Puh. Das wird kein gewöhnliches Review. Denn das ist keine gewöhnliche Platte. Vielleicht mag man das auf Anhieb nicht erkennen – was man aber auf den ersten Blick sagen kann, ist, dass alleine schon das Cover Artwork außergewöhnlich ist. Faszinierend, verstörend, geschmackvoll, detailliert und skurril, vielleicht auch etwas beängstigend. Und humorvoll. Wie gesagt, kein gewöhnliches Album… Dreht man die Platte um, erkennt man vielleicht einen alten Bekannten, den man hinter einem Melodic Metal Album definitiv nicht erwartet hätte: Fabio, der hinter Dahmn steckt (ein Wortspiel aus seinem Nachnahmen und einem comichaften DAMN!), dürfte man eher aus der Punkrock-/Oi!-Szene von Bands wie Roidige Hunde, Diva Cholerika, Ursus oder seinem Aushilfsjob bei den Bierdosenfreunden kennen. Jetzt hat er mal soeben das Genre gewechselt und für dieses, von ihm selbst auch als Therapy Metal bezeichnete Goldstück, alle Instrumente selbst eingespielt, gesungen, geschrien, produziert – und eben das beeindruckende Cover entworfen. Wie viel Talent passt in eine Person – und wie viel Schmerz und Wut. Ersteres definitiv wesentlich mehr, raus musste beides und daraus ist schließlich dieses eindrucksvolle Werk entstanden. Auf einem der umseitig abgebildeten Fotos ist ein Banner mit der Aufschrift “Fabio, halte durch!” zu sehen. Es ist schwierig für mich, an dieser Stelle die richtigen Worte zu finden, die diesem Album gerecht werden und gleichzeitig die Wucht und Zerbrechlichkeit, die sich dahinter verbergen, zu beschreiben.
In der Öffentlichkeit zeigte sich Fabio mit Caribio, einem Solo – Projekt aus 2018, dann ist es still um ihn geworden. Zu still, für jemanden wie ihn, aus dem die Musik nur so zu sprudeln scheint. Wenig später erfahre ich, was die Ursache für diese Stille war. 2019 erlitt Fabio ein Gewalttrauma. Stille.
Als er die Intensivstation verlassen hatte, spürte er Wut. Unendliche Wut. Die einzige Möglichkeit, dieser Wut etwas entgegenzubringen und eine Balance in sich zu erzeugen, sah er darin, harten Gitarrensound zu spielen. An ein Album dachte er da noch nicht, anfangs ging es ihm darum, das Chaos aus Riff-Ideen zu entwirren und einen Song daraus zu basteln. Schon da begann für ihn eine Art musikalische Selbsttherapie, er erzählt mir, dass er sich diesen Sound manchmal vor dem Einschlafen selbst vorgespielt hatte und danach oft so entspannt war, dass er dabei einschlief. Okay, es wird Metal. Gute Drummer? Alle schon einer Band verpflichtet. Und bevor ein Fabio Monate sucht, um den passenden Drummer zu finden, bringt er sich das mal eben autodidaktisch bei, mit einem weiteren, therapeutisch positiven Nebeneffekt: Schlagzeugspielen soll dabei helfen, die linke und die rechte Gehirnhälfte – die bei einem Trauma “auseinanderfallen” miteinander zu verbinden. Nach anfänglich ausbleibendem Erfolg und kurz vor der Resignation packte ihn der Ehrgeiz – Willkommen zurück, Fabio.
In dieser Zeit, in der er noch vollkommen zurückgezogen gelebt hatte, nutzte er all seine Ressourcen zwischen Traumatherapie und der Befriedigung von Grundbedürfnissen, bis er einfach der für sich selbst passendste Schlagzeuger wurde. Wer sich jetzt fragt, wann er noch die Muse gefunden hat, die anderen Instrumente zu erlernen – die beherrschte der Allrounder natürlich schon vorher. Natürlich…
Ende 2019 hat er dann im Studio angerufen und einen Termin für 2020 reserviert. 6 Songs sind es geworden, jeder anders, jeder extrem ehrlich, jeder unglaublich kraftvoll.
“I saw the light, I almost died… (…)” sind die ersten Worte, mit denen das Album startet. Innerhalb kürzester Zeit wird man von “My Earthcollapse” tief vergraben in wildem Gemetzel aus kraftvollen Drums, verzerrten Gitarren, und wütend schreiendem Gesang. Für mich jetzt schon unvorstellbar, dass alles, was hier zu hören ist, von nur einem Menschen erzeugt wurde. Und es überrascht nach diesem Opener auch nicht weiter, dass Fabio als musikalische Vorbilder für das Album Bands wie Sepultura angeführt hatte. In “Dissociation” fallen scheinbar nicht nur psychische Funktionen auseinander, sondern auch Instrumente, Stimme und Rhythmus – um dann kurz darauf im Refrain wieder ins Gleichgewicht zu finden- Tom Araya meets Peter Steele. “If I Die I Love You” ist eine Liebeserklärung in schönstem Metal-Balladen-Gewand mit eindrucksvollem Gitarrensolo und überraschendem Tempowechsel in der zweiten Hälfte, getragen durch die dynamisch verzerrte Gitarre, die wie ein roter Faden die Emotionen durch das gesamte Album zu fädeln scheint. In “Deathdeal Revenge” wird abgerechnet, “Crying,screaming,creeping (…)”, alles zeitgleich und noch viel mehr. Die Wut, die in diesem Song steckt, lässt einen erschaudern, man wird von ihr absorbiert und am Ende wieder ausgespuckt, ich bin verstört und aufgeputscht zugleich. “Born To Loose” ist ein catchy Song im Anthrax Style, überhaupt fühle ich mich im Laufe der Platte immer wieder an die Big Four erinnert. Die musikalische und textliche Arroganz und Leichtigkeit des Songs heben sich deutlich ab vom Rest des inhaltlich schwermütigeren Teils. Mit “P19 A” endet mit einem wunderschön harmonischen Instrumental-Song diese furiose Platte und holt einen wie ein Tranquilizer (mit kurzen Flashbacks) von diesem intensiven Trip wieder runter. Puh.
“Mit der Platte habe ich einen Ort gebaut, wo meine Gefühle existeren dürfen. Weil Verdrängung oder Ausleben nicht geklappt haben”.
Zu kaufen gibt es das Album direkt hier auf der Instagramseite von Dahmn (einfach per Private Nachricht bestellen) .
Wer mit seiner Unterstützung noch weitergehen will und dieses Spektakel als Teil der Band mit auf die Bühne bringen möchte, (…wenn es dann endlich wieder losgeht…), darf sich gerne ebenso bei Fabio auf Instagram melden!