Eine Momentaufnahme …
Eine halbe Stunde hab´ ich vor der Postfiliale gewartet. Nur zwei Personen gleichzeitig. Ich wusste nicht, was es werden würde, Bananen oder die Druckerpatronen, doch dann war es das neue Album von AnnenMayKantereit: 16 Titel…
Uff! Ich denke, das „Intro“ werde ich wohl überspringen müssen.
Es kommt einem vor, als würde ein schwarz-weiß Film vorüber ziehen, mit den freudigen Gesichtern, von damals. Und dann ist sie da, die Realität der Gegenwart – „So, wie´s war, so wird es nie wieder sein!“. Ich frage mich nur, was und ja, wahrscheinlich hat er recht !? Keine Minute vergeht und es ist glasklar, dass es sich hier um ein Corona-Album handelt. Die Texte sind aktuell, die Stimmung melancholisch, die Zuversicht in der Vergangenheit gelassen. Ein Soundtrack der Zeit, passend zu leeren Theatern, Konzertsälen und Festivalwiesen – in schwarz-weiß. Ich stelle ihn mir auf der Bühne vor, abseits der Mitte, in schummrigem Licht.
Doch mit „Spätsommerregen“ klart der Himmel etwas auf. „Es ist okay!“, singt er. Ich atme auf! … und freue mich, dass die Bitterkeit doch nicht ganz so tief zu sitzen scheint. Mensch bekommt Lust zu tanzen, rauszugehen, Leute zu treffen und ausgelassen in den Abend zu starten. Doch es ist Corona. Wenigstens ist das Bier trinken nicht verboten. Ich drehe die Platte um und lass die Korken knallen zu „Paloma“. Bitte alle einsteigen, wir legen ab. Prost! Mit sanftem Groove schipper ich gen Sandstrand, den Schirmchencocktail schon ganz klar vor Augen.
Doch das Boot will dort nicht anlegen, wir fahren weiter. Raus auf See. Der Himmel zieht sich wieder zu. Der Chor summt im Hintergrund, ich schnipse im Takt. Die Reise ist noch nicht vorbei. „Ich will Meer (mehr)!“ – So laut, so leer.
Musikalisch und inhaltlich kehren wir zum Anfang zurück. Ein trauriges Klavier sehnt sich nach den alten Zeiten und prophezeit gar eine ganz schwarze Zukunft. Von Bücherbränden ist die Rede und dem Vergessen. Soweit wird es nicht kommen, das kann ich euch versprechen!
Ich überspringe das Outro.
Es ist ein trauriges und düsteres Album, was hier in den letzten, harten Monaten entstanden ist, mit hübschen Melodien und klagenden Texten, die zum Nachdenken anregen. Aber leider wenig Hoffnung verspricht. Mir drängt sich der Vergleich mit Joint Venture auf – nur um einiges depressiver. Doch es passt in die Zeit und sicher fühlen sich nicht nur AnnenMayKantereit hilflos, sondern auch viele ihrer Hörer. Zum Aufgeben jedoch, ist es noch zu früh! Also werden wir durchhalten!
Rein das musikalische Werk betrachtet, bleibt die Frage offen, ob hier die Zeit nicht auch seine Spuren hinterlassen hat… Es dominiert stets das Klavier und der Gesang, die Band bleibt oft verhalten im Hintergrund, manchmal fast aufs Nötigste reduziert. Nur im Mittelteil fährt sie ein wenig hoch und überrascht mit seichten, groovigen Episoden, die zum Mitmachen animieren könnten. Nicht unerwähnt soll allerdings der gut eingesetzte Chor sein. Für mich persönlich ein sehr wertvolles Stilelement der neuen Platte von AnnenMayKantereit.
Erschienen am 17.11.2020 bei Irrsinn Tonträger, im klimaneutralen Cover auf recyceltem, bunten Vinyl.
Interpret | Keine Daten vorhanden |
Titel | Keine Daten vorhanden |
Veröffentlichung | Keine Daten vorhanden |
Label: | Keine Daten vorhanden |
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