Hey Ho, Let’s go, auf zu einer neuen Runde Musik trifft Literatur. Diesmal mit Dirk Karl, auf dessen Roman “White Shark Squad” ich durch eine Rezension aufmerksam wurde. In dem mir bis dato völlig unbekannten Verrai Verlag veröffentlicht der gebürtige Stuttgarter bereits seine zweite Geschichte um den Sozialarbeiter Timbo, welche reich gespickt ist mit musikalischen Verweisen. Eine Hauptperson heißt sogar mit Nachnamen Ramone und es wird gemunkelt, dass es sich hier um ein verschollenes Gründungsmitglied der besten Punkband der Welt handeln könnte…
Aber nicht nur den Boys aus New York City wird in dem Roman gehuldigt, auch Social Distortion, The Hellacopters und The Baboon Show kriegen einen Platz in der sauguten Playlist des Buches. Und diese Liste ist verdammt groß!
Und wo hört man am liebsten lauten und dreckigen Rock’n’Roll? Natürlich am Strand, natürlich im Sommer , wenn es warm ist! La Gomera ist der perfekte Schauplatz für diese Geschichte, bei der ich mich köstlich amüsiert fühlte, die aber trotzdem immer wieder ernste Seiten offenbarte.
Für mich eine echte Lese-Überraschung und ich freue mich sehr, dass Dirk sich zu einem Gespräch zur Verfügung stellte. Viel Spaß beim Lesen und don’t forget to rock’n’roll…!
Moin Dirk,
Schön, dass Du bei Musik trifft Literatur dabei bist. Ich starte mit einem Zitat aus Deinem neuen Roman “White Shark Squad”: “Eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte. Es gibt so viele üble Dinge auf der Welt. Was kann an einer guten Geschichte falsch sein?”
Ja, so ist es und ich hab mich sehr gut unterhalten gefühlt. Erzähl mal, wie es dazu kam, dass du gute Stories erzählen wolltest…
Hi Christian, es freut mich wenn Du gut unterhalten warst. Ich wollte einfach etwas schreiben, das ich selbst gerne lesen würde. Eine Story mit etwas schrägen Typen kombiniert mit Musik, die ich mag und einem gewissen Lebensgefühl. Es sollte auch etwas zum Nachdenken anregen, aber hauptsächlich immer mit einem Augenzwinkern versehen sein. Der Spaß darf niemals zu kurz kommen. Das Leben ist meistens ernst genug. In die Story sind punktuell einige persönliche Erfahrungen und Erlebnisse eingeflossen, teils aus meinem Job, teils privater Natur. Ein buntes Feuerwerk eben, das beim Lesen einfach `ne gute Zeit bringen soll.
Ich hab mich beim Lesen tatsächlich häufig gefragt, wieviel von den Figuren in dir steckt. Die Parallelen zu deinem Beruf als Sozialarbeiter sind offensichtlich….
Vielleicht liegt es daran, dass du als Erzählperspektive den Ich-Erzähler gewählt hast, aber ich hab mir Timbo mit deinem Antlitz vorgestellt, haha. Ist die Figur des ewigen Berufsjugendlichen etwas womit du dich identifizieren kannst?
Vermutlich steckt in jeder Figur des Romans ein kleiner Teil von mir. Mal mehr, mal weniger. Mir sind auch alle Figuren irgendwie ans Herz gewachsen während der Schreibphase. Alle haben ihr eigenes Ding am Laufen, ihre eigene Tragik, ihr Eskalationspotential und ihre Herangehensweise ans Leben. Versuch und Irrtum. Alles natürlich etwas überdreht, aber nur etwas, haha.
Die Ich-Perspektive war bewusst gewählt, da es so intensiver wirkt. Es zieht dich mehr in die Story. Beruflich habe ich tatsächlich solche Betreuungen etwa 6 Jahre gemacht und unser Träger hatte auch ein Auslandsprojekt auf den Kanaren, allerdings auf Teneriffa. War `ne ziemlich ereignisreiche Zeit. Die Kombination ergab die Idee, sie gibt halt einiges her. Mit der Figur eines Berufsjugendlichen kann ich mich zum Glück absolut nicht identifizieren, ich habe mir allerdings mit Sicherheit noch ein paar Dinge bewahrt. Eigentlich auch nicht verkehrt, man sollte so drauf sein, wie man sich gut fühlt im Leben und nicht wie es andere von einem erwarten.
Ich wusste ehrlich gesagt gar nicht, dass es solche Projekte wirklich gibt.
Diese Auswanderer Romantik, von der dein Roman ja auch ein bisschen lebt, du hast sie also wirklich schon erlebt? Oder ist es ein Traum von dir?
