Es ist wieder Dienstag und wir präsentieren euch auch diese Woche in unserer Reihe “Frauen im Musikbusiness” ein neues Interview! Fragen beantwortet uns diesmal Marta, eine der Organisatorinnen vom Femme Rebellion Fest. Wer die letzten Ausgaben verpasst hat, kann hier noch einmal das Interview von Evelyn vom Vinyldyke-Zine und der Anthropologin und Tour-Managerin Carolin nachlesen. Have Fun!
Hallo Marta, du organisierst ja das Femme Rebellion Fest. Wann hast du damit angefangen und wie kam es dazu? Vielleicht kannst du uns ein bisschen erzählen, worum es genau geht.
Also das ganze hat eigentlich schon vor Ewigkeiten in meinem Kopf angefangen, hahaha. Ich wollte schon immer dazu beitragen, dass mehr junge Frauen und auch Männer, die sich überhaupt nicht mit der Rolle, die für sie vorgesehen wurde, identifizieren, sich trauen Musik zu machen. Ich habe selber lange suchen müssen, um Vorbilder zu finden, die mir zeigen, dass „eine Frau das auch kann“. Traurig aber wahr…
Dann, 2016, nachdem wir mit meiner damaligen Band Misfired bei einem super schnuckeligen Festival im Baskenland gespielt haben (das Neska Rock, was soviel wie „Mädels Rock“ auf Baskisch bedeutet), habe ich die „Erleuchtung“ gehabt. Zwei Sachen wurden mir klar, A: das Konzept 50%50% Geschlechter auf der Bühne spricht mich sehr an und B: man braucht eigentlich nur den Mut und die Leute, die das ganze auch mit durchziehen wollen. Mit D.I.Y.-Einstellung kann man wirklich Berge versetzen! Das haben wir jetzt Schwarz auf Weiss 🙂
Ich bin schon immer dafür gewesen, dass man versucht inklusiv zu arbeiten, so dass immer mehr Leute verstehen und fühlen, dass es viel mehr Spaß macht, wenn wir alle miteinander Musik machen und geniessen können, unabhängig davon, wie man sich gendermässig fühlt. Denn Musik hat ja kein Geschlecht!
Als ich Jakob (die andere tragende Kraft des Femme Rebellion Fest) mit meinen Fantasien angesteckt hab, und er Feuer und Flamme dafür war, es zu versuchen, habe ich mich endlich mal getraut es zu wagen.
Am Ende haben wir ein Fest kreiert, das mittlerweile 4x in aufeinander folgenden Jahren statt gefunden hat, für „gender equality on stage“ plädiert und bis jetzt allen, die Teil davon waren, geholfen hat, sich stark zu fühlen und sich zu vernetzen (deren Worte!). Auf dem Weg haben wir einiges gelernt und mittlerweile fahren wir 4 Tage zusammen in einem Schulbus und alle 4 Bands treten hintereinander in den 4 Städten, wo das Ganze stattfindet, auf: Kiel, Hannover, Bremen und Hamburg. Die Bands, die wir aussuchen, erfüllen mehrere Kriterien: D.I.Y. ‘geprüft’ sein, gute Musik machen, sich schon mal mit dem Thema „Gender in der Musik“ beschäftigt haben, sei es mit Aktionen oder mit ihrer Musik, natürlich: unserer angestrebten Vorbildfunktion entsprechen und vor allem: Mega nett sein, damit wir die bei 4 Tagen im Bus und auf-dem-Boden-schlafend ertragen können! Wir wollen ja vor allem zusammen Spaß haben! Gerne unterstützen wir unbekannte Bands, die aus ganz anderen Länder kommen, damit die Vernetzung globaler wird.
Du spielst außerdem bei der Band MATRONE – wie und wann habt ihr euch gegründet? Vielleicht erinnerst du dich an euer erstes Konzert. Wie war das? Und in welchen anderen Kapellen bist du noch aktiv?
Ich mache schon seit 30 Jahren Musik! Da waren schon einige Projekte bei. Am längsten war ich mit Inky Shot, wo ich damals schon mit Ron, die andere Hälfte von Matrone, zusammen gespielt habe. Dann kam Misfired, wo ich mit 2 Freundinnen 10 Jahre lang Musik gemacht hab, S.O.S. Sort of Sober, eine Punk Band, wo ich erst als Ersatz- Gitarristin gestartet hab, um Freunden zu helfen (und um zu beweisen, dass ich sehr wohl in der Lage bin 4/4 zu spielen hahaha) und dann doch hängen geblieben bin, und jetzt mit Matrone, wo ich tatsächlich endlich mal meine ganzen verrückten Experimente ausleben darf! Matrone gibt es schon seit Ende 2017, pünktlich nach den G20 Treffen in Hamburg, und im Oktober letzten Jahres haben wir eine selbst produzierte LP raus gebracht. Ausserdem experimentiere ich immer wieder mit Freunden und mache ganz andere Sachen, zum Beispiel ein Surf Projekt, bei dem ich Schlagzeug spiele und wo es SEHR wichtig ist, dass wir mal einen fliegenden Hai haben.
