Heute haben wir bei “Frauen im Musikbusiness” eine ganz besondere Frau am Start, deren Musik mich schon in meiner frühen Jugend auf emotionale Art und Weise tief berührt hat: Poetin, Songwriterin, Pianistin und Elekto-Musikerin Anne Clark! Was sie zu sagen hat, lest ihr hier im Interview.
Schaut auch noch einmal beim Beitrag von letzter Woche mit Jenna von Mobina Galore rein. Und auch in den kommenden Wochen erwarten euch zur Vetreibung der Langeweile im Teil-Lockdown an dieser Stelle noch ein paar spannende Interviews. Lasst euch die Zeit nicht zu lang werden und bleibt gesund! Das Original-Interview mit Anne Clark in englischer Sprache findet ihr unten.
Hey Anne, toll, dieses Interview mit dir zu führen! Du bist eine der bekanntesten Frauen in Post Punk / New Wave / Dark Wave in Großbritannien. Wie kamst du zu der Entscheidung Musik zu machen?
Ich weiß nicht, ob ich jemals mit Musik “angefangen” habe. Ich glaube, es begann mit mir, in einem sehr frühen Alter. Es war schon immer ein wesentlicher Teil meines Lebens so lange ich denken kann. Ich kam vom Klavierunterricht zum Geigenspielen (eher schlecht!) im Schulorchester zur Gitarre und Bratsche…. Ein deutlicher Mangel an irgendetwas machte mich allerdings zu ungeduldig, um stundenlang und stundenlang und stundenlang zu üben – was natürlich erforderlich ist, um ein Instrument richtig zu erlernen. Wie auch immer, mein Geist und mein Körper waren voller musikalischer Ideen, die herauskommen mussten und ich hatte das Glück zu der Zeit und an dem Ort zu leben, wo Punk Rock irgendwie begonnen hat. Das gab mir die Gelegenheit diese Ideen auch zu verwirklichen, sowie andere, viel kompetentere Musiker zu treffen und Ideen austauschen und zu gestalten!
Was sind deiner Meinung nach die Gründe dafür, dass immer noch mehr Männer als Frauen auf der Bühne stehen?
Es ist immer noch eine Männerwelt, nicht wahr? Natürlich hat es einige große Veränderungen gegeben, aber wie in allen Bereichen und Branchen stehen die Männer im Allgemeinen immer noch an den Reglern. Ich glaube, die interessantesten Künstler, Frauen und Männer, agieren meist am Rande. Sie gehen Risiken ein und schaffen Werke, die das Mainstream-Musikgeschäft nicht versteht oder von denen es nichts wissen will.
Hast du aufgrund deines Geschlechts schon einmal negative Erfahrungen bei Konzerten gemacht, bist nicht ernst genommen worden oder hattest mit sexistischen Übergriffen zu tun? Hat es sich in der letzten Jahrzehnten geändert?
Ich glaube das war und ist wahrscheinlich immer noch Teil des Lebens. Ich habe zunächst wahrscheinlich noch nicht einmal bestimmte Dinge als “sexistisch” erkannt. Erst mit der Zeit und mit den Erfahrungen, dass bestimmte Kommentare und Verhaltensweisen das sind, was sie sind und waren. Ich denke, dass es für Frauen unabhängig von ihrer Arbeit dasselbe ist. Dort waren sicherlich einige Hindernisse, weil ich eine Frau bin, und nicht die Art von Frau, die sich für das “Game” der Musikbranche interessierte oder passen könnte, selbst wenn ich es wollte, was ich nicht tat. Glücklicherweise konnte ich die Musiker und Mitarbeiter (meistens!) sorgfältig auswählen und ich hoffe, ich arbeite in einem Umfeld des gegenseitigen Respekts.
Wie hat sich deiner Meinung nach die Position der Frauen im Musikbusiness in den letzten 10 Jahren verändert? Hast du in deiner eigenen Arbeit eine Art “Turning Point” erlebt?
In den letzten 10 Jahren? Das ist schwer zu sagen. Ich weiß nicht, ob ich meine Erfahrungen in einen Zeitrahmen als solchen einordnen kann.
Seien wir ehrlich: Corona trifft uns im Event-Business bis ins Mark – was glaubst du, was nach 2020/2021 in der Veranstaltungs-Branche passieren wird?
