Alan Harman- Ein Künstler der düsteren Klangwelten
Alan Harman ist ein 25-jähriger kanadischer Coldwave-Künstler, dessen Musik eine düstere, hypnotische und tief emotionale Atmosphäre erzeugt. Er stammt aus der kleinen, abgelegenen Stadt Port Hope in Ontario – einem Ort, der nicht nur durch seine idyllische, aber zugleich melancholische Landschaft, sondern auch durch seinen radioaktiv belasteten Boden eine gewisse düstere Aura besitzt. Schon in seiner Jugend fühlte sich Harman von einer unbestimmten Sehnsucht nach Bedeutung und Tiefe getrieben, die er weder in seiner Umgebung noch in der Religion fand. Schließlich entdeckte er Synthesizer und die geheimnisvolle Welt der Coldwave-Musik, die ihn mit ihren kalten, mechanischen Klängen und ihrer melancholischen Ästhetik sofort in ihren Bann zog.
Einzigartiger Stil: Kalte Synthesizer und geisterhafte Vocals
Heute lebt Harman in Montreal, einer vibrierenden Metropole, die für ihre pulsierende Underground-Szene bekannt ist. Dort tritt er in dunklen Clubs und verrauchten Bars auf, wo er mit Künstlern wie Kontravoid und Xeno & Oaklander die Bühne teilt. Sein einzigartiger Stil zeichnet sich durch minimalistische, kühle und fast schon hypnotische Synthesizer-Melodien aus, die mit verzerrten, geisterhaften Vocals und treibenden, maschinellen Beats verschmelzen. Kritiker vergleichen seinen Sound häufig mit Martial Canterel, Snowy Red und dem legendären kanadischen Kult-Synthie-Duo Ceramic Hello.
Frustration als kreativer Antrieb
Sein musikalisches Schaffen entspringt einer tiefen Frustration über den Mangel an Gleichgesinnten in seiner Heimatstadt. Anstatt sich damit abzufinden, begann er, allein zu experimentieren und erschuf mit Synthesizern und Drumcomputern sein eigenes, klanglich einzigartiges Universum.
Mit einem minimalistischen, aber effektiven Setup – bestehend aus einem Korg MS-20 Synthesizer, einem TR-808 Drum-Machine-Clone und einem selbstgebauten Federhallgerät – schreibt, arrangiert und produziert Alan Harman seine Songs völlig autark. Seine Arbeitsweise ist spontan und intuitiv: Jeder Track entsteht von Grund auf neu, oft innerhalb weniger Minuten, und wird direkt aufgenommen, wodurch seine Musik eine rohe, ungeschliffene, aber dennoch intime Energie erhält.
Die besondere Ästhetik seiner Songs erinnert an die frühe DIY-Synthie-Kultur der 1980er Jahre und versprüht einen Hauch von nostalgischer Kälte. Diese musikalische Signatur wurde in einem Interview mit Legowelt im Shadow Wolf Zine besonders hervorgehoben. Der niederländische Künstler beschrieb Harman als „einen verborgenen Juwel im tiefen Schnee des kanadischen Internets“ und lobte seine kompromisslose Hingabe an den analogen Sound.
Diese Aufmerksamkeit führte dazu, dass Ice Machine, das Minimal-Synth- und Post-Punk-Sublabel von Suction Records, auf Harman aufmerksam wurde und schließlich seine erste physische Veröffentlichung „Human Research Program“ herausbrachte – eine sorgfältig kuratierte Kassette, die eine Auswahl seiner besten digital veröffentlichten EPs und Singles enthält.
Das offene Fenster brachte den Kanadier über den Ozean
Wie landete der Kanadier im Universum von Dr. Kernkrach? Wie das Leben so spielt – Alan Harman spielte in einer Location einen Synthie-Set, den ein Passant durch das offene Fenster hörte. Begeistert vom Gehörten, machte der Passant Nägel mit Köpfen und sprach Harman an und empfahl ihn weiter an keinen Geringeren als Dr. Galactik, welcher wiederum mit Dr. Kernkrach aka Jörg Steinmeyer befreundet ist. Der wiederum kontaktierte auf die Empfehlung hin Harman sofort und man beschloss die Veröffentlichung eines Albums. Harman sendet seine Songs über den Ozean, die Dr. Kernkrach im Studio zum Album „Homeostatic Machines“ finalisieren ließ. Fun Fact am Rande: der Rechner von Alan Harman gab nach der Daten-Transmission den Geist auf, so daß es ein wenig Glück benötigte, das uns das fantastische Album nun vorliegt.
