Heute möchte ich eine lanjährige Bekannte vorstellen, mit welcher ich zu meiner Booking Agentur Zeit öfters zu tun hatte und nie wirklich aus den Augen verlor.
Marion kommt aus Zweibrücken und veranstaltet wirklich legendäre Wohnzimmer Konzerte bei ihr daheim und war lange Zeit mit, am inzwischen sehr bekannten “Kein Bock auf Nazis” Festival in Kussel, als Veranstalterin aktiv.
Wir haben uns über die Wertigkeit der Musik und den Stand der Frauen im Musikbusiness unterhalten und hier kommt nun das Ergebnis. Viel Spaß beim lesen.
Hallo Marion, wir kennen uns ja schon länger und ich finde deine ganze Motivation und deine Unterstützung der Subkultur in deiner Gegend sehr wichtig und interessant! Sag doch mal, was du so alles machst und was deine Motivation dahinter ist.
Hi Nico, ja, schön, dass wir uns mal wieder unterhalten. Mittlerweile hat sich mein Engagement im musikalischen Bereich ja stark gewandelt. Ursprünglich fing mal alles mit der Idee an, statt eine Geburtstagsfete ein Konzert mit den Bands einiger Freunde und Bekannten auf die Beine zu stellen. Wir waren bei der allerersten Aktion zu viert, die (fast) am selben Tag Geburtstag haben. Damals gab es noch ganz schön viele Bands in der Stadt, die alle unterschiedliche Musik machten und die Bock hatten, zu spielen. Da jeder hier irgendwie jeden kennt, war der Deal schnell ausgehandelt: Wir nehmen keinen Eintritt für das Konzert, da es ja eine Geburtstagsfeier ist, dafür brauchen die Gäste keine Geschenke mitzubringen. Stattdessen würde es am Ende eine Hutsammlung für die Musiker geben. Und das hat hervorragend funktioniert. Und das tut es tatsächlich auch heute noch, denn genau so handhabe ich es heute wieder bei den Wohnzimmer-Shows.
Aus diesem ersten Erfolg entstand dann die Motivation, mit Hilfe solcher punktuellen Veranstaltungen (Wohltätigkeits-) Organisationen wie Viva con Agua oder später auch Kein Bock auf Nazis zu unterstützen und vor allem auf die Problematiken, mit denen diese sich beschäftigen, aufmerksam zu machen. Darin lag für mich damals der eigentliche „Wert“, heute nennt man es Mehrwert, den die Musik dabei hat.
Nicht nur die musikalische Szene hat sich entwickelt und verändert, sondern auch bei den Menschen, mit denen und durch die ich in dem Bereich aktiv sein konnte, gab es in den immerhin nun 10 Jahren auch jede Menge Veränderungen. Umzug, Zuwachs und das allgemeine Älterwerden haben uns nicht verschont. Die Besucherzahlen nahmen bei den letzten Konzerten immer mehr ab und die Nutzungsbedingungen unserer „Stamm“ Locations verschlechterten sich. Andererseits hatte mein Mitstreiter das Glück, dass er im Laufe der Zeit Vater zweier Kinder wurde und sich dadurch aber seine zeitliche Gebundenheit ausgedehnt hat. Ich bin aber total froh, dass er nie ganz aufgehört hat und in seinem Heimatort Kusel dieses Jahr wieder ein Kein Bock auf Nazis-Festival auf die Beine stellt und ich Teil dieser 10-teiligen Erfolgsgeschichte sein konnte.
Da ich aber schließlich auch nicht ganz ohne den positiven Stress und vor allem ohne live Musik sein konnte, hab ich mir die Leute einfach nach Hause bestellt: (*lacht*) Nee; ganz so war es nicht. Nachdem unsere Konzerte nicht mehr so gut besucht waren und wir auch aus privaten Gründen unser Engagement zurückfahren mussten, gab es dennoch weiterhin Anfragen von lieben Menschen, die uns zum Teil schon seit Jahren besuchten und dies auch heut noch tun. Insbesondere Singersongwriter nahmen immer wieder Kontakt mit mir auf und in Ermangelung adäquater Alternativen hab ich schließlich mein Wohnzimmer zur Bühne gemacht.
Wie läuft denn das bei deinen Wohnzimmerkonzerten in der Regel ab? Wie kommst du an die KünstlerInnen und wie bekommst du denn deine Kosten wieder rein? Lohnen sich diese Wohnzimmerkonzerte auch für die KünstlerInnen oder legen diese in der Regel drauf?
Die ersten Künstler in meinem Wohnzimmer kannte ich tatsächlich noch aus der Konzertära, da wir gerade bei den Festivals immer auch Unplugged Acts auf dem Zettel hatten.
