Corecass ist das Soloprojekt der Hamburger Musikerin Elinor Lüdde – ein faszinierender Soundkosmos, der irgendwo zwischen Neoklassik, Electro und Ambient seine Heimat findet. Lüdde, eine wahre Multi-Instrumentalistin, beherrscht E-Gitarre, Harfe, Orgel, Schlagzeug und vor allem das Klavier. Dieses Instrument spielt die Hauptrolle auf ihrem Album und verleiht den Kompositionen einen unverkennbar cineastischen Klang.
Das Werk beginnt mit „Ovar“, einem Stück, das förmlich in ein geheimnisvolles Dickicht eintaucht: Schwere Moll-Akkorde hallen durch den Raum, kontrastiert von filigranen, fast spielerischen Variationen. Doch plötzlich bahnt sich eine klare Melodie ihren Weg durch die Düsternis. Und dann – wie ein Sturm, der aus dem Nichts losbricht – setzen scheppernde Drums ein, die dem Stück eine explosive, post-rockige Energie verleihen. Dieser intensive Auftakt, in dem Aufbau und Abbau meisterhaft in nur drei Minuten stattfinden, fungiert wie das Tor zu einer vielschichtigen Klangwelt, die in „Tar“ ihren Höhepunkt findet.
„Tar“, der Titeltrack, ist das erste Stück, in dem Elinor Lüddes Stimme zu hören ist – und wie! Mit zarter Lautmalerei beginnt sie, bevor ihre Stimme, begleitet von einfühlsamem Klavierspiel und einer schwelgerischen Trompetenmelodie, den Hörer in einen träumerischen Sog zieht. Das Kopfkino, das sie hier erschafft, ist prachtvoll und emotional tief berührend. Doch die Stimmung kippt nach dem kurzen, verbindenden Stück „Dol“: Mit „Disrupt“ kommt eine völlig unerwartete Wendung.
Hier tritt Ercümet Kasalar auf den Plan – und was als sanfte Kombination aus Klavier und Gesang beginnt, wandelt sich in etwas Dunkleres und Kraftvolleres. Kasalars tief grollende Growls brechen durch die Oberfläche und verleihen dem Stück eine unerwartete Schwere, die an Lüddes Arbeit als Schlagzeugerin bei ihrer Band Moor erinnert. Diese unerwarteten Härten unterstreichen die Vielseitigkeit des Albums und machen deutlich: Hier gibt es keine Genregrenzen.
Ein weiterer Höhepunkt folgt mit „Sørunej“, einem beinahe leichtfüßigen, balladesken Stück, in dem Lüddes Schwester Barbara Lüdde ihren Gastauftritt hat. Die Wärme dieses Tracks leitet sanft über zu „Glijd mee“, wo Colin H. van Eeckhout zunächst mit einem flämischen Text eine fast mystische Stimmung erzeugt. Doch wie ein Vulkan, der erst leise grollt und dann ausbricht, steigert sich auch dieser Song, bis Eeckhouts rohe, kehlige Growls das Stück dramatisch ausklingen lassen.
Nach diesem Ausbruch kehrt die Ruhe zurück. Es dauert bis „Albedo“, bis Lüdde erneut singt. Hier liegt der Fokus fast ausschließlich auf dem Klavier, dessen sanfte, aber kraftvolle Töne die Hörer*innen in ihren Bann ziehen. Mit dem kurzen Outro „Fin“ schließt sich der Vorhang und lässt einen beeindruckenden, emotional aufgeladenen Soundtrack zurück, der voller überraschender Wendungen steckt.
Dieses Album ist ein Erlebnis: ein Wechselbad der Gefühle, das ohne Doom, Sludge oder Post-Hardcore auskommt, aber dennoch die gleiche Intensität vermittelt. Ein Werk, das tief geht und lange nachhallt.
Erwerben könnt ihr das Album direkt bei Moment Of Collapse Records, aber auch bei unserem Partner JPC. Wenn ihr uns und unsere Arbeit unterstützen möchtet, könnt ihr gerne eure Bestellung des Albums über folgenden Link abwickeln:
CORECASS – TAR
Viel Spaß beim Hören und Entdecken!