Wie jeden Dienstag stellen wir euch bei “Frauen im Musikbusiness” eine Frau vor, die in irgendeiner Art und Weise in der (Sub)Kultur aktiv ist. Heute habe ich für euch Ute Wieners im Gepäck, die vor allem in Hannover angesiedelt ist und zwei Bücher geschrieben hat, die sich definitiv im Punk verorten lassen. Was es darüber hinaus noch zu sagen gibt, hat uns Ute im Interview serviert. Viel Spaß beim Lesen und werft auch noch einmal einen Blick auf unser Interview der letzten Woche mit Rapperin Lena Stoehrfaktor aus Berlin!
Liebe Ute, ich freue mich sehr, dass ich dir in unserer Interview-Reihe ein paar Fragen stellen darf! Zwar bist du nicht direkt im Musikbusiness tätig, aber als Autorin der Bücher “Zum Glück gab es Punk” und “Sprengel für alle” sehr mit der Punkszene in Hannover verbandelt – dazu meine erste Frage: Wie bist du auf den Punk gekommen?
Ich bin zusammen mit einem Freund auf ein Punkkonzert gegangen. Als Misfit habe ich mich dort gleich wie zu Hause gefühlt.
Zu Frauen in der Punkszene könntest du sicher ein eigenes Buch schreiben. Du selbst hast ja einen für Frauen “eher untypischen” Beruf erlernt und bist Tischlerin, hast später als Hausmeisterin gearbeitet – war dir bei diesen Entscheidungen von Anfang an wichtig als Frau sich einen Raum zu nehmen, der in der gesellschaftlichen Wahrnehmung eher Männern zugeordnet wird? Was hast du für Erfahrungen gemacht?
Ich möchte kein eigenes Buch über Frauen in der Punkszene schreiben. In dem Buch, das ich geschrieben habe, habe ich dem Thema viel Platz eingeräumt. Das hat dazu geführt, dass auch Leser_innen sich damit beschäftigt haben, die das sonst nicht tun würden.
Meine Berufswahl hatte damit zu tun, dass ich gerne handwerke und nicht damit, dass ich unbedingt feministisch sein will. Ich kann auch Stricken und Häkeln. Man trifft bei der Arbeitsteilung allerdings unweigerlich auf die sexistische Zugschreibungen von Fähigkeiten und somit auf Grenzen. Du hast halt das Gefühl, du musst dich rechtfertigen und beweisen.
In deinen Büchern schreibst du auch immer wieder über Machtkämpfe, Ausgrenzung, Sexismus und Frauengruppen innerhalb der Szene. Männerdominierte Strukturen, die nicht immer das gleichberechtigte Bild hergeben, das sich viele in der Szene wünschen. Was denkst du hat sich heute im Vergleich zu damals verändert?
Ich bin nicht mehr so richtig Teil der „Szene“, keine Ahnung, wer damit jetzt gemeint ist, Punkszene (welche?) Queerszene, Autonome Szene…? Ich habe genug von der Käseglocke. Mein Eindruck ist, dass die Queerszene vielerorts an Oberwasser gewinnt. Gleichzeitig existiert aber noch mehr oder weniger offensichtlich, das sexistisch ansozialisierte Rollenverhalten weiter fort. In der Musik sehe ich noch immer sehr viel mehr Männer auf der Bühne.
Was Machtkämpfe angeht, so halte ich es für eine Illusion zu glauben, damit wäre es vorbei, wenn Frauen das Sagen haben. Dieser Positiv-Sexismus ist in jeder Hinsicht eine Zumutung. Es wird davon ausgegangen, dass Frauen die besseren Menschen sind und wehe nicht.
Was mich sehr freut ist zu sehen, wie sich zum Beispiel Fridays for Future und Ende im Gelände in der Öffentlichkeit präsentieren. In einer Sendung haben Ende im Gelände von ihrer Anfangszeit erzählt. Da nämlich haben sowohl Männer als auch Frauen Interviews gegeben. Zitiert wurden aber vor allem Männer. Also haben sie fast nur noch Frauen für sich sprechen lassen, um dem vorzubeugen. Um die Verhältnisse zu ändern und neue Bilder zu erzeugen, müssen Frauen manchmal bevorzugt werden, muss ja nicht für immer sein.
Du selbst hast nie in einer Band gespielt, aber viele begleitet und bei Konzerten und mit Fanzines und Aktionen unterstützt. Was denkst du sind die Gründe, dass auch heute noch immer mehr Männer als Frauen auf den Bühnen stehen? Spielte das eine Rolle für dich selbst nie in einer Band zu spielen?