Und die fanden die Idee, in einem kleinen Kreis, ohne die laute Hintergrundatmosphäre einer Kneipe, sehr angenehm. Dafür ist die Stimmung natürlich auch etwas gedämpfter. Wobei wir auch schon mal lauthals mitsingen können…
Wie läuft das ab? Ich lade die üblichen Verdächtigen aus meinem Freundeskreis ein, denn mittlerweile hab ich ein richtiges Stammpublikum. Die bringen zum Teil auch noch Bekannte mit, so dass wir oft eine sehr bunt gemischte Gruppe sind die sich nicht zwangsläufig alle kennen. Das macht das Ganze auf einer zweiten Ebene sehr spannend für die Gäste.
Jeder darf gerne etwas zum „Büffett“ beisteuern, aber keiner muss etwas mitbringen. Wir öffnen unsere Türen etwa um halb sieben, halten wie bei den typischen Küchenparties Schwätzchen mit Getränk und Schnittchen und lernen uns erstmal soweit kennen. Die Musiker kriegen da dann schon ein Gefühl für ihr Publikum. Nach der Kennenlernstunde fängt um halb acht der erste Teil der „Show“ an. Gibt es zwei Künstler*innen, beginnt normalerweise eine*r mit seinem Set. Wir haben aber auch schon eine abwechselnde Performance gesehen, bei der auch Duette präsentiert wurden.
Vor dem zweiten Act gibt es eine kurze Pause zum Essen, rauchen, nachschenken und Merch kaufen und gegen halb neun startet die 2. Runde. Damit bleibt hintenraus genug Zeit für eine Zugabe und wir sind immer noch vor 22:00 fertig, so dass die Nachbarschaft (jedenfalls die, die nicht ohnehin dabei sind) ihre verdiente Nachtruhe bekommt.
Am Ende einer jeden Veranstaltung gibt es dann die obligatorische „Ankündigung“: die Bitte um eine Hutspende sowie die nächsten anstehenden Termine. Und da ich coole Gäste habe, die gute Musik zu schätzen wissen, kommt da immer ein nettes Sümmchen zusammen. Mit Sicherheit sprechen wir da nicht über einen dreistelligen Betrag, aber dieser Obulus ist eben nur ein kleiner Teil dessen, was den „Wert“ der Musik, der Show ausmacht. Meistens belege ich die Wochentag-spots, an denen es ziemlich schwer ist, überhaupt eine Auftrittsmöglichkeit zu finden, geschweige denn einen bezahlten Gig. Es entstehen keine Übernachtungskosten und ein Frühstück ist auch noch drin. Und wenn genügend Zeit bleibt, lassen die Leute auch gern mal noch ne Maschine Wäsche laufen, alles inklusive.
Wie ich meine Kosten decke? Welche Kosten? Die paar Cent für ne selbstgekochte Mahlzeit und ne Tour Wäsche sind locker durch die Mitbringsel gedeckt, alles wird eh nicht getrunken oder gegessen.
Es ist also definitiv ne win-win-Situation für alle Beteiligten.
Wenn ich dir die Frage sowohl als Konzertgängerin als auch Veranstalterin stelle, “Was ist Musik noch Wert?”, was sind da aus beiden Sichten deine Einschätzungen und wie würdest du das auch aus Sicht eines Publikums und einer Band sehen?
Das finde ich seeeeeehr schwierig zu beantworten. Wenn ich Wert und Geld (oder Kosten) einschätzen soll, was Musikmachende heute investieren, bin ich leider überfragt. Als Veranstalterin war es mir immer am Wichtigsten, dass die Kapelle auf ihre Kosten kommt (materiell wie auch in Naturalien) und die Gäste auch Spaß haben. Allerdings haben Basti und ich eben auch immer so gut gehaushaltet, dass wir in den ganzen Jahren nie privat drauflegen mussten. Wir haben aber trotzdem vieles aus eigener Tasche zugeschossen, das Catering, selber Eintritt bezahlt, Pennplätze für alle usw.
Ich stelle immer wieder fest, dass viele Menschen ihr Geld für große Konzerte ausgeben und dann gleichzeitig nicht bereit sind, bei kleinen Konzerten etwas in den Hut zu schmeißen oder 5 Euro Eintritt zu zahlen. Oft sind den Leuten dann auch 2-3 Bier mehr wichtiger, als 2-3 Bands an einem Abend 10 Euro Eintritt zu zahlen. Wie ist denn da deine Beobachtung? Wie denkst du, wird sich das alles in Zukunft auswirken?