Unsere erstes Konzert mit Matrone, das war sehr lustig! Wir haben zugesagt, bevor es uns überhaupt wirklich gab! Wir hatten nicht einen einzigen Song und nur 4 Monate bis zum Konzert. Da mussten wir einfach machen, was Sinn der Sache war, als wir zugesagt haben, denn bekannterweise arbeiten Künstler am effektivsten unter Zeitdruck und mit Deadlines.
Am Ende hatten wir 6 Lieder und ganz viel Schummel-Zeit! Hat echt Spaß gemacht. Und da es so gut ankam, sind wir immer noch dabei.
Ich bin auch als Grafikdesignerin dabei, um den ganzen Grafik Krams, inklusive Videos, zu machen. Da Ron damit nicht so viel am Hut hat, darf ich mich da auch austoben!
Hand aufs Herz: Corona trifft uns gerade im Veranstaltungsbereich bis ins Mark – wie sieht es für dich und deine Projekte für 2020 aus? Wie geht es danach weiter?
Hand aufs Herz: ziemlich Scheisse! Keine Ahnung, was wird… Konzerte gibt es wohl erstmal nicht mehr… also basteln wir gerade an neuen Sachen rum und gucken, dass wir nicht durchdrehen! Ausserdem hatten wir gerade unsere LP rausgebracht (alles selbstfinanziert) und die wird wohl leider erstmal in den Kartons bleiben, da wir gar nicht rumfahren können. Zum Glück werden die nicht schlecht! 😉
Viele Bands machen jetzt online Krams, was ich super lieb finde, aber leider nicht wirklich geniesse. Ich liebe live Musik, und ich mochte nie wirklich Videos von Konzerten zu gucken. Einzelne Lieder ja, aber ganze Konzerte?… ich brauche den Schweißgeruch! Also machen wir so was nicht (wer weiss, was ich in ein paar Monaten darüber sage!).
Was wir tatsächlich überlegen, ist mal eine Probe von uns live zu streamen… aber so viel Schwachsinn wie da immer passiert, wer weiss, ob wir das wirklich durchziehen! Amüsant wäre es bestimmt. DAS würde ich mir bei anderen Bands gerne angucken…
Du arbeitest außerdem als Tontechnikerin – ein Bereich, in dem man selten Frauen antrifft – wie bist du zu der Entscheidung gekommen und wo arbeitest du? Was denkst du, warum in dieser Branche so wenig Frauen arbeiten?
Uff! Da fragst du was! Ich habe schon ganze Vorträge darüber gehalten! Ich versuche es mal auf das Wichtigste zu reduzieren damit ihr beim Lesen nicht einschlaft.
Erstens, als Vom-Gitarren-spielen-bessesener-Teenie habe ich mir viele Gedanken darüber gemacht, was ich für mein Leben gern machen würde, da wurde mir klar: Live Musik MUSS ich dabei haben. Ich wusste auch, dass ich keinen Bock hatte meine Kreativität mit irgendwelchen Musikindustrie-Erwartungen zu beschneiden, also ich als Musikerin mein Brot nicht verdienen können würde. Nach meinem Abi habe ich ein Jahr lang nur Musik gemacht und mit meinen Eltern, die selbstverständlich da nicht wirklich begeistert von waren, gestritten. Ich mache es jetzt kurz: Zum Glück hat mein damaliger Gitarrenlehrer (und Lebensguru…) mein Elend erkannt und mir die Lösung zu meinem Problem aufs Tablet serviert: „Warum wirst du nicht Tontechnikerin?“ Und gleich dazu: „Es gibt ein Projekt für Arbeitslose, wo man fürs Lernen auch noch Geld kriegt!“ Und das Beste: die hatten eine 50% Auflage! In Spanien! In den 90ern!!! Siehe mal an, da habe ich in den 90er Jahren von der „Quote“ profitiert. Von 30 Plätzen sollten 15 mit Frauen besetzt werden, angemeldet haben sich über 300 Männer und 14 Frauen. Das war richtig super, weil ich meine Ausbildung machen konnte ohne die „Ausnahme“ zu sein. Das hat das Selbstbewusstsein gestärkt und uns das Gefühl gegeben, dass es normal ist, dass Frauen Tontechnikerinnen werden. Ich denke, auch die Dozenten und unsere Mitschüler haben damals einiges gelernt! Das zeigt, wie wichtig diese Quote tatsächlich ist! Auch wenn es erstmal für manche nach Bevorzugung aussieht, schafft es nach und nach eine gerechte „Startposition“, von wo wir vielleicht irgendwann nichts mehr forcieren müssen. Tatsache ist, dass es danach in der „wahren Welt“, wo es keine Quote gab, gaaaaanz anders aussah. Da habe ich ständig gegen ankämpfen und meine Unsicherheiten unterdrücken müssen. Mit Mantras wie: „Braucht man dafür einen Schwanz? Nein? Dann kann ich das auch!“ habe ich mich bis heute durchgeboxt. Irgendwann perlt es nur noch ab:
-Wo ist der Techniker?
