Vorneweg fange ich damit an, dass es schon eine Weile her ist, dass ich einen Review zum Tape von Lügen geschrieben habe, auf meinem persönlichen Blog. Nun, ich schob die Kassette neulich mal wieder in mein Tapedeck, hörte es auf einer Fahrt von hier nach dort und war begeistert, again!
So nutze ich nun die Chance, beim Vinyl-Keks noch eines zu schreiben zum letzten Release von Lügen.
Es ist nämlich das Abschiedstape. Leider. Die Band hat sich über ihre Schaffenszeit mega weiterentwickelt und ich hab echt eine Träne im Knopfloch, dass sie aufgehört haben.
Die Gründe hat Lügen nicht verlauten lassen, nur, das sie aufhören.
Das ist eigentlich ja auch nicht wirklich wichtig, ebenso wenig wie die entgangenen Möglichkeiten, sie mal live gesehen zu haben. Lügen waren eine Band mit einer ganz anderen Substanz: Inhalt! Musikalisch, wie textlich.
Also: zehn Songs gibt es nochmal auf die Ohren.
Das erste Stück “was das Volk will” ist wesentlich eingängiger, in der sperrigen Art, die Lügen haben; welche vor allem dadurch entsteht, dass Sängerin Sabrina mit ihrer eigenwilligen Intonation über die Riffs mehr spricht als singt.
Der Sound ist durchweg post-punkig, die Gitarre wavig angehaucht, trotzdem furztrocken.
In “vergissmeinicht” zeigt die Band, dass sie am Höhepunkt ihres Schaffens ist. Musikalische Erinnerungen an Blumen am Arsch der Hölle, die Lyrics bringen dir eine neue Sichtweise! Darauf, wie eine Frau durch die Stadt läuft, wie sie gesehen wird und es selbst empfindet, wie sie gesehen wird.
An Stelle Fünf kommt das “outro”; ist natürlich nur ein Titel, den an dieser Stelle kann ja kein letztes Stück kommen und die Platte zu Ende sein. Nein, es ist nur das Ende dieser Seite A.
Und genau bei diesem Stück bekommt man ganz klar vorgespielt, wie Lügen auf einem Grat wandern. Ist es Musik im Sinne der Menschen, die auf ein Konzert gehen und nur konsumieren, oder ist es ein Text, der mit Musik unterlegt wurde und dieser wird geteilt mit den Zuhörenden?
Es ist eine Abschiedserklärung mit einem slap in your face. Gegen all die alten, weißen Männer, die Geschichte im Fernsehgucken, alles wiederholen, niemals sehen, dass das voll der Rattenkäfig ist, in dem sie Leben.
…das Devot ein Stil sein kann…
Eine sehr persönliche Sichtweise, sozialkritisch wie auch politisch!
“am hafen” ist ein Angesang auf die Subkultur, zumindest auf all die Menschen, die diese feiern, bis sie dann irgendwann Kinder haben und keinen Bock mehr in ihrem Kiez auf bunte, laute Menschen. Dann darf das gehen, wird verödet.
“kriegerinnen” ein ausnahmsweise textlich sehr einfach gehaltener Song, was eine gelungene Abwechslung ist, denn ich merke manchmal schon, dass so viel Gehalt in Texten sehr zum Hinhören zwingt. Jedenfalls kann ich schlecht weghören! Als bloße Unterhaltungsmusik funktioniert kein Release von Lügen. Gegen die / deine Hörgewohnheiten. Das mag ich sehr.
“militanz(t)” ein etwas fordernder, treibender Song. Der nächste Titel mit auch selbsterklärend: “das leben und sterben des mannes”.
Das wirklich letzte Stück dann ist “wenn sie fragen”. Es geht um rechte Netzwerke, deren Treiben.
Und wenn wir all diese Dinge, die die Band, respektive Sabrina, hier anspricht, nicht weiter diskutieren, weiter aufmerksam darauf machen, wo kommen wir dann hin? So Ungarn, Italien-mäßig? Danke, aber definitiv Nein Danke.
Das Tape kommt in einem Klappschuber (oder so ähnlich nennt man das ganz bestimmt) mit einem Grabstein vornedrauf. Dazu ein Textblatt, dessen Schriftart leider kleiner ist als die Schriftgröße im OX-Fanzine. Ist auch als Nicht-Brillenträger etwas anstrengend.
Alles in Allem ein ganz großartiger Release zum Abschied, würdig, wie der Spießer so sagt, und ich bin gespannt, wo es die einzelnen Bandmitglieder hintreibt. So viel Eigenständigkeit und Willen etwas dem Zuhörer mitzugeben zum Nachdenken, hoffentlich auch Handeln, anzuregen, trifft sich selten in einer Band.
Lügen waren das alles.
In Coop erschienen von Bakraufarfita Records und Raccoone Records. Beide Labels haben noch Tapes, erstere auch die beiden LPs und die 7inch.