Diese Beobachtung hatten wir auch gemacht, wobei tatsächlich im Hut oft mehr landet, als in der Eintrittskasse. Ganz gute Erfahrungen machten wir am Ende mit Freiwiligenzuschlag: Wir legten nur einen Minimumeintritt fest und wer wollte, konnte ein oder zwei Euro mehr bezahlen.
Wie es künftig mit der Live-Szene weitergehen könnte, kann ich nur sehr schwer abschätzen. Man hat so das Gefühl, dass die Folgegenerationen den Event-Charakter der großen Festivals mehr schätzen, als die Bands, die da spielen. Alles geht um das Erlebnis selber. Klingt zwar sehr negativ, aber am Ende ist es dann doch die Musik, die so viele Menschen zusammenbringt und tagelang überwiegend friedlich feiern lässt… Das Woodstock-Syndrom wirkt definitiv noch immer 😉
Marion, du bist ja im Musikbereich schon länger aktiv und wie ich schon sehr oft festgestellt habe, ist ja die gesamte Musikbranche sehr Männer dominiert. Vielleicht kannst du mir aus deiner Sicht erzählen, wie der Umgang sowohl vor als auch hinter der Bühne mit Frauen ist und was dir besonders gefällt und was dir eher negativ aufstößt?
Völlig richtig, auch wir hatten in der aktiven Zeit der Konzertveranstaltungen mehr Akteure als Aktricen. Female front voices sind da genau so selten wie bei der Instrumentalbesetzung. Und nur ein einziges Mal trat tatsächlich ne Band auf, die nur weibliche Mitglieder hatte. Und das war ein Duo…
Bei den Akustikveranstaltungen bei mir zu Hause ist die “Quote” leider noch viel geringer.
Ich persönlich habe in der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal erlebt, dass ich als Frau gegenüber meinem Mitstreiter Basti nicht ernstgenommen oder übergangen worden wäre. Ein riesiges Lob an dieser Stelle an alle Menschen die jemals Teil dieser fantastischen Zeit waren. An was das gelegen hat, vermag ich nicht 100 Prozent zu sagen, aber i hc glaube, da passte einfach alles. Basti selber ist ein Mensch, dem es sehr wichtig ist, typische Geschlechterrollen aufzuheben und gleichberechtigt an etwas zu arbeiten. Mit seinen Kontakten kamen dann eben auch entsprechend Bands in unsere “Hallen”, die ähnliche Ansichten vertreten. Auf der anderen Seite brachte ich die lokal bekannten Kombos auf eine Bühne, die ich persönlich schon lange kenne und die mich auch kennen. Da war ein professionelles Zusammenarbeiten gar kein Problem. Nicht zu letzt bin ich aber auch nicht der Typ “weiblicher Mensch”, den man nicht ernst nimmt oder deren Ansagen man leichtfertig abtut. Das liegt aber tatsächlich vielmehr an meiner Art Dinge professionell-organisiert weiterzugeben, als dass ich da zum “Brüllaffen” werden musste.
Hast du Ideen, warum die Musikbranche so durch Männer dominiert ist und was Frauen daran hindert, auch in der Szene aktiv zu werden?
Da ich selber eher hinter der Bühne oder davor als wirklich darauf tätig war und bin, kann ich dir darauf nicht wirklich antworten. Hat es vielleicht mit den unterschiedlich hohen Hemmschwellen zu tun? Haben Frauen eher Angst, sich zu blamieren, etwas falsch zu machen, während Männer getreu dem 80:20 Prinzip denken: “Das meiste hat doch gepasst, die paar Fehler hat ehe keiner gehört!” ?
Tatsächlich kenne ich im Orga-Bereich nämlich durchaus mindestens genau so viele weibliche wie männliche Aktive, da wo ein gewisser Hang zum Perfektionismus halt einen reibungslosen Ablauf ermöglicht und allen einen schönen Abend beschert.
Was möchtest du denn zum Schluss noch unserer Leserschaft mit auf dem Weg geben oder allgemein noch los werden?
Macht Musik, gebt das Geld dafür gerne aus, rechnet nicht aus, ob ihr angemessene Leistung für den Preis bekommt, gebt den Künstlern ein Bier aus und sagt ihnen, wie ihr die Show fandet. Veranstaltet Wohnzimmerkonzerte, ladet zu eurem Geburtstag ne Band ein. Und vor allem „support nicht nur your local scene“, sondern alle live-Veranstaltungen. Auch wenn es mal nicht eure persönliche Lieblingsstilrichtung ist. Wenn niemand da hingeht, wird irgendwann auch niemand mehr was für euren Geschmack in die Stadt bringen.