Doch diese Projekte gibt es, meistens die letzte Maßnahme wenn nichts mehr greift. Eine damalige Freundin hat in diesem Projekt auf Teneriffa 1 Jahr gearbeitet, halleluja, da war auch einiges geboten. Ich selbst hätte einfach Bock längere Zeit zu reisen, das sollte jetzt nicht in Verbindung mit Sozialarbeit sein. Das machen glaub meine Nerven nicht mehr unbedingt mit. Vielleicht passt es ja mal noch irgendwann in nächster Zeit.
Ich mag den Roadtrip Vibe des Romans. Schöne Landschaft, Sonne, Meer, wenig Menschen, mit dem Auto die Küste entlang cruisen mit guter Musik über die Anlage, eiskalte Drinks, ist doch nicht so schlecht diese Vorstellung, oder?
Ja, in der Tat, das klingt wunderbar. Die Musikauswahl im Roman ist aber schon sehr von deinem eigenen Geschmack geprägt, oder? Im Klappentext heißt es, bei dir spielten AC/DC eine große Rolle… Wie verlief deine musikalische Sozialisation?
Ja, die Musikauswahl ist klar von meinem eigenen Geschmack geprägt, oder was mir in der Schreibphase 2020 gerade gerade gefallen hat, wie z.B. die neue Scheibe von Extrabreit und auch The Baboon Show, oder was für mich in der Szene halt dann irgendwie gepasst hat.
Für meine musikalische Sozialisation einschneidend war in der 5. Klasse, da ist man glaub so 10 oder 11, als in der Turnhalle bei einer Schuldisco jedes zweite Lied von AC/DC war und der komplette Laden durchgeknallt ist. Für mich war das zu dem Zeitpunkt zwar infernaler Lärm, aber mich hat es da absolut gepackt. Ab da gewann Musik an Bedeutung bei mir, es war nicht nur Musik sondern irgendwie mehr.
Dann schlug irgendwann die NWOBHM mit den ganzen klassischen Metalbands, nach dieser Fernsehaufzeichnung aus Dortmund, bei mir ein. Etwas Punk kam dann noch dazu, aber da hatte ich nicht so den Überblick. Ab 1984 ging ich auch auf jedes Konzert, das mir irgendwie möglich war. Bei mir in der Region war ja auch die Rockfabrik Ludwigsburg, wo ich mit Kumpels häufig war. Meine zweite große Band damals waren Motörhead, die habe ich dort z.B. das erste Mal gesehen. Ich las viele Musikzeitschriften, nahm Tapes auf und steckte meine Kohle in Platten. Damals gab es ja kein Internet, da war alles noch mit Aufwand und Enthusiasmus zu erkunden. Die härtere Musik spielte sich da auch nicht ganz so in der Mitte der Gesellschaft ab.
In den 90ern habe ich irgendwie mehr quer durch verschiedene Genres gehört. Ende der 90er stieß ich auf das ganze skandinavische Zeugs. Total 13 von den Backyard Babies gab da den Ausschlag. Zu Oasis habe ich einen recht persönlichen Bezug, da ich nahezu Nacht für Nacht als meine Mutter an Krebs gestorben ist, durch die Stadt gelaufen bin und eigentlich zu der Zeit ausschließlich Oasis dabei auf dem Ohr hatte.
Aber es gibt so viele Bands, die ich mag. Die Ramones natürlich, die ich zum Glück auch noch live sehen durfte, vermutlich naheliegend nach dem Roman, haha.
Social Distortion, die Broilers mag ich… Die Liste könnte ich im Prinzip endlos weiterführen. Ich bin da auch nicht engstirnig, für mich hat jede Musik ihre Berechtigung, auch wenn nur ein paar verlorene Nasen darauf stehen. Vorausgesetzt natürlich, dass gewisse ethische Grundregeln eingehalten werden.
Welche Bedeutung haben die Ramones für dich, du hast Ihnen ja sogar einen Charakter gewidmet: Twinkle Ramone, vergessenes Mitglied der Ramones. Ein schöner Nebenstrang beim Roman, hab sehr geschmunzelt.
Die Ramones sind für mich einfach Kult, ein ganz eigenständiges Ding, zeitlose Musik. Live waren die schon auch bizarr, eine gut geölte Maschine, ich würde viel dafür geben sie nochmal sehen zu können. Leider ist es ihnen nicht vergönnt gewesen ihr Lebenswerk noch lange zu genießen. Damals hatten sie nicht diesen Status, den sie heute besitzen. Zumindest habe ich das nicht so empfunden. Was soll ich sagen? Interessante Charaktere, straight und hatten ihre Eigenheiten.
Jedes Mal wenn ich in Berlin bin, besuche ich auch das Ramones-Museum. Kann ich nur empfehlen, ein schöner Ort.
Gerade weil es so Unikate waren fand ich die Idee mit dem fiktiven Twinkle Ramone, die Figur mag ich auch wirklich besonders, passend für den Roman. Twinkle war einfach auch geeignet für das Lebensgefühl, das der Roman verkörpert.
