-Gastbeitrag von Carl-
Hier sitze ich, nach 9 Jahren Ärzte-Abstinenz, und dann fällt den drei Herren ein, in einem Jahr zwei (!) Alben zu produzieren? Und dann soll ich dazu als Fanboy auch noch ein möglichst objektives Review verfassen? OKAY!
Das Vorgängeralbum der Die Ärzte (aus Berlin) HELL gefiel mir, anders als vielen Szenereviews, außerordentlich gut. Darum soll es jetzt aber nicht gehen, sondern um das am 24.09. veröffentlichte Nachfolgeralbum DUNKEL. Was mich außerordentlich erstaunt hat, dass DÄ mit HELL und DUNKEL zwei direkt verknüpfte Titel gewählt hat und das, ähnlich wie ein Titeltrack zum Album (DUNKEL), sehr ungewöhnlich ist.
Warum das hier allerdings sinnvoll ist und warum die 2 sich perfekt ergänzen, dazu kommen wir jetzt.
DUNKEL kommt in einem schwarzen Karton (recycelt und umweltbewusst!) daher. Darin enthalten ist die Doppelvinyl mit einem, wie bereits bei HELL verwendeten, fotobuchähnlichem Innenleben gespickt mit Bandfotos, Songtexten und kleinen Gimmicks. Das Cover wirkt hochwertig und macht mit seinem Spiel aus Schwarz und lila echt was her. Daneben steckt eine weitere Pappschachtel, darin enthalten die mitgelieferte Girlande. Wenn man diese nun entnimmt und sich die Außenverpackung genau ansieht, merkt man schnell, dass vorne HELL und hinten DUNKEL aufgedruckt wurde. So bekommt jetzt also die Vinylversion von HELL, die der aufmerksame Sammler natürlich besitzt, auch seinen Platz in dem Karton. Super mitgedacht und ein echter Eye-Catcher. Nun aber zur Musik:
DUNKEL beinhaltet genau die Songs die man sich unter dem Titel vorstellt. Während man bei HELL noch auf neue Klänge und Experimente gesetzt hat, kommt DUNKEL wuchtiger und, man möchte fast sagen minimalistischer um die Ecke. Bereits mit dem Intro KFM (Karnickel-Fick-Musik) pusten DÄ ein fettes Brett durch die Boxen, natürlich mit einer Portion typischem Ärzte-Humor. Textlich hat man sich dieses Mal ernsteren Themen zugewandt: toxische Männlichkeit, Querdenker, häusliche Gewalt und natürlich bekommen auch Faschisten ihr Fett weg. Der typische Hit-Garant wie auf den letzten Platten fehlt für mich auf diesem Album, was aber nicht schlimm ist – im Gegenteil.
Viele Stücke hinterlassen kein gutes Gefühl, so z.B. das Stück KRAFT. Musikalisch mit fetten Drums und Bass unterlegt, erzählt uns Herr Urlaub, dass die Worte, die wir von uns geben, immer Bedeutung und Auswirkungen haben. So wird erwähnt, dass die nette Kollegin, die wir mit unseren Worten aus dem Job ekeln, sich als Akt der Verzweiflung vor eine U-Bahn wirft. Ganz ohne Augenzwinkern oder nette Pointe am Ende. Der sitzt.
Oder etwa das Lied EINSCHLAG, welches uns aus einer Art Täter-Perspektive erzählt, wie ein Mann seine Frau/Freundin in den Tod prügelt und sich anschließend fragt, wie es dazu kommen konnte, wie und ob er weitermachen soll und wie wohl die persönlichen Konsequenzen dafür ausfallen. Ein schwieriges Thema aus einer schwierigen Perspektive, was einem aber nicht sauer aufstößt, da auch auf eventuelle Missstände in unserem Justizsystem hingewiesen wird (Zitat: „Mein Anwalt sagt, er holt mich hier raus. Doch will ich das? Wie halte ich das aus?).
Ein weiterer Titel, den ich hier noch besonders hervorheben möchte, ist OUR BASS PLAYER HATES THIS SONG (welcher im Übrigen genau deswegen so heißt). Ein Lied, welches dem Album einen perfekten Abschluss bereitet. Nachdem uns im ersten Teil eine Akustik-Gitarre und ein zarter Gesang die Geschichte der Demokratie in Löwenzahn-Manier erklären, sorgen im zweiten Teil des Liedes fette Gitarren, ein unbequemer Text und der Aufruf sein Kreuz gegen Hakenkreuze zu setzen dafür, dass man dieses Lied nicht mehr vergisst.
Andere Titel von dem Album, die ich meinem besten Freund empfehlen würde sind z.B. DUNKEL, DOOF, TRISTESSE, ANNASTASIA und ERHABEN.
Des Weiteren muss erwähnt werden, dass in die Produktion wieder unfassbar viel Liebe eingeflossen ist. So hört man beispielsweise im Intro zu KFM das Outro zu Hell, vor KRAFT verschiedene bekannte Synchronsprecherstimmen, die einen Plausch halten oder vor OUR BASS PLAYER HATES THIS SONG den berühmten Satz „klingt komisch, is aber so“.
Fazit:
DUNKEL ist ein starkes Album, welches sich mit dem 24.09. (2 Tage vor der Bundeswahl) das perfekte Datum ausgesucht hat, um auf die Menschheit losgelassen zu werden. War HELL noch das kleine verspielte Kind, so ist DUNKEL der düstere, punkige, unangenehme, politisch engagierte große Bruder, der dir bei allem die ungefragte Meinung geigt. Trotzdem oder genau deswegen ergänzen die zwei sich so gut. DUNKEL hat viele Höhen, braucht allerdings seine Zeit, um sich komplett zu entfalten.
P.S.: Musik ist älter als Kapitalismus!
Interpret | Keine Daten vorhanden |
Titel | Keine Daten vorhanden |
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Label: | Keine Daten vorhanden |