Merken: 5/ 20/ 55! Das sind die Zahlen des feinen Albums „5 EPs“ von Dirty Projectors. 5 EPs mit 20 Tracks und 55 Minuten Spiellänge. Bereits am 20. November 2020 auf dem feinen Independent Label Domino in herrlichen Gatefold und wunderschönen Bilder zum Anschauen veröffentlicht. Dabei gibt es hier die EPs direkt schon zusammen verteilt auf zwei Scheiben schwarzen Vinyls.
Dave Longstreth begann Anfang der 2000er eigene Songs aufzunehmen. 2002 erschien sein erstes Album unter eigenem Namen, danach veröffentlichte er mit Adam Forkner erstmals unter dem Namen Dirty Projectors das Album „The Glad Fact“. In den folgenden Jahren brachte er in kurzer Folge weitere Alben in Zusammenarbeit mit anderen Musikern heraus, aus denen sich dann die Band formte. Der Durchbruch kam 2009 mit dem Album „Bitte Orca“, das es bis in die Top 100 der US Albumcharts schaffte. Im Mai 2020 kündigte die Band dann an, fünf EPs zu veröffentlichen, bei dem jedes Bandmitglied auf einer EP den Parts des Gesangs übernehmen sollte.
Obwohl seine Musik oft lieblich und harmonisch ist, können Dave Longstreths Kompositionen mamchmal ein wenig kompliziert wirken. Dazu kommt, das Dirty Projectors kein geradliniges Line Up hatten und auch sonst was den Stil angeht, ein sehr amorphes Konstrukt waren. Mit den Wechseln der Bandmitglieder, wechselten die Stile wie Barock-Pop, brasilianischer Folk, Alt-R%B und klassische Kompositionen und ließen die Band glatt wirken, ohne Ecken und Kanten, ohne eigenen Stil. Nun sind die Dirty Projectors eine Band, wobei die fünf einzelnen EPs jeweils ein anderes Mitglied präsentieren und die fünfte EP „Ring Road“, sie als neu formierten Act zusammenbringt. Nach einer einjährigen Vorbereitungszeit werden sie nun als Anthologie veröffentlicht. Einen ersten Vorgeschmack bekommt ihr im nachfolgenden Video.
„Search For Life“ startet mal gleich mit glühenden Chorharmonien, wie eine alte Peggy Lee 7″, und endet mit einem Schwung flirrender Violine und Cello. Bei so vielen dieser Songs wird in weniger als drei Minuten sehr viel vermittelt, so das diese Ansammlung von Kleinoden größer erscheint. Es gibt viele schöne Dinge zu hören wie die satte Nylongitarre bis hin zu diesen Harmonien, die typisch für Longstreth sind. Quasi sein Erkennungsmerkmal über all die Jahre.
Zwischen diesen vertrackten Kompositionen, findet man dichte Popsongs wie kleine Goldnuggets im Flußbett. Die meisten finden sich mit den vier Stücken der von Felicia Douglass geleiteten „Flight Tower“ EP. Dieses Quartett von vier Stücken, setzen Longstreth’s Spielerei mit R&B fort und haben mehr mit Kelela als mit Animal Collective gemeinsam. „Lose Your Love“ ist ein Popsongs des Jahres, mit Douglass‚ Stimme, die immer höher gepitcht wird, bis sie nur noch ein Quietschen ist. Das Abgedrehte mit dem Anngesagten zu mischen, ist eine Marotte von Longstreth und ist hier reichlich vorhanden, von den abgehackten und verschraubten Vocals von „Self Design“ bis zu den schrägen Texten.
Auf der „Super João“ EP steht Longstreth selbst mit vier Songs im Mittelpunkt, die das Ethos der im letzten Jahr verstorbenen brasilianischen Bossa-Nova-Ikone João Gilberto kanalisieren. Es sind keine vier Bossa Nova-Tracks, sondern sie fangen die Lockerheit und Süße von Gilbertos Spiel ein. „Holy Mackarel“ ist ein weiterer Ohrwurm, der auf bizarre Weise in Bildern von Fischen und Werwölfen schwelgt, während „You Create Yourself“ und „I Get Carried Away“ süße Andachtslieder sind, die die Themen der Neuerfindung und des Engagements, die sich wie ein roter Faden durch alle fünf Veröffentlichungen ziehen, in einer Vignette einfangen. Für mich sind das die schönsten Momente des Albums.
Am Ende muss ich konstatieren, dass ich anfangs dieser Idee des wechselnden Gesangs sehr skeptisch gegenüber gestanden habe. Nun stelle ich resümierend fest, dass die Songs Spaß machen zu hören und das Album sehr kurzweilig geworden ist. Es lebt von dieser unterschiedlichen Stimmung der EPs und ist hier erhältlich. Wer mal etwas anderes hören mag, kann hier eine Vielfalt entdecken, die aber trotzdem kohärent ist, weil sehr agil und fröhlich in der Umsetzung. Trotz der teilweisen komplizierten Komposition, wirkt alles sehr dicht.