Mit dem zweiten Teil unserer neuen Serie „Was ist Live-Musik noch Wert?“
wollen wir dieses Mal Marcus aus Rastatt ein paar Fragen stellen, die
sich um das veranstalten von umkommerziellen Konzerten handeln.
Marcus ist in Rastatt im selbstverwalteten Jugendzentrum „Art Canrobert“ aktiv und veranstaltet dort neben Konzerten mit Eintritt auch immer wieder sogenannte Floor Shows.
Zudem ist er auch mit seiner Band ”Krasser-Fahrstil“ öfters mal auf Tour. Durch diese Konstellation kann er uns sowohl eine Sicht auf die Dinge von Seiten eines Veranstalters als auch einer Band geben und das war für mich einer der Punkt, ihn im zweiten Teil dieser Serie zu Wort kommen zu lassen.
1.) Hallo Marcus, wir kennen uns ja nun schon sehr lange und hatten ja
früher auch zu tun, als ich noch im Booking aktiv war. Erzähl doch mal
unserer Leserschaft, was du so in Rastatt alles treibst und was es mit
den Hut Shows auf sich hat.
Hallo Nico, vielen lieben Dank zu deiner Einladung für dieses Interview. Ich bin nun etwa seit 20 Jahren aktives Mitglied im Art Canrobert e.V. Rastatt. Wir sind ein sozio-kultureller Verein für Musik, Kunst und Kultur.
Gegründet haben wir uns im Jahr 1998 nach der Besetzung eines der leerstehenden Kasernengebäude durch einige Rastatter Punks und Skins auf dem Canrobert Gelände in Rastatt, das seit mehreren Jahren brach lag.
Etwa 3 Jahre später wurde das Gelände aufgekauft und saniert und wir bekamen von der Stadt ein leerstehendes Ausgleichsgebäude in der Karlstrasse 23, in dem wir bis zum heutigen Tag ansässig sind.
Unser Hauptaugenmerk liegt im Angebot erschwinglicher Konzerte im Bereich Hardcore/Punk/Metal/Alternative, verschiedenster Lesungen, politischen Vorträgen und Partys.
Unter anderem hat sich auch in unseren Räumlichkeiten der Foodsharing-Bezirk-Rastatt/Baden-Baden neu gegründet.
Wir haben jeden Mittwoch einen offenen Treff, bei dem man Tischkickern, sich austauschen oder auch nur ein kaltes Getränk genießen kann.
2.) Nun ist es ja so, dass Rastatt genau zwischen den Metropolen Freiburg und Karlsruhe liegt und dadurch eine eher erschwerte Situation für dich als Veranstalter vorherrscht. Wie kommt ihr damit klar und gibt es neue Wege, die ihr inzwischen eingeschlagen habt, um neue Gäste zu erreichen?
Das ist richtig… Tatsächlich ist es für uns sehr schwer Publikum von weiter her zu mobilisieren, es sei denn es kommt mal TOXOPLASMA oder so was wie TURBOSTAAT!
Aber selbst aus Karlsruhe kommen im seltensten Fall Menschen zu unseren Veranstaltungen, sei es zu meinen privaten oder zu offiziell angemeldeten :/
Woran das liegt weiß ich nicht so genau!?!
Möglicherweise herrscht in Karlsruhe ein zu hohes Angebot. Im Endeffekt ist der Weg von Karlsruhe nach Rastatt ja der gleiche wie für uns nach Karlsruhe und viele aus Rastatt machen sich oft genug auf den Weg zu Konzerten in Karlsruhe.
I don’t know woran das liegt, dass der Austausch nicht so ganz funktioniert :/
Ja… alles recht schwierig aber da unser Einzugsgebiet bis Offenburg reicht und auch ein großer Teil aus dem Murgtal kommt wird der Laden, bei öffentlichen Veranstaltungen, dann gelegentlich schon recht voll 🙂
3.) Wie ist das bei euch im Art Canrobert mit der Zahlungsmoral der Gäste und gleichzeitig mit den Kosten für einzelne Veranstaltungen? Kommt ihr da einigermaßen bei so umkommerziellen Shows raus oder habt ihr Fördertöpfe, die ihr nutzen könnt?
Im Gegensatz zu gewissen Läden in Karlsruhe sind unsere Eintrittspreise sehr moderat.
Wir haben die Regelung eines maximalen Eintrittspreises für öffentliche Veranstaltungen von 8,- Euro… manchmal ist der Preis auch bei 7,- Euro wobei Mitglieder des Vereins grundsätzlich mindestens 1 Euro weniger bezahlen.
Egal wie viele Bands am Abend spielen, der Eintritt beträgt maximal 8,- Euro… alles andere muss auf unserem monatlichen Plenum besprochen werden.
