Bevor mir der Plattenteller nach der Sommerpause noch verstaubt, war es mal wieder an der Zeit, eine neue Platte aufzulegen. Mit großer Sehnsucht nach neuer Musik und einem hohen Maß an Vorfreude durfte ich mir zuletzt die neuste Platte von Jenny Owen Youngs anhören. Das Ganze hat bei mir nicht nur den Plattenspieler wieder zum Leben erweckt, sondern auch eine Lawine der Gefühle losgetreten. Apropos Lawine, nicht ganz ohne Grund betitelt die Künstlerin ihre neuste LP mit dem Wort “Lawine” oder vielmehr dessen englische Übersetzung “Avalanche”.
Über zehn Jahre sind seit der letzten Veröffentlichung vergangen. Am 22.09.2023 erschien das neuste Studioalbum der renommierten Singer-Songwriterin Jenny Owen Youngs. Musikalisch aber auch inhaltlich eine Platte, die einen schnell fesselt und dann nicht mehr so einfach loslässt. Manchmal ist weniger mehr. Ein Satz, der oft passt, doch nur selten so gut wie zu diesem Album. Es ist faszinierend, wie oft man sich darüber Gedanken macht, was es noch alles braucht, bis man dann feststellt, dass man bereits zufrieden mit dem Ergebnis ist. Minimalismus pur aber so, dass es ganz natürlich klingt und nicht krampfhaft erzwungen. Avalanche strahlt für mich musikalisch genau diese Freiheit und Unbeschwertheit aus und ist dabei zeitgleich sehr tiefgründig. Jeder der 10 Titel trägt einen Teil dazu bei, dass ich mir in den einzelnen Hördurchläufen gerne die Zeit genommen habe, auf die vielen kleinen Einzelheiten dieses Albums zu achten. Das klappt besonders gut, wenn man den Lautstärkeregler ruhig etwas höher dreht und einfach mal in die vielfältig emotionale Welt der Künstlerin eintaucht. Die durchweg klassische Besetzung aus Gitarre, Bass, Klavier und Schlagzeug gepaart mit der luftig sanften und zeitgleich sehr persönlichen Stimme von Jenny Owen Youngs erzeugen bei mir diese entspannte Wohlfühlatmosphäre. Nicht selten hatte ich beim Hören das Gefühl, live mit dabei zu sein, als säße ich gerade mitten im Proberaum und könnte zuschauen oder am liebsten gleich selbst mit einsteigen. Ein atemberaubendes Erlebnis, was ich in diesem Ausmaß bislang erst selten bei anderen Platten feststellen konnte.
Musikalisch handelt es sich um eine Mischung aus Indie, Folk und Country. Man merkt schnell, dass hier Elemente aus anderen Bands eingeflossen sind, so fühlte ich mich bei “It’s Later Than You Think” stark an den klassischen Klang der Beatles erinnert. Aber auch Bands wie Edward Sharpe and the Magnetic Zeros oder Andy Shauf wie im Song “Bury Me Slowly” konnte ich hier und da raushören. Ein Eindruck, der insgesamt viel dazu beigetragen hat, dass ich mir einige Songs gerne mehrmals angehört habe. Aber auch in einem Durchlauf merkte ich oft, wie gut die Chemie zwischen den Songs passt. Es gibt keine plötzlichen Umbrüche, sondern die Dynamik bleibt eher natürlich und ruhig, was zu dem positiven Gesamteindruck dieser Platte passt.
Insgesamt erzählt jeder Song sowohl musikalisch als auch inhaltlich seine ganz eigene Geschichte. Man hört den Herzschmerz, welchen Jenny Owen Youngs hier in einer schmerzhaft emotionalen Ansammlung an Songs verarbeitet hat. Persönliche Themen wie Scheidung und die damit einhergehende Trauer, aber auch das Wiederfinden der Liebe und dem Schwelgen in Freude sind in jedem Song präsent und aus Sicht von Jenny Owen Youngs das Ergebnis einer produktiven und zeitgleich turbulenten Zeit der letzten zehn Jahre.
In Summe handelt es sich hierbei um ein Album, welches mich begeistert hat und welches ich wärmstens weiterempfehlen möchte. Gerade mit Hinblick auf die bevorstehende goldene Jahreszeit und dessen gemütlich herbstliche Atmosphäre sehe ich diese Platte noch einige Male auf meinem Plattenteller landen.
Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle das wunderschöne Gatefold Cover, welches auf der Vorderseite Jenny Owen Youngs an der Gitarre und auf der Hinterseite am Klavier zeigt. Im Inneren sieht man ein Paar Studiokopfhörer auf einer roten Couch liegen. Alle Bilder wurden vermutlich im Proberaum bzw. Studio mit unterschiedlichen Instrumenten im Hintergrund aufgenommen. Dies verdeutlicht für mich noch mehr diese gemütliche und gleichzeitig sehr persönliche Atmosphäre, welche das Album ausstrahlt. Im Inneren findet man dann neben den Songtexten das eigentliche Vinyl in einem schönen Lila. Das Album wurde über Yep Roc Records veröffentlicht und ist aktuell zu haben bei Bandcamp.
Viel Spaß beim Hören!