Die Cigaretten aus Hamburg sind mit ihrem dritten Longplayer “Eliot” zurück. Cybergrunge sei das, wie der Promozettel gleich mehrfach betont. Hm, klingt zunächst mal abtörnend, mindestens aber widersprüchlich, war und ist Grunge doch eine durch und durch urwüchsige und wuchtige Spielart analoger Gitarrenmusik. Cyber dagegen, das klingt in meinen Ohren nach Plastik, nach digital, nach abgehoben, nach allem eben, was Grunge nicht ist. Zugegeben, ich war aber auch noch nie großer Science-Fiction-Fan.
Bei den Kolleg*Innen eines namhaften Fanzines werden Die Cigaretten gar als die deutschen Nirvana bezeichnet. Nirvana auf Deutsch? Auch nicht unbedingt das, was man haben muss. Die Zeichen für Die Cigaretten stehen also zunächst mal denkbar ungünstig, zumindest aber könnte ich der falsche Hörer sein. Was allerdings für “Eliot” spricht: das Album ist wie bereits das Debüt “Vibe Ride” auf dem supi-dupi Label La Pochette Surprise erschienen. Das allein könnte die genannten Bedenken aus dem Weg schaffen, auch wenn letztlich natürlich die Musik und nicht das Label die Richtung des Daumens prägen sollte. Dann mal los.
Ich muss mich hier erst mal orientieren, denn die Labels der schicken lila-splattered Platte geben leider keinerlei Aufschluss darüber, wo das hier anfangen könnte. Grunge halt, schon immer etwas geheimniskrämerisch gewesen. Schnell stellt sich heraus, dass ich mit der B-Seite starte. Macht aber nichts, denn wie später klar werden wird: “Eliot” macht über die komplette Spieldauer hinweg keinerlei qualitative Abstriche. Das sind 14 durchweg gute bis sehr gute Songs, Die Cigaretten haben es nicht nötig, irgendwelches nicht vorhandene B-Material zu verstecken und die Kaufempfehlung könnt ihr euch jetzt schon denken.
Ganz besonders gut gefällt mir auf der zweiten, hier ersten Seite “Massage”. Seinem Titel gemäß knetet einen der Song in bester Helmet-Manier ordentlich durch und ist gleichzeitig einer von mehreren Beweisen dafür, dass Die Cigaretten nicht zwingenderweise nach Seattle auswandern würden, sollten sie denn je mit dem Gedanken spielen. Ja, in Sound und Songwriting wird über die gesamte Länge schon klar, dass das Trio auch knapp 30 Jahre nach dem jähen und tragischen Ende Nirvanas zu den großen Verehrern dieser sagenumwobenen Band gehört. Da schimmern aber auch noch deutlich mehr Vorlieben durch und Die Cigaretten als Nirvana-Coverband zu deklarieren, wäre falsch.
Kurzer Switch auf Seite A. “Rapstar” ist zwar ein Rocksong, klopft aber auch ein bisschen an die Tür derer, die deutschsprachiger Rockmusik einen ordentlichen Batzen Popappeal und Radiotauglichkeit anhaften. Kraftklub, zum Beispiel. Da könnte man jetzt zwar die Nase rümpfen, und der/die ein oder andere wird das genau jetzt auch machen. Die Cigaretten aber schaffen es, dem Song den anbiedernden Zahn zu ziehen und eine ehrliche Nummer daraus zu machen, die eben trotzdem dem Mainstream gefallen wird. Hach, war das bei Nirvana nicht auch in etwa so?
Eine weitere ganz große Band, der dieses Kunststück bis heute eigentlich immer gelungen ist, ist Dinosaur Jr.. Nicht nur wegen dem Stil des Artworks muss ich an die Indiegötter denken. Nein, auch musikalisch sind diese auf “Eliot” präsent. Sonic Youth, dank der zeitweisen Verschrobenheit auch. Macht aber auch irgendwie Sinn, oder? Und die Pixies sind dabei, z.B. im tollen Song “Safe”. Und bevor wir uns dann doch etwas zu tief in den Sessel lehnen, klatschen uns Die Cigaretten mit “Golden Hour” mal kurz einen mit der destruktiven Kraft von Alice In Chains vor den Latz.
So. Und das alles dann auf Deutsch. Nun, wie finden wir das? ich muss sagen, war ich im Vorfeld doch etwas skeptisch, so bin ich im Nachgang doch sehr positiv überrascht und angetan vom Konzept der Band. Das funktioniert supergut und macht es mir tatsächlich auch wesentlich leichter, auch den Humor der Cigaretten erkennen zu können. “Sie ist so sauer wie ein Centershock”, heißt es da in “Centershock”. Hach, was für ein herrlicher Vergleich. Herrlich wie “Eliot” eben so ist.
Kaufempfehlung ging bereits raus, live sicherlich auch ein tolles Erlebnis. Haltet unbedingt mal Ausschau nach den durchaus umtriebigen Cigaretten. Platte gibt’s u.A. bei JPC