Kinder, wie die Zeit vergeht. Schon wieder ist ein Jahr rum und noch schlimmer, das neue hat schon begonnen! Höchste Zeit also, die Altlasten vom Vorjahr (der hier zu besprechende Release erschien bereits am 27.10.2023 auf Yep Roc Records) noch schnell los zu werden. Wobei das Wort „Altlasten“ mal so gar nicht zum neuesten und zweiten Release von The Third Mind, einem quasi Allstar-Projekt um den Grammy-Preisträger Dave Alvin (Gitarre), Victor Krummenacher (Bass / Camper Van Beethoven, Monks Of Doom, Eyelids), David Immerglück (Gitarre / Counting Crows, Monks Of Doom, Camper Van Beethoven), Michael Jerome (Drums / Better Than Ezra, John Cale) und Jesse Sykes (Gesang / Jesse Sykes And The Sweeter Hereafter), passen mag.
Schlicht „2“, oder eben „The Third Mind/2“ betitelt, bietet der Release auf gleich zwei Scheiben nämlich fünf Neuinterpretationen der Songs „Groovin‘ Is Easy“ der Soulcombo The Electric Flag, „Why Not Your Baby“ von Gene Clark (bekannt als Mitglied von The Byrds), „In My Own Dream“ des Bluesers Paul Butterfield, „Sally Go Round The Roses“ von The Jaynetts und „A Little Bit Of Rain“ von Fred Neil, sowie eine Eigenkreation („Tall Grass“), die somit ebenfalls als neu eingestuft werden kann. Und zur Last werden die in Summe dann sechs Songs sowieso nicht. Niemals und zu keiner Zeit.
Das besondere an „2“ ist der Entstehungsprozess an sich. Die Band/das Projekt hat dafür nicht geprobt, nichts arrangiert, womöglich auch kaum darüber gesprochen. Nein, die Musiker*Innen haben sich im Studio getroffen, auf Record gedrückt und die Songs spontan und mit mit viel Improvisation aufgenommen. Eine solche Arbeitsweise erfordert selbstredend echte Profis auf jeder Position. Und ja, dass diese bei The Third Mind am Werk sind, das hört man und das merkt man.
Auch ohne dass jetzt gleich jedes Original zum Vergleich präsent sein muss, sticht die Kombination aus Sykes‘ poppig-verträumtem Gesang und der im Grundtenor rocklastigen Machart der Songs besonders heraus. Das ist ein absolut interessanter Ansatz, der mir persönlich im Song „Sally Go Round The Roses“ am besten gefällt. Dank Rhythmik, Sound und Percussion an The Blasters‘ Kulthit „Dark Night“ erinnernd, ergänzen und machen die Gitarrenleads in etwa im Stile von Gary Moore zu seinen bluesigen Zeiten den Song zu einem spitzenmäßigen Stück Musik.
Überhaupt die Leadparts: in „Groovin‘ Is Easy“ schimmert Saul Hudson alias Slash, in „In My Own Dream“ Stevie Ray Vaughan mit schön viel Federhall durch. Die Gitarristen von The Third Mind zeigen sich extrem wandlungs- und durch die oben beschriebene, in Fachkreisen als „No Safety Parachute“ bezeichnete Arbeitsweise, wohl auch extrem anpassungsfähig. Aber, wer wegen der genannten Referenzen jetzt denken mag, die Typen haben halt schön brav geübt und eifern ihren Vorbildern nach: nix da! Allein durch die Soloparts in „Why Not Your Baby“, die eher Soundexperimenten denn gespielten Noten ähneln, beweisen die Gitarristen ihre Eigenständigkeit.
Und auch klar, so zu arbeiten ergibt dann meist auch etwas längere Stücke, als vom Radio erwünscht. Deshalb dann auch zwei LP’s für eben gerade mal sechs Songs. Wobei…ha! Die D-Seite ist unbespielt, jedoch trotzdem nicht zu verachten, bietet sie doch die Mandala-Radierung „The Third Mind“ von Tony Fitzpatrick als Edging.
Und wo wir jetzt schon bei den optischen Anreizen sind: die gehen okay, besonders dank der Fotocollage auf der Innenseite des Gatefolds. Es ist einfach immer wieder schön, Musiker*Innen bei der Studioarbeit sehen zu können. Da fühlt man sich doch gleich so ein kleines bisschen als Teil des Ganzen. Wollt auch ihr Teil des Ganzen, Teil von The Third Mind, sein und steht ihr auf Musik, die etwas abgedroschen und anderswo gerne mal als „handgemacht“ bezeichnet wird, so ist „2“ auf jeden Fall einen Einkauf wert. Vielleicht ja bei JPC.