Der richtige Kernkrach-Nerd hat es längst gecheckt, mit En Suite Cabinet und dem gleich betitelten Album „En Suite Cabinet“ schließt sich der Kreis. Im Interview mit dem Kernkrach-Imperator Jörg Steinmeyer (Musiker, DJ, Label-Chef und Plattenladenbesitzer) im März dieses Jahres war die erste Frage nach dem Vinyl, das aktuell auf seinem Plattenspieler läuft. Es war die Testpressung der nun vorliegenden Platte. Nun ist es soweit und En Suite Cabinet haben das Album offiziell auf Hertz-Schrittmacher veröffentlicht. Hertz-Schrittmacher ist ein Sub-Label im großen Kernkrach-Imperium mit Fokus auf Elektro-Beats der 90er bis jetzt. Das Duo besteht aus Any Leave und Second Planet. Den Gesang übernimmt meist Second Planet, der klanglich so in das Beuteschema der 80er passt, aber auch an den Sänger von Hurts erinnert.
Vom ersten Song „Wait a Sec“ an beginnt eine Reise über in Summe zehn Songs, bei denen natürlich Stimme, Synthies und Beat im Vordergrund stehen. Oft wird der Gesang tempomäßig so weit runter gefahren, dass man schon von spoken words sprechen kann. In jedem Fall begeistern diese minimalistischen Meldodien, die ebenso einfach wie eingängig das Gerüst eines jeden Songs bilden. „Spirit“ ist ein sehr gutes Beispiel dafür. Beide Stimmen im Wechsel werden durch die Synthiemelodie und den Beat zusammengehalten. Daraus wird ein wunderschöner Song mit absoluten Ohrwurm-Qualitäten. Aber schaut euch selber mal das wunderschöne Video an. Herrlich gewebte Synthieteppiche im Mittelteil erinnern an die guten alten Depeche Mode oder Visage.
Auch im weiteren Verlauf des Albums wird nicht von dieser Erfolgsformel abgewichen, ohne aber auch nur eine Sekunde langweilig zu werden. Geschickt wird mit dem Tempo gespielt, mal angezogen, dann wieder entspannt gechillt. Das sorgt für Spannung beim Zuhörer, der auch gebannt verfolgt, wie die beiden Stimme neben den Synthies mal eine Wärme verbreiten und dann wieder in diesen neon-kalten, unterkühlten Sound wechseln. Die Band Propaganda hatte manchmal einen ähnlich Klang, allerdings nicht so minimalistisch, sondern eher technisch aufgeblasen. Ansonsten werde ich an viele gute Bekannte von früher erinnert – Alphaville, Camouflage, Yazoo, Soft Cell, aber auch mal was aus der Italo-Disco wie P.Lion. En Suite Cabinet machen das trotz allem zu ihrem eigenen Ding, da sie die Songs nicht unnötig aufblasen, sondern lieber im Nebel lassen und sich ein wenig zurücknehmen. Einen Song möchte ich euch noch exemplarisch ans Herz legen – „When Years go by“, der Opener der B-Seite. Der Song beginnt mit spoken words von Any Leave in fast lasziver Stimmlage, herrlich umrahmt von Synthieakzenten und -kollagen. Das Tempo ist maximal ein Midtempo und schafft es trotzdem, einen gewissen Drang zum Tanzen zu erzeugen. Daneben gibt es immer mal wieder eingespielte Effekte vom Synthie, während der Simple Beat und Rhythmus den ganzen Song über nicht wechselt. Macht euch im folgenden Video mal selbst ein Bild davon. Übrigens wieder in dieser stylischen Schwarz-Weiß-Optik.
Am Ende fällt das Fazit positiv aus und ich kann das Album nur empfehlen. Auf dem Sektor erwarte ich so schnell kein Album, was mich so begeistern wird. Das Duo macht alles richtig und zeigt, dass ein perfekter Song, eine perfekte Melodie, keine Note zu viel hat. Ansonsten geht das Album über die Spiellänge in die Beine und erinnert natürlich stark an die 80er Jahre, hat aber durchaus einen eigenen Charakter und technischen Ansatz im Hier und Jetzt.
Das Album ist limitiert und wird in verschiedenen Versionen, was Album- und Vinylfarbe angeht, vertrieben. Aber auch haptisch ist das Album erste Sahne, das matte Gold des Covers ist deutlich im Gegensatz zum schwarzen Hintergrund abgesetzt. Wer das Album sein Eigen nennen möchte, sollte schnell hier zuschlagen, da die Sachen von Jörg meist schnell ausverkauft sind.