Der Albumtitel „Homeostatic Machines“ ist Programm – der Begriff Homöostase beschreibt in der Physiologie die Aufrechterhaltung weitgehend konstanter Verhältnisse in einem offenen System. Homöostase erzeugt ein dynamisches Gleichgewicht und ist damit ein essenzielles Prinzip für die Lebenserhaltung und Funktion eines Organismus oder eines Organs.
In diesem Geiste ist ein ganzes Album entstanden, welches keine Ausfälle aufweist. Der Opener „Shadows“ startet mit 141 bpm und hat einen treibenden Beat, der zu Klangfetzen und Effekten, die hohle, unterkühlte Stimme umschmeichelt.
„At the Gates“ schaltet im Tempo ein wenig runter und ist ein Klangteppich aus fröhlichem Maschinen-Geziepe, das Lust auf die Tanzfläche macht. Der Song ist mit „Column Follow“ und „Sinnig City“ eine der Perlen des Albums – pures Maschinen-Gehämmer, eine Beat und eine Stimme aus einer Terminator-Discothek der Zukunft. Herrliche schweißteibende Stücke Minimal Wave, die auch beim wiederholten Durchfahren der Rille bei den Hörenden für Ekstase sorgen.
Auch in den langsamen Momenten wie bei „I am leaving“ spielt Alan Harman seine Virtuosität und Kreativität aus. Es klingt als hätte man Joy Division durch einen Teilchenbeschleuniger in ein analoges Synthie-Parallel-Universum geschossen.
Ein wenig an DAF erinnert das Rhythmus-Gerüst von „Purveyor“, welches sich im Gehör des Hörerenden dauerhaft zur Untermiete meldet. Die analogen Synthieklänge treiben ohne Gnade durch den Song – es scheint kein Entkommen zu geben.
Mit „In Uniform“ und „Eyes of an Enemy“ endet „Homeostatic Machines“ eher ruhig um die 120 bpm und zeigt noch einmal die Stärken des Albums auf: konstante Beats im offen, dynamischen Klangumfelt – Homöostase eben.
Alan Harmans Musik: Isolation, Nostalgie und kalte Ästhetik
Alan Harmans Musik ist nicht einfach nur minimalistische Elektronik – sie ist das vertonte Gefühl von Isolation, eisiger Distanz und sehnsüchtiger Nostalgie. Seine dunklen, kühlen Soundscapes transportieren den Hörenden in eine klangliche Welt, die ebenso bedrohlich wie faszinierend ist – eine perfekte akustische Verkörperung der kanadischen Winterlandschaft: kalt, weit, endlos und voller tiefer, verborgener Schönheit.
Wer sich für das Album entscheidet, erhält ein auf 150 Kopien limitiertes farbiges Vinyl in den Ausführungen: golden oder black Print. Die 180 Gramm der Platte sorgen für eine angenehme Laufruhe und bringen die klanglichen und dynamischen Werte des Albums zur vollen Entfaltung.
Vinyl ist für mich nicht nur Musik, sondern ein Erlebnis. Die von mir beschriebenen Alben, habe ich alle ausgepackt, angeschaut und angehört. Gerne auch mehr als ein Mal. Bei den Reviews mache ich mir immer ein eigenes Bild durch entsprechende Recherche und das konzentrierte Anhören. Das ist meine Art den Künstlern entsprechende Wertschätzung für ihre Kreativität und Kunst entgegenzubringen.
So kann es vorkommen, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens, die Platten in seltenen Fällen vergriffen sind.
Dazu gibt es für mich keine Alternative: über Platten schreiben, in dem man die Pressetexte abschreibt ohne die Platte in den eigenen Händen gehalten zu haben, macht für mich keinen Sinn. Danke für euer Verständnis.
Lagartija Nick.