Und heute aus der unregelmäßigen (vielleicht auch einmaligen) Reihe „Geschichten aus dem Punkrockleben“: „World Gone Mad“ – wie aus Freundschaft eine Split entstand. Ein Punkrockdrama auf zwei Seiten. Dank den kurzweiligen Linernotes von Stefan von The Swipes ist diese Story auch recht schnell erzählt. Demnach muss es sich wohl anno domini 2019 so zugetragen haben, dass die Moving Targets und The Swipes zusammen spielten. Vermutlich müde von einer harten Nacht wollte Stefan sich erstmal erholen, sprich: in Urlaub fahren. So weit, so gut. Dummerweise ging die Airline hopps, doch unser Held machte aus der Not eine Tugend und jointe stattdessen die Moving Targets auf ihrer Tour. War vermutlich nicht ganz so erholsam wie das Rumflätzen unter Palmen, dafür aber umso produktiver. Denn während dieser Tage entstand die Idee einer Split – 7″, aus welcher letztlich aber dank des Zusammentragens von jeweils vier Songs pro Band gar eine 10″ wurde. Des Riedingers Freud, der Airline Leid habe ich diese nun hier vorliegen und aufliegen. Und das ist gut so. Schließlich kann ich mich neben den mir bereits bekannten Moving Targets auch durchaus mit den bisher nicht gekannten The Swipes anfreunden.
Spitze finde ich an „World Gone Mad“, um dessen Erscheinen sich übrigens Mad Butcher Records gekümmert hat, dass sich hier zwei Bands gefunden haben, die stilistisch auch zueinander passen. Diese Topf und Deckel – Metapher ist hier wohl die richtige, was das Ganze zu einer einheitlichen Sache macht. Find ich immer gut bei ’ner Split, ist aber Geschmackssache. Diejenigen unter euch, die bei Splitgeschichten allerdings die Strategie verfolgen, „ich kenn‘ die eine Band, die sind voll geil! Hoffentlich kann ich noch was total Neues entdecken (und dabei sparen)?!“ werden eher enttäuscht sein. Vielmehr sind die 2007 gegründeten The Swipes die logische Fortsetzung der schon etwas länger existierenden Moving Targets. Grundsätzlich etwas rockiger und direkter, dafür etwas weniger melancholisch und in Moll gehalten, aber eben doch schon sehr nah beisammen. Macht auch Sinn, denn Stefan gibt zusätzlich zu Protokoll, dass die Moving Targets – und speziell ihr Album „Burning In Water“ – eine äußerst gewichtige Rolle in seinem Leben spielen. Passt also!
Um nun denjenigen, die mit beiden Bands noch gar nichts anfangen können und auch aus meinem bis hierher geschriebenen Geschwafel nicht schlauer geworden sind etwas aus der Patsche zu helfen, gibt’s im folgenden zwei links zur schnellen audiovisuellen Bekanntmachung.
Für alle die nun noch mehr – speziell auch zum aktuellen Split – Release „World Gone Mad“ – wissen wollen: bitte weiterschmökern.
Musikalische Referenzen sind doch immer ganz hilfreich, um sich eine, nein zwei Bands besser vorstellen zu können. Gut. Let’s go! Den omnipräsenten Vergleich mit den übermächtigen Hüsker Dü kriegen die Moving Targets wohl nicht mehr los. Ist aber auch ok so! Und für viele Neulinge wahrscheinlich schon mal sehr hilfreich. Ferner hatte Mastermind Kenny Chambers in der Vergangenheit auch schon die ein oder andere Kooperation mit den Lemonheads am laufen. Auch das ist ok und bietet einen weiteren passenden Zugang. Noch einer gefällig? Ok. Berücksichtigt man den Umstand, dass die Moving Targets nach einem satten Vierteljahrhundert wiederauferstanden sind, so sollte ein Vergleich zu einer aktuellen Band doch durchaus gestattet sein. Ich denke da spontan an die famosen Auxes, zumindest an deren ruhigere, nicht ganz so überdrehte Momente.
The Swipes wiederum hatten wir ja schon zu den musikalischen Erben der Moving Targets ernannt. Sollten sie allerdings zufällig mal mit Social Distortion (in ihrer 80er – Phase) oder auch mit den Finnen Wasted abhängen und sollten sie dann auch mit diesen zusammen an eine Split denken, so könnten dabei wahrscheinlich ähnlich stimmige Releases bei rauskommen.
Textlich verfolgen die zwei Bands auf „World Gone Mad“ unterschiedliche Ansätze. Während Moving Targets sich überbegrifflich mehr mit Zwischenmenschlichkeiten auseinandersetzen, beziehen The Swipes eher zu aktuellen politischen Themen Stellung. Und ein Appell an die Vernunft der Menschheit in Coronazeiten, in denen sich mittlerweile ein völlig unberechtigtes Gefühl der Sicherheit breit macht, weshalb so mancher Spacken frei nach dem Motto „Malle is nur einmal im Jaaahr!“ auch gegen jedes rationale Denken zum Beispiel nach dort fliegt, scheint wichtiger denn je zu sein. A propos Vernunft, mit dieser scheint es ja beim amtierenden US – Präsidenten nicht allzu weit her zu sein. Gelinde gesagt. Deshalb kann ich mich auch der Message des zweiten The Swipes – Songs auf der Split – „Gemicide Suicide“ – nur allzu gerne anschließen. In ihrer Melancholie, ihrer Wut und ihrer deprimierenden Ungewissheit, in der sie einen zurücklassen, ergeben die Texte letztlich ebenso wie die Musik ein stimmiges Gesamtkonzept.
Auch wenn der Inhalt mich musikalisch und textlich doch schon sehr anspricht, muss ich leider einen Abzug in der Graphiknote geben. Cover, Rückseite und Beiblatt wirken auf mich doch etwas zu einfach gestrickt. Abartigkeiten der Menschheit in einer „World Gone Mad“ – Photocollage dargestellt ist weder sonderlich innovativ, noch gut gemacht. Nimmt man jedoch die Coverartworks gar sämtlicher Moving Targets – Platten als Grundlage, so kann man das hier zumindest nachvollziehen. Die haben mich nämlich auch noch nie vom Hocker gerissen.
Ansonsten kommt die 10″ in schickem weiß um’s Eck, was optisch zumindest ein bisschen entschädigt. Außerdem liegt die Platte auch als CD bei. Für unterwegs. Ihr habt doch hoffentlich noch euren Discman, oder?! Mein Exemplar kommt jedenfalls in die Karre. Jawohl, da gibt’s noch nen CD – Player. Und in der Regel kann ich während des Fahrens Musik nur hören, aber nicht seh’n. Passt also!
Der Riedinger
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„World Gone Mad“ ist u.a. hier zu erwerben: