Ein neues Lebenszeichen von Marten und Thomas, eine neue Platte von NinaMarie, wie schön. Ursprünglich für Juni angekündigt, hatte auch Rookie Records mit den momentanen Verspätungen bei den Presswerken zu kämpfen und die Platte erscheint deswegen paar Monate später. Na und, ist doch egal. Hauptsache die beiden Herren finden neben ihren Hauptbands und Projekten immer wieder auch mal zusammen, um Lieder aufzunehmen und auf Schallplatte zu veröffentlichen.
Es waren schon in der Vergangenheit selten die ganz großen Hits, die die beiden aufnahmen, aber jeder Song hatte seinen eigenen Charme, kleine Perlen zwischen Pop, Indie-Rock und Punk. Und so sind auch diesmal wieder die sechs feinen Songs stilistisch einzuordnen, die gepresst auf einer 12inch Schallplatte mit 45 Umdrehungen abgespielt werden wollen und dann erstmal wirken müssen.
Beim ersten Hören vielleicht recht unspektakulär, minimalistische Songstrukturen, nichts Neues. Beim zweiten Hören plötzlich fragile Momente, die Texte, schon immer auch das Besondere bei NinaMarie, wirken und das Rattern im Kopf setzt ein: Wie ist das gemeint, hab ich das verstanden, das hab ich gecheckt, das sehe ich anders, da hab ich mir noch nie Gedanken zu gemacht, ist das privat, ist das politisch, wer ist gemeint…?
Die EP startet mit zwei schönen Indie-Rock-Nummern, die auch in den 1990ern geschrieben hätten werden können, Emo-Rock à la Jimmy Eat World oder auch The Get Up Kids, die Gesangslinien vom zweitem Song “Kalenderspruch” erinnern an Boxhamsters.
Mit dem dritten Song “Käsejunge” begeben sich die zwei Musiker noch ein bisschen weiter zurück in der Musikgeschichte und liefern einen astreinen 80ies Synthie-Power-Indie-Song, der tatsächlich auf die Tanzfläche lockt und thematisch schon als aktueller Anti-Kriegs-Song verstanden werden kann.
Beim nächsten Song “Die Geister” verbleiben Thomas und Marten musikalisch in den 8oer Jahren und zwitschern uns eine Gitarren-Perle in die Gehörgänge, die irgendwo zwischen dem Düsteren von The Cure und der Hymnenhaftigkeit der Housemartins einzuordnen ist.
Auch die anderen beiden Songs auf der Platte gehen direkt ins Ohr und bleiben auch dort; beim dritten Hören singe ich schon bei jedem Lied mit. Vielleicht doch eine Platte nur mit Hits?
Auffällig ist auch das sehr gelungene Artwork, diese Schwarz/Weiß Fotografien sind in meinen Augen eine Hommage an die großen und kleinen Pop-Künstler*innen des 1980er Jahrzehnt, die ihr Antlitz damals gerne auf dem Cover zeigten, random fallen mir Pet Shop Boys, Elton John, Kate Bush u.a. ein.
Die Close-Up Fotografien der Berliner Fotografin Birte Filmer zeigen Thomas als empfindsamen Menschen, der die Nähe bei Marten sucht, an seine Schulter gelehnt, schutzsuchend an ihn gekuschelt, stets die Augen verschlossen haltend, den Kopf gesenkt, aber trotzdem in sich ruhend, nicht verängstigt, durchaus zufrieden. Marten dagegen wird eingefangen als der Mensch der Thomas diese Nähe geben kann, die er braucht, aber ist kein großer Zampano, kein Macho oder Prahlhans. Marten guckt in die Kamera, klarer, kluger Blick, in den Augen spiegelt sich die Vielfalt der Welt, die sich auch in seinen Texten immer wieder finden lässt, schmallippig, ernst, Ruhe ausstrahlend. Mensch entdeckt viel in diesen Bildern, ich bin sehr begeistert.
“Was für Land, welch ein Männer” heißt dieses runde Kleinod und ist damit ein weiterer Fingerzeig auf die 80er Jahre, denn natürlich kommt Extrabreits geniales zweites Album in den Sinn, welches wiederum Ina Deter zu ihrem Lied “Neue Männer braucht das Land” inspirierte. Gleichzeitig ist dieser Titel ein tolles Beispiel für den Umgang der beiden mit Sprache, die Fähigkeit durch Umstellen, Weglassen oder Ergänzen einem Satz eine neue Bedeutung geben zu können. Ich liebe sowas! Die Interpretation obliegt dem Lesenden. Einfach, aber genial.
Wer die Platte noch nicht hat sollte sie natürlich kaufen, denn sie ist sehr gut. Bisschen kurz, aber sehr gut.
Und wer sie wieder erwarten nicht gut findet, der kann sich die Platte an die Wand hängen. Ist besser als Ikea Einheitsstuff.