Zum Beispiel wenn mal wirklich ein größerer Act geplant ist oder beim ”KIDS WILL RISE HC-FESTIVAL” mit gelegentlich 10-15 Bands.
4.) Wenn du mit dem Hintergrundwissen deiner Veranstaltungen Shows für deine Band suchst, wie gehst du da vor? Schaust du in erster Linie, dass die Kosten deiner Band gedeckt sind oder wird da schon auch noch fair gedealt? So das alle irgendwo ein ähnliches Risiko haben?
Ich schau in erster Linie, dass unsere Kosten gedeckt sind… heißt Minimum die Spritkohle sollte drin sein! Essen, Freigetränke und ein Schlafplätzchen ist ja meistens gang und gäbe.
Je nach dem haben wir auch schon ne feste Gage ausmachen können oder wir haben vereinbart, dass man eben schaut was am Abend in die Kasse gekommen ist (also Doordeal …der dann unter den Bands aufgeteilt wird).
Es geht mir nicht unbedingt darum mit meiner Band Kohle zu machen, sondern eher um den Spaß an der Sache und um die Punkrock Szene am Leben zu halten.
Es freut einen schon, wenn es den Leuten gefallen hat und sie etwas von unserem Merch erwerben.
Sicher ist es nicht verkehrt, wenn hin und wieder auch ordentlich was bei uns hängen bleibt.
Aber erstens sind wir mit KRASSER-FAHRSTIL noch nicht so groß :/ Wir haben erst ein Demo und ein paar Samplerbeiträge. Ein 4 Band-Sampler auf Vinyl ist in Planung mit PADDELNOHNEKANU, ENNOLICIOUS und die 4. Band ist noch nicht ganz klar …eventuell DASHCOIN, ZYSTEM oder THE LENNONS 🙂
Und zweitens geht das mit Geldverdienen meiner Meinung momentan nur in der Schweiz! Die zahlen echt gute Gagen und auch bei Hutshows sind die Leute sehr freigiebig 🙂
5.) Hat sich aus deiner Sicht in den letzten, sagen wir mal, 10 Jahren
etwas grundlegend in der Wertigkeit der Musik, insbesondere im Bereich Live-Musik geändert? Wenn ja, was und wie hat sich das deiner Meinung nach verändert?
Meiner Meinung nach ist es schwieriger geworden Menschen auf gute Konzerte zu locken.
Gerade im Punkrock Genre (außer Ska-Punk) kommen nicht mehr so viel wie z.B. in den 1990ern, hab ich das Gefühl.
Bei Metal oder Hardcore dagegen rennen sie einem die Bude ein! Ist bei uns zumindest so. Aber mit Metal und HC hab ich weniger am Hut.
Ich finde PUNKROCK IST DAS GEILSTE !!!
6.) Danke für das wirklich tiefgreifende und interessante Interview von dir. Das hat nun doch sehr gute Einblicke in euer Schaffen gegeben und nun noch die letzte Frage, die ich allen zum Schluss stelle! Was möchtest du unserer Leserschaft und den Leuten in und um deiner Region mit auf dem Weg geben oder was ist dir noch abseits meiner Fragen wichtig, was du noch unbedingt los werden möchtest?
Wenn mir spontan etwas einfallen sollte… wäre es: Wenn ich zurückblicke, meine ich das ich seit 1989 “intensiv” Musik höre. soll heißen seit 1989 höre ich auf Texte, achte auf Spannung, auf Aussage, Energie … ! Bei 90% der Bands war nach einigen Alben die Luft raus
… Sei es weil sie zu bekannt wurden und nicht mehr “Geheimtipp” waren oder weil sie aus irgendwelchen Gründen Kompromisse eingingen, Mainstream und Radio tauglich wurden! Manche Bands lösten sich zum Glück vorher auf
!!! Nur wenige Bands bilden da bis heute (meiner Meinung nach) eine Ausnahme … zu nennen wären da u.a. EA80, DUESENJAEGER, PASCOW, SNFU, SPERMBIRDS, KNOCHENFABRIK, RFTC …
Wenn ich eine bitte hätte: Bleibt nicht auf euren Platten hocken, hört euch neue Bands an, unterstützt Underground und D.I.Y. Shows, geht mehr auf Live-Konzerte … da lässt sich Stimmung am besten einfangen … es gibt so wahnsinnig viele unbekannte gute Bands die ihr noch nicht kennt, die es verdient haben gehört zu werden … Gruß und winken
Vielen Dank an Marcus für dieses wirklich sehr aufschlussreiche Interview und die Beantwortung der Fragen. Wir wünschen Marcus und dem Team weiterhin viel Erfolg bei dem, was sie in Rastatt alles für eine unkommerzielle Kultur tun.
Hier könnt ihr euch über den Verein und die Veranstaltungen schlau machen:
Facebook -> https://www.facebook.com/art.canrobert.de/