Ich bin erstmal etwas irritiert, denn das Cover des bei Staatsakt herausgekommenen Albums, könnte aus einer chinesischen kommunistisch-agierenden Denkfabrik kommen. Naja gut, man hört, liest und sieht so viel, das in China kopiert wird. Wer denkt da nicht auch an das chinesische Dorf, welches der Schweiz nachempfunden ist. Oder den ein oder anderen Handyhersteller, der hier und da kopiert hat. Wie gesagt: Hörensagen.
In Zeiten, in denen Mussolinis Schüler*Innen in Italien regieren, die meisten Erstwähler*Innen in Deutschland die FDP wählen und ein Tesla-Mann Twitter kauft, braucht es einen mobilisierenden Schnellschuss, die eine europaweit zerstrittene Linke aus ihren Grabenkämpfen befreit. Viele reden, einer macht. Und er rotzt (im positiven Sinn) uns ein Album mit alten Arbeiterliedern hin und es klingt modern. Nähmen wir an, David Hasselhoff hat die Mauer mit seinem “Looking for freedom” eingerissen, dann könnte David J. Kirchner im Alleingang die Energiekrise in den Griff bekommen. David J. Kirchner liefert uns mit “IG POP” zwölf Gewerkschafts- und Arbeiter*Innen – Lieder, denen man beim ersten Durchgang erstmal anlasten würde, sie seien selbstironisch. Nein, nein. Sind sie nicht. David J. Kirchner bringt uns alte Lieder in einem neuen und keineswegs schlechten Gewand.
Befreiung, Ausbeutung, Solidarität und der Klassenkampf sind die Themen, die Arbeiter*Innen umgeben. “IG POP” ist eine moderne Arbeiter*Innen-Lieder-Ansammlung, mit unter anderem bekannten Klassikern, wie “Einheitsfrontlied”, “Internationale” oder “Die schlesischen Weber”. Bertolt Brecht, Heinrich Heine und Erich Weinert klangen noch nie so spannend und nach tanzbarer Neue Deutsche Welle 2.0.
Ein dickes Lob gilt auch Ozan Ata Canani, der in “Papierkramland” mit David J. Kirchner jegliche Klischees der deutschen Bürokratie bedient. Ozan, der bereits mit 14 auf türkischen Familienfeiern Lieder spielte, die er selber komponiert hatte, sang sowohl auf türkisch, als auch auf deutsch über die schlechten Arbeitsbedingungen der Gastarbeiter, die Sehnsucht nach der Heimat, aber auch Rassismus. Sein bekanntestes Stück “Deutsche Freunde” schrieb er mit 15 Jahren, es zählt zu den ersten Liedern, die von einem Sohn eines Gastarbeiters auf Deutsch gesungen wurden. Es ist eine Anlehnung an einen Satz des Schriftstellers Max Frisch: “Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es sind Menschen gekommen”. Kurze Zeit später wurde Canani in Fernsehbeiträgen porträtiert, aber ein Durchbruch gelang ihm bis dahin nicht. Sein Song “Deutsche Freunde” wurde 2013 auf dem Sampler “Songs of Gastarbeiter” aufgenommen, welcher beim Münchener Label Trikont erschien. 2021 wurden die wichtigsten Lieder seines Lebens auf seinem ersten Album “Warte mein Land, warte” neu eingespielt.
Das Album darf bei JPC, bei Staatsakt (Hanseplatte) und sonst (fast) überall, wo es Vinyl gibt, erworben werden.