Das ist eine gute Frage. Was mich persönlich angeht, ich habe einfach kein musikalisches Talent und deswegen nie in einer Band gespielt. Wäre ich mit XY geboren (sehr hypothetisch!) hätte ich sicher großen Wert darauf gelegt, in aller Öffentlichkeit ein Instrument zu misshandeln, so wie es meine männlichen Freunde auch ohne jedes Schamgefühl getan haben. Heute ist viel von Shitstorm im Netz die Rede, der Frauen besonders trifft, in Form von besonders widerlichen sexistischem Hass. Ähnlich war es früher auch schon, nur ohne Netz. Es kostet schon viel Überwindung sich dem auszusetzen.
Du hast viel an Fanzines gebastelt und schon immer geschrieben. Ist auch das ein Bereich, in dem du dich als Frau erst durchsetzen musstest? Wie empfindest du die Gleichberechtigung als Autorin? Triffst du hier auf die selben Strukturen wie aus dem Musikbusiness bekannt?
Ich musste mich mit den Fanzines nicht durchsetzen. Ich habe dafür nur positives Echo bekommen.
Beim Schreiben der Bücher wurde ich von sehr vielen Leuten unterstützt und ganz unabhängig von deren Geschlecht. Nachdem das erste Buch erschienen ist haben mir sogar Männer aus der Punkszene der 80er Jahre geschrieben, „das mit dem Sexismus“ hätte ihnen beim Lesen meines Buches zum ersten Mal eingeleuchtet.
Es hat aber auch Männer gegeben (Autonome), die mir vorgeworfen haben, ich könnte gar nicht schreiben und wollte mich nur profilieren. Was ich schreibe, hätte auf gar keinen Fall irgendeine politische oder gesellschaftliche Relevanz und sei nicht ernst zu nehmen. Das waren allerdings nur Ausnahmen.
Ich schreibe nur für den Nischenbereich und bin jenseits davon einen renommierten Verlag zu finden. Es ist so gut wie unmöglich da reinzukommen. Es gibt aber Untersuchungen, die belegen, dass Frauen da arg benachteiligt werden.
Nochmal zurück zur Musik: Was denkst du über Projekte (zum Beispiel Jam-Sessions), die sich ausschließlich an Frauen* richten? ist die “Ausgrenzung von Männern*” hier ein Schritt in die falsche Richtung oder sollte es mehr “Safe Spaces” für Frauen* geben, um deren Selbstbewusstsein zu stärken?
„Ausgrenzung von Männern“? – unerträgliches Rumgeheule! Den Begriff „Safe Spaces“ benutze ich nicht. Nur unter Frauen zu sein ist keine Garantie dafür, vor Diskriminierung sicher zu sein. Ich bin aber unbedingt dafür, dass Frauen sich Räume erschließen, diese füllen und sich darin entwickeln. Wenn es dafür nützlich ist, sich vorübergehend oder für immer nur mit Frauen zu organisieren, dann halte ich das für gut und richtig. Es gibt viele Bereiche, sei es Musik, Naturwissenschaften, Sport, in denen Frauen mit gutem Beispiel vorangehen und dann andere Frauen folgen.
Bezeichnest du dich als Feministin und wenn ja, was bedeutet das für dich?
Ich bezeichne mich als Feministin. Das bedeutet für mich vor allem, Frauen zu sehen und sichtbar zu machen. Ich habe in einer Sendung gesehen, dass Meinungen und Urteilen von Männern mehr Relevanz beigemessen wird, als denen von Frauen und zwar von Männern UND Frauen gleichermaßen. Das muss aufhören. Wir sollten uns selbst darin trainieren auf Frauen zu schauen und sie ernst zu nehmen.
Wir sollten uns nicht damit aufhalten uns an Männern abzuarbeiten. Die toxische Männlichkeit macht die Welt zu einem gefährlichem Ort. Mit diesem Problem können sich Männer endlich mal selber auseinandersetzen, schließlich gehen sie selber daran kaputt.
Kommen wir schon zur letzten Frage: Hast du für die Leser*innen noch eine Botschaft, die du hier gern mit auf den Weg geben möchtest oder etwas, was du sonst noch gern beantwortet hättest? Gern kannst du an dieser Stelle auch weitere Projekte für Frauen im Musikbusiness empfehlen.
Botschaft? Mehr Spaß und Humor!
Danke für das aufschlussreiche Interview, liebe Ute!