-Ich bin es.
-Nein, der richtige, der mit den Mikrophonen und so
-Ich.
-Echt?
-Yup.
……………..
nach dem Konzert:
-Als du vorhin gesagt hast, du wärst für die Technik verantwortlich, habe ich echt geschluckt, aber du hast es super gemacht! ….(an dieser Stelle würde ich gerne ein schlagendes Smiley einfügen, mit einer riesigen Faust. Gibt es leider nicht)
Und wehe, man macht mal was falsch… dann kriegt man noch viel mehr zu hören. Jammer jammer jammer, aber echt jetzt: reicht doch langsam, oder? Ich verstehe leider, warum viele Frauen, und nicht „Gorilla-mässige“ Männer, irgendwann aufgeben. Ich kämpfe erstmal weiter und versuche ein Vorbild zu geben, das motiviert und die Angst wegnimmt.
Ich arbeite als freie Technikerin vielerorts, (nicht gerne auf Festivals, wo die HarrHarr-Männerallüren mir zu präsent sind) und als fester Bestandteil des Teams im Knust und im Molotow (beide in Hamburg). In beiden Clubs werden Frauen ganz selbstverständlich genauso ernst genommen wie Männer… obwohl ich es im Knust erst erkämpfen musste (daaaamals).
Kannst du dich an das erste Konzert erinnern, bei dem du den Ton gemacht hast und wie war das für dich? Fühlst du dich in Anbetracht deiner vielen männlichen Kollegen manchmal ungerecht behandelt? Wie zeigt sich das und was würdest du dir wünschen?
Ja, das war im alten Knust, als es klein und kuschelig war (150 Personen Kapazität). Ich habe ein Jahr lang einen Freund, der da als Techniker gearbeitet hat, immer mal wieder begleitet und dazu gelernt. Allerdings war ich die mit der Ausbildung und er derjenige mit dem Mut und der praktischen Erfahrung. Eines Tages meinte er: „Marta, mir reicht es, jetzt bist du dran!. Sag *** ich bin krank und du musstest kurzfristig einspringen, und heute machst du es allein.“
Da habe ich geschluckt! Und war ganz aufgeregt! Chakka, ich schaff das!
Ich kam da an, erzählte, dass er krank war und ich die Technik machen würde, und zum Glück mussten die es fressen, weil begeistert waren sie nicht. Ich hatte den doppelten Druck zu beweisen, dass ich es kann, nach aussen hin große Lippe, innerlich in die Hose gesch…
Klappte zum Glück sehr gut, und ab da fing ich an, manche Termine „kurzfristig“ zu übernehmen, bis sie sich daran gewöhnt hatten und ich ganz normal ins Team rein kam.
Meine Team-Kollegen sind allesamt mega unterstützend und gleichberechtigt, externe Techniker haben manchmal zu knabbern. Müssen sie durch, hahaha. Ich kann nur sagen: wer mich nicht ernst nimmt, hat heutzutage ein größeres Problem als ich.
Gibt es ein besonders ergreifendes, tolles oder sogar mieses Erlebnis in deiner Zeit mit Band, beim Femme Rebellion oder als Tontechnikerin, das du mit Sicherheit nie vergessen wirst?
Jedes Mal wenn ich ein Konzert spiele und vor dem Gig jemand zu mir kommt (zugegeben, vor allem Mädchen und nicht cis-männer) und fragt ob wir schon gespielt haben, weil die extra wegen uns gekommen sind: ich liebe das! Das zeigt mir, dass ich tatsächlich ein bisschen dazu beitragen kann, andere Menschen glücklich zu machen und vielleicht sogar ein „Vorbildchen“ zu sein.
Miese Erlebnisse habe ich hier schon genug drinnen… bleiben wir positiv!
