Alter Wein in neuen Schläuchen oder aber: Was vor knapp 40 Jahren gut war, ist heute nicht schlechter. Heute geht es nämlich Mal nicht um eine Neuentdeckung oder ein lange erwartetes frisches Release – nein, es geht um das zweite Album der DISSIDENTEN. Das zweite von, wenn ich es Recht weiß, an die 30(!!) Alben. Dieses trägt den Titel “Sahara Elektrik” und wurde Ende 2022 von Indigo/Exil re-released. “DISSIDENTEN?!” Fragt ihr euch jetzt unter Umständen – “Noch nie gehört!” Mag sein, wie gesagt, das Album ist knappe 40 Jahre alt, da war selbst ich noch flüssig – Aber: Man lernt ja nie aus und das ganze Leben dazu.
Für alle die die Band nicht kennen, lässt das Cover schon vermuten, es könnte sich um etwas orientalisch angehauchtes handeln. Stimmt. Dissidenten entstanden als die Jazz-Krautrocker Embryo durch Indien, den mittleren Osten und Nordafrika tourten und sich dort mit ansässigen Musiker*innen zusammen taten. Im Falle von “Sahara Elektrik” vor allem mit den marokkanischen Musiker von Lem Chaheb.
Was man also bekommt ist Deutsch-orientalische-kraut-Weltmusik. Kraut allein schon wegen der Songlängen die sich zwischen knappen fünf und knappen zwölf Minuten bewegen. Dazu gehört aber gesagt, es gibt Musik, da kann man sowas ohne Probleme machen und es gibt Musik, da geht sowas gar nicht. Hier ist ersteres der Fall.
Hypnotische Orientelemente lassen einen wie im Fiebertraum durch die Wüste torkeln, auf der Suche nach einer Oase an der man endlich die Aquamaler auffüllen kann um dann psychedelische Formen auf Papier oder in den Sand zu malen. Irgendwo zwischen Embryo, Can und Altin Gün gleite ich mit DISSIDENTEN im Rhythmus der Wanderdünen durch ein faszinierendes Hörerlebnis. Wichtig: Stellt euch ne Flasche Wasser dahin wo ihr das Album hört, nicht, dass ihr mir in der Wüste noch verdurstet!
Der zweite Song der Platte “Fata Morgana” hat schon Tanzflächenpotential – wenn auch eventuell nicht unbedingt im aktuell angesagtesten Elektro-Club der Stadt. Ich finde, “Saraha Elektrik” von DISSIDENTEN ist ein wunderbares Album, gerade, wenn man sich auch mal die Weltmusik-Ecke anhören möchte. Leider verstehe ich nicht was gesundgen wird, ist aber halb so wild, weil ich mich eh lieber von den Stimmen durch den Sand tragen lasse. Quasi eine auditive Reise durch Nordafrika. Sollte man alleine schon deswegen machen, weil man die eigene Komfortzone dazu nicht verlassen muss.
Die Platte kommt im dicken orientalisch angehauchten Gatefold, mit haufenweise Studiofotos der Musiker*innen zum gucken, während man hört. Platte auch dick und schwarz – reicht völlig. Es soll ja mehr um das gehen was drauf ist als um das, was drum rum ist. Anyway, kaufen kann man das Teil z.B. HIER.
Als persönliche Ansmerkung möchte ich noch hinzufügen, das ich den Bandnamen DISSIDENTEN sehr passend gewählt auch und gerade in der aktuellen Zeit wichtig finde. Denn der Begriff Dissidenten wird hauptsächlich als Bezeichnung für Oppositionelle in Diktaturen und totalitären Staaten verwendet – also auch jetzt wieder/noch am Zahn der Zeit.