Ich hab bei Instagram gesehen, dass du auch eine Sammlung an Büchern über die Ramones hast. Gehört das Lesen über Musik für dich generell auch zum Musik erkunden dazu?
Du hast eingangs erwähnt, dass es in deiner Jugend nicht so leicht war neue Musik zu entdecken wie heute. Gehörte da klassische Musikliteratur für dich dazu, oder hast du auch Fanzines gelesen?
Nicht nur über die Ramones. Ich habe irgendwann angefangen Musikbiografien zu sammeln, das hat sich irgendwie über die Jahre so ergeben. Da ist einiges zusammen gekommen. Das ist jedes Mal `ne kleine Zeitreise, wenn man in so ein Buch eintaucht. Zu Büchern habe ich schon immer einen Bezug, da mein Onkel eine Buchhandlung in Stuttgart hatte, die er aber vor ein paar Jahren verkauft hat.
Früher bezog ich die Infos über die Musikszene meist aus den gängigen Magazinen, ich hab da alles gelesen was ich in die Finger bekommen habe, um über anstehende Konzerte und neue Platten Bescheid zu wissen. Leider habe ich die ganz alten Sachen nicht mehr, da ärgere ich mich ab und an drüber. Manche Sachen schätzt man ja erst später, wie bei so vielen Dingen im Leben. Aber war halt irgendwann auch `ne Platzfrage und bei Umzügen ging dann oftmals leichtfertig vermeintlicher Ballast über Bord.
Spielst du eigentlich auch eine Instrument? Selbst schon Banderfahrung gesammelt?
Ich spiel bissel Gitarre und `nen Bass hab ich auch. Mir macht es Laune, den Zuhörern vermutlich etwas weniger, bin da glaub auch etwas talentfrei. Hab mich da aber auch nie so richtig mit letzter Konsequenz reingehängt. In letzter Zeit jedoch wieder etwas mehr. Zu Beginn in der Jugend hat es schon Bock gemacht, aber dann fehlte irgendwie das Umfeld um auch gemeinsam dran zu bleiben. Fußball spielen, Mountainbike fahren und besonders Westernreiten waren mehr mein Ding.
In meiner jahrelangen Zeit mit den Quarter Horses blieb dann sowieso für nichts anderes mehr Freizeit übrig. Da war ständig Action, tolle Zeit.
Was genau sind Quarter Horses? Also Westernreiten hab ich ne ungefähre Vorstellung, sind das die gleichen Pferde?
American Quarter Horse ist eine Rassebezeichnung, die wie der Name sagt, auf dem amerikanischen Kontinent entstand. Die Konquistadoren brachten Pferde rüber und dann nahm die Sache ihren Lauf. Die Zucht wurde immer weiter verfeinert, zunächst orientiert an der Gebrauchsfähigkeit. Westernreiten ist die Reitweise, bei der es dann auch verschiedene Disziplinen gibt. Die Pferde sind nicht zu groß, nervenstark, schnell, umgänglich, robust, vielseitig und gibt`s in tollen Farben. Das sind mittlerweile richtige Formel 1 Geschosse und dabei affencool, wenn man die richtigen Knöpfe findet. Wunderschöne und faszinierende Tiere. Wen`s interessiert, mal bei Ludwig Quarter Horses auf der Homepage schauen, das ist übrigens auch der Hof mit dem kleinen `Gastauftritt` im Roman. So schließt sich öfters der Kreis im Buch, da hab ich mal paar Jahre auch gewohnt.
Bist du sehr angepisst momentan bzw. zur Zeit des Schreibens?
Insgesamt finde ich schon einige gesellschaftlichen Dinge äußerst bedenklich. Dieses gnadenlose Schwarzweiß-Denken, eskalierender Konsumirrsinn, die soziale Kluft wird immer größer und mich kotzt diese ekelhafte Massentierhaltung an. Aber ich selbst spreche mich bei vielem auch nicht frei von Schuld, man sollte sich nur ständig auch selbst hinterfragen, ob das alles so optimal ist, was man da so abzieht im Leben.
-Den Song, den du im Sterbebett hören möchtest
-Der Song, der auf deiner Beerdigung gespielt werden soll.
-der Song der dein Lebensgefühl am besten beschreibt
Und was haut dich momentan vom Hocker? Gibt’s ne Band, ‘ne*n Künstler*in, Album die dich begeistert?
Ich entdecke immer wieder neue Sachen, die mir gefallen. Gestern habe ich zum Beispiel eine Band namens Madrugada, die bislang an mir vorbei ging gehört und das Album hat mich echt gepackt. Die Neue von den Broilers finde ich ziemlich gelungen, die läuft bei mir oft im Auto zur Zeit. Sammy Amara ist ohnehin ein großartiger Texter.