Was denkst du, wie sich die Position von Frauen im Musikbusiness in den letzten 10 Jahren verändert hat? Hast du bei deiner Arbeit eine Art “Turning Point” erlebt?
Traurigerweise: nein, kein Turning Point…und wenn man zurück zu den 80er/90ern blickt, haben wir damals vielleicht sogar mehr gekämpft. Es gibt leider zu viele Menschen, die denken, dass es nicht mehr nötig ist, für Gleichberechtigung auf der Bühne zu kämpfen. Von wegen! Wir gehen teilweise rückwärts! Ein Paar Titten auf die Bühne zu stellen, um den Umsatz zu erhöhen hat noch lange nichts mit Gleichberechtigung zu tun! Und die Theorie ersetzt noch lange nicht die Praxis!
Ausserdem finde ich, dass es noch eine Menge Sachen gibt, für die wir auf, hinter und vor der Bühne kämpfen können. Nicht nur gender-bezogen, auch antikapitalistisch und mitdenkend, und und und. Und mit antikapitalistisch meine ich NICHT Selbstausbeutung!
So lang die Leute, die die Musik konsumieren sich nicht für die Künstler einsetzen und sie unterstützen, sieht es Mau aus für die Kunst. Aber ich schweife ab… Mal gucken, was Corona uns alles übrig lässt.
Bezeichnest du dich als Feministin und wenn ja, was bedeutet das für dich?
Am liebsten gebe ich mir keine Stempel, weil das auch teilweise Grenzen setzt und zu viele Vorgaben macht. Ich möchte lieber selber meine Ziele setzen und offen sein für neue Gedanken und so ein Scheiss… Wenn Feminismus für Gleichberechtigung, und zwar nicht nur von Frauen und Männern!, steht, dann bin ich dabei. So, wie ich es für richtig halte. Und auch hier: gerne offen für Diskussion!
Auf welche in der Zukunft liegenden Ereignisse freust du dich besonders? Gibt es etwas, was du unbedingt erleben möchtest, vielleicht eine Band, oder ein Festival, bei dem du in irgendeiner Art und Weise mitwirken willst?
Ich hoffe SEHR, dass wir das fünfte Femme Rebellion Fest im November 2020 erleben können! [Edit: Verschoben auf April 2021!]
Und: obwohl ich nicht wirklich touchy bin: ich werde knutschen und umarmen bis zum umkippen! Bis ich alles nachgeholt hab!
Ich freue mich darauf, wieder verschwitz und angetrunken bis zum Morgengrauen zu tanzen und zu feiern, mit gaaaaanz vielen coolen Leuten!
Gibt es noch andere Projekte speziell für Frauen im Musikbusiness, die du unseren Leser*innen ans Herz legen möchtest?
Es gibt ein ziemlich tolles Buch, das ich euch allen ans Herz legen kann: Our Piece of Punk.
Mit Sicherheit gibt es noch viele mehr, aber dieses Projekt steht mir sehr nah, und wurde von Menschen auf die Beine gestellt, die nicht da aufhören, sondern sehr aktiv an Mixtapes, Konzerten und ähnlichem arbeiten, um auch Queerness die ernsthafte Öffentlichkeit zu geben, die es verdient.
Es gibt auch einige Video Projekte, die in verschiedenen Ländern entstehen, und ich finde, wir müssten uns alle nach und nach vernetzen, bis wir ein globales Netzwerk kreiert haben, in den wir weltweit auch Menschen die es noch schwieriger haben, unterstützen.
Einige davon:
Aus Spanien: Sin tu permiso
Aus Kolumbien: ruido documental censuradas
In Brasilien gibt es das Girls Rock Camp, wo vom Musizieren bis zu Instrumente/Elektro -Basteleien, alles dabei ist, wo Mädls sonst nicht die Gelegenheit zu kommen. Wäre ich als Kind SEHR GERNE dabei gewesen!
In Berlin: das QUEER PUNK RESISTANCE „a berlin based festival celebrating queer_feminist punx“, wo ich gerne hin gegangen wäre, wenn das scheiss Corona nicht dazwischen gefunkt hätte…
Ach, es gibt sicherlich einiges, was mir gerade nicht einfällt! Deswegen spiele ich mit der Idee, eine Vernetzung gezielt anzustreben… ma’ gucken, wie ich es anstelle, haha.
Hast du für die Leser*innen noch eine Botschaft, die du hier gern mit auf den Weg geben möchtest oder etwas, was du sonst noch gern beantwortet hättest?
Glaube an dich! Wenn du es tust, tun es die anderen früher oder später auch…
Danke für das tolle Interview, Marta, und ich hoffe wir sehen uns zum Femme Rebellion 5!