Ja, auch 2022 wollen wir euch unsere persönlichen Highlights nicht vorenthalten. Soweit herrscht Einigkeit im Redaktionsteam. Bei den Favourites sieht es dann doch wieder ganz anders aus. Zum Glück, denn Diversity Rules.
Ihr habt es gelesen: die Redaktion läutet das Jahresende ein. Für uns Redakteure bedeutet das, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und sich für drei Alben zu entscheiden, die man selbst für herausragend gehalten hat. Als ob man bei den vielen guten Releases sich auf drei Platten reduzieren könnte. Aber die Spielregeln liegen fest und die Redaktion ist da unerbittlich, so dass sich jeder in seiner Kammer zurück zieht, bis weißer Rauch aufsteigt und man seine Auswahl gefunden hat.
Nachstehend erhaltet ihr meine nicht repräsentative Auswahl für das Jahr 2022. Die Reihenfolge spiegelt dabei keine Rangfolge wider.
Various Artists – Swedish Radar Controll (Musik från Svea rikes mörkaste skogar)
Ein Sampler, dessen Idee beim Lagerfeuer und Bier im Rahmen eines Festivalbesuches entstand. Hier finden sich ausschließlich Demo- und rare, bisher unveröffentlichte Tracks von schwedischen Bands, die sich dem Minimal Wave oder nahen Genres verschrieben haben. Initiator Jörg Steinmeyer(Dr. Kernkrach) hat es treffend beschrieben: “12 rare Demosongs aus dem schwedischen Untergrund, 12x Wahnsinn! Analoge Maschinen treffen auf tanzwütige Roboter – das Universum wackelt und zappelt! Vielen Dank allen Beteiligten für dieses wunderbare Produkt! Hier schließt sich wieder einmal der internationale Freundeskreis.”
Auf dem Sampler finden sich wirklich fantastische Tracks, die fast immer sehr Tanzbar sind und einfach das Genre Minimal Wave eindrucksvoll vertreten. Nicht nur für das Review, mittlerweile ist “Swedish Radar Controll (Musik från Svea rikes mörkaste skogar)” auf meinem Plattenteller ein gern gesehener Gast. Jede Menge geile Beats per Minute aus dem Land der Wikinger und Köttbullar.
Höj volymen tills grannarna ringer polisen!
Taumel – Now we stay forever lost in Space
Taumel habe ich durch die Arbeit beim Vinylkeks kennen gelernt und bisher die gesamte Diskographie der Band besprechen dürfen. Dazu kommen zwei Interviews mit Sven Pollkötter und Jakob Diehl. So ist mir Taumel nicht nur durch den Vinylkeks enger gekommen, sondern ich zähle Taumel mittlerweile zu meinen persönlichen Favoriten.
Das Album zeichnet sich durch sehr in den Vordergrund gestellte langsame Tempi aus, die der körperlichen Aura einer schleppend dahin kriechenden Raupe entspricht. Diese körperliche, fast greifbare, lineare, Vorwärtsbewegung wird von einem Musiker-Quartett erschaffen.
Wie ein Tautropfen in der Morgenwiese, ist “Now we stay forever lost in Space”. Leitplanken bilden Utopie und Dystopie und ein symphonischer Anspruch vortäuschenden Minimalismus, der sich zeitweise durch eine Reihe von Genres zieht: Minimal, Ambient, Psychedelic, Jazz, Blues, Rock, Doom, Surealismus, Kraut, Instrumental, um mal ein par zu nennen.
Die Wilde Jagd – Atem
Eine Veröffentlichung, welche (leider) nicht im Vinylkeks aufgetaucht ist, aber mir schon im Januar aufgefallen ist. Die Kurzfassung des Albums ist: düster, romantische Klänge und bedrohliche Zukunftsmusik. Wie Recht Die Wilde Jagd damit haben sollte, kam schneller, als wir alle es uns vorstellen konnten. Die Wilde Jagd ist ein Projekt des Berliner Produzenten Sebastian Lee Philipp. Er lässt seine geisterhaften Klangteppiche über motorische Krautrock-Sequenzen schweben. Beat-Schleifen, bilden dabei Echos und Signaturen im Klang-Universum. Dabei kommt eine selbst entwickelte Konstruktion aus Holzorgelpfeifen zum Einsatz und gibt dem Album noch eine ganz eigenwillige klangliche Färbung.
Neben Sebastian Lee Philipp an den Synthesizern, sind die Cellistin Lih Qun Wong und der Schlagzeuger Ran Levari auf “Atem” vertreten.
Ein Album, was das ganze Jahr nicht langweilig wurde und zu dem ich immer wieder gerne greife.
Das waren meine Top 3, aber ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit ergreifen und auf ein paar besondere Erscheinungen (allesamt aus Deutschland) aufmerksam machen, die es in 2022 beim Vinyl-Keks zu lesen gab. Ich glaube, wir haben hier mehr geile Bands, als wir es manchmal vermuten oder wissen.
Atomspione – Gerade mal genug
Shockgnosis – Be God ::: Be Chaos
Cannibal Girls – Record01
Progomo – Heute schlägt der Bauer den König
Gong Wah – A Second
Toechter – Zephyr
Sounds of New Soma – Musique Bizarre
KLAUS K!NKS – KLAUS K!NKS
pADDELNoHNEkANU – Stetig Erfolglos
Kratzen – Zwei
Monoteur – Mutropia Chiamaera
pADDELNoHNEkANU – wir streiten aus ästhetischen Gründen nie
PERTRIX WERKE – MONOTON
Dekonstrukt -Mentally Trapped
Und auch da möchte ich betonen, dass dies längst nicht alle Bands waren, die mit tollen Veröffentlichungen uns das wirklich schwierige Jahr 2022, dass seit dem 24. Februar uns zeigt, wie schnell unsere Welt aus den Fugen geraten kann, ein wenig erträglicher gemacht haben.
Ich möchte mich ganz herzlich an dieser Stelle bei den treuen Leser:innen bedanken, ohne die unser Handeln und Tun sinnlos wäre. Wenn es euch gefällt, was wir tun – empfehlt uns weiter. Weiterhin ein großes Dankeschön an die Labels, die uns ihre Schätze anvertrauen. Dann ein massives Dankeschön an die tollen Bands, die uns mit ihrer fantastischen Musik vor der Langeweile retten, die sich ohne Musik schon nach wenigen Minuten breit machen würde. Und zu guter Letzt, ein fettes Dankeschön an jeden Krümel des Redaktionsteams des Vinyl-Keks, insbesondere an unsere Chef-Redakteure Anne und Stephan – ihr macht einen tollen Job.
Danke, dass ihr mich ertragt (1000 Worte…) – ich liebe euch.
Euer Lagartija Nick