versuche das ohne Zwischenhändler*innen; was zugegeben bei u.a. USA-Importen sich fast nicht vermeiden lässt. Vinyl, Merchandising und Konzerttickets sind die Möglichkeiten, die wir Konsument*innen haben und die wir nutzen sollten, wenn wir es uns finanziell leisten können, um Künstler*innen zu unterstützen.
Außerdem ist die CO2-Bilanz von Vinyl tatsächlich geringer als beim Streaming, trotz Materialeinsatzes und Transport etc. Der Verbrauch zur Kühlung der Server wäre nochmal ein weitere Beitrag, vielleicht ein anderes mal.
Für heute bleibt dabei: kauft Vinyl, für euch selbst, oder verschenkt es zu Weihnachten. Vielleicht holt die ein oder andere dann doch den alten Plattenspieler wieder vom Speicher. Und belasst es nicht bei einer Weihnachtsgeste, sondern bleibt dabei.
Ein paar mehr Informationen zur Bezahlung der Streaminganbieter findet ihr hier:
ZDF – Wer kassiert beim Musik-Streaming?
You Tube; BR – Wie Spotify Geld verdient: Der geheime Deal mit den Labels (1/3)