Das Kulturcafé Klabautermann ist Dreh- und Angelpunkt in Dirk Karls neuen Roman “Klabauternächte” und es ist weniger ein Café als vielmehr eine ganz klassische Kneipe. Eine Kneipe, die mitten im Kiez liegt, eine Lieblingskneipe, dort wo die gute Musik läuft, wo die Leute vorm Tresen genauso bekloppt sind wie die Leute hinterm Tresen. Eine Kneipe, die nicht am Reißbrett geplant wurde, wo kein durchdachtes Konzept eines hippen Spackos hinter steckt, ein Businessplan wurde im Vorfeld bestimmt nicht erstellt. Hier regiert das Herzblut und Blut ist ja bekanntlich dicker als Wasser. Eine Kneipe und sein menschliches Inventar kann Familie sein.
So ergeht es auch der Hauptfigur Nico, der -zunächst nur als Gast und später auch als Mitarbeiter- im Klabautermann ein zweites Zuhause findet. Nico ist in die fremde große Stadt geflüchtet, weg von den Eltern, weg vor allem vom Vater, der an Nico immer herummeckert und kritisiert. Der nervt echt.
Dies ist der Ausgangspunkt des Romans, der beinahe als waschechter Weihnachtsroman daherkommt, denn das Setting wurde vom Autor in die winterliche Vorweihnachtszeit gelegt. Und wie es sich für einen Weihnachtsroman gehört, geht es natürlich auch um Liebe, um Freundschaft, ums Besinnen aufs Wesentliche, um das Hinterfragen des eigenen Lebensstils. Scrooge lässt grüßen…
Und ein Christkind kommt irgendwie auch drin vor, aber etwas anders als man jetzt denkt. Denn wie wir alle wissen, ist am 24.12. nicht nur Jesus aus dem jungfräulichem Ei geschlüpft, nein auch Lemmy Kilmister bahnte sich an diesem Tag seinen Weg durch den Geburtskanal of Rock ‘n’ Roll. Und Lemmy taucht im Buch auf und er kommt nicht alleine, er hat Kurt Cobain, Amy Winehouse, Dee Dee Ramone und Bon Scott mit im Schlepptau.
“Hä, was ist denn jetzt kaputt, was machen die denn jetzt hier, die sind doch schon alle tot”, mag der oder die eine jetzt denken und hat natürlich damit Recht. Protagonist Nico denkt ähnlich als ihm diese Legenden immer wieder plötzlich über den Weg laufen. Und weil er zeitgleich merkwürdige Briefe zugestellt bekommt, die ihn auffordern sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzten, kriegt er es sehr schnell mit der Angst zu tun und stellt sein ganzes Leben auf den Kopf. Und nicht nur seins…
Dirk Karl hat in seinem neuen Roman wieder einen Haufen liebenswürdiger Menschen erschaffen, die stark an die Figuren aus seinen beiden ersten Romanen erinnern, da sie sowohl von der Sprache als auch vom Konsum alkoholischer und bewusstseinserweiternder Substanzen sich doch sehr ähneln. Auch der Ideenreichtum des Autors beim Finden von Synonymen für diesen Konsum ist ungebrochen und das Amüsement meinerseits dementsprechend hoch.
Trotzdem ist “Klabauternächte” von der Grundstimmung etwas ernster als “Black Mustang Squad” und “White Shark Squad” und auch weniger musiklastig. Letzteres finde ich schade, da Dirk einen ausgesprochen guten Musikgeschmack hat und seine “Anspieltipps” in den anderen Romanen mich besser mit den Figuren mitfühlen ließen. Dies gelingt mir diesmal nicht so gut. Was auch daran liegen mag, dass Dirk die ernsten Themen, die Sachen mit denen sich Nico im Laufe des Romans auseinandersetzen muss, viel zu schnell abhandelt. Ich vermisse eine gewisse Tiefe, gerade da es auch um ernste Themen wie Mobbing, psychische Gesundheit und Einsamkeit geht. Natürlich ist es in erster Linie ein Roman, der Spaß machen soll, aber wenn man als Autor diese Themen anspricht, dürfen diese meiner Meinung auch gerne mehr als nur gestreift werden. Die Hintergrundgeschichte mit seinen Eltern z.B. finde ich nicht auserzählt, da frage ich mich am Ende des Buches, welchen Mehrwert dieser Erzählstrang hat.
Aber ich will nicht zu kritisch sein, dafür macht der Roman einfach doch zu viel Spaß und die Protagonist*innen sind zu sympathisch, um Ihnen jetzt eine literaturkritische Therapie aufzuzwängen. Die Sprache ist recht einfach und macht eine Lektüre an zwei Nachmittagen möglich.
Ich würde mich freuen, wenn Mensch auch bei Literatur häufiger mal zu den unbekannteren Autor*innen greifen würde, denn die haben es auch drauf. Da hören die Leute den abstrusesten Emo-Jazz-Black-Metal-Funk und lesen tun ‘se dann doch wieder nur den neuen Fitzek.
Warum nicht einfach mal Dirk Karl lesen, der hat ‘nen Haufen skurriler Leutchen im Gepäck. Tut ihm und euch den Gefallen und testet diesen Roman mal aus. Passend zur kommenden Vorweihnachtszeit.
In jeder Buchhandlung zu bekommen.
ISBN: 9783948342562
14,90€