In der Tat. Corona und meine Gesundheit haben meine Karriere in diesem Jahr ruiniert. Corona hat für alle so viel zerstört. Aber als ständige Beobachterin und Schriftstellerin finde ich es eine faszinierende Zeit. Der Wandel wird uns Menschen aufgezwungen. Nur so können sich die Dinge ändern, im Guten wie im Schlechten. Ich hoffe, dass sich daraus eine Art positiver “neuer Weg” ergibt. Wahrscheinlich nicht, denn die menschliche Natur hat meist nicht die Veranlagung, anders/positiv zu leben. Es wird also aller Wahrscheinlichkeit nach katastrophal sein. Wie in den meisten Situationen werden die Mächtigen und Reichen an die Oberfläche zurückkriechen und das zurückfordern, was übrig geblieben ist. Wer weiß, was danach kommt?
Bezeichnest du dich selbst als Feministin und wenn ja, was bedeutet das für dich?
Wenn es bedeutet, Respekt und Gleichberechtigung dafür zu fordern, wer ich bin und was ich tue, und für alle Mädchen/Frauen, dann ja, ich würde mich selbst als Feministin bezeichnen.
Was hälst du von “girls only”-Veranstaltungen wie Jam-Sessions?
Um ehrlich zu sein bin ich im Allgemeinen nicht für Dinge, die Menschen ausgrenzen. Ich denke, meine Antwort auf deine letzte Frage würde erklären, warum. Es ist natürlich nichts Falsches daran, wenn zum Beispiel “Girls” Veranstaltungen wie Jam-Sessions nur für sich machen. Ich verstehe, dass allzu oft Mädchen/Frauen das Gefühl vermittelt wird, unzulänglich oder unsicher zu sein in Bezug auf das, was sie tun nach außen hin in der Welt, aber sie schließen dann aktiv jeden auf der Grundlage ihres Geschlechts aus und das ist meines Erachtens eine etwas aggressive Position. Noch einmal, es geht um Respekt und wenn sich eine bestimmte Gruppe von Mädchen oder Frauen mehr in einer ausschließlich weiblichen Umgebung wohlfühlt und das in einer respektvollen Weise geschieht, dann verstehe ich das.
Deine Musik in der Kategorie “Spoken Word” ist etwas Besonderes. Hattest du in diesem Bereich viele männliche Mitstreiter? Hast du Unterschiede gespürt?
Nun, damals in den späten 70er und frühen 80er Jahren (und natürlich viele Jahre davor, mit der Beat-Generation) gab es viele männliche Dichter, die mit Musik arbeiteten. Meine Hauptinspiration zu dieser Zeit war jedoch Patti Smith und ihre einzigartige Art, Poesie und Musik zu verbinden. Ihr Titel “Piss Factory” war umwerfend!
Gibt es weitere Projekte speziell für Frauen im Musikbusiness, die du unseren Leser*innen empfehlen möchtest?
Meinst du andere Künstlerinnen? Auch hier stehe ich nicht so sehr auf die Kategorien “speziell für…”. Musik und Kunst im Allgemeinen sollte für alle sein.
Wenn du von Künstlerinnen sprichst, die ich derzeit interessant und inspirierend finde…. In der klassischen Welt gibt es die Pianistin Isata Kanneh-Mason. In der Tat sind sie und ihre ganze Familie eine totale Inspiration. Eine neue Generation schwarzer klassischer Musiker, deren Talente und Interpretationen ein ganz neues Publikum an die klassische Musik heranführen und andere, nicht nur junge schwarze Mädchen und Jungen, sondern alle, die sich ausgeschlossen fühlten, inspirieren, in eine Welt einzutreten, die so lange so ausschließlich männlich, blass und abgestanden war. Andere Künstlerinnen, die ich im Moment besonders mag, sind: Anne Müller und Areni Agbabian. Ich liebe die Projekte von Christina Pluhar. Aus der Ukraine gibt es eine atemberaubende Band namens DakhaBrakha. Ich empfehle allen dringend: Sieh sie dir an! 😉
Hast du eine Botschaft für unsere Leser*innen, die du hier noch mitteilen möchten, oder etwas anderes, das du gern noch beantwortet hättest?
Stay safe! Stay strong! Stay kind!
Danke dir für das Interview, liebe Anne, und viel Kraft für die Zukunft!
*English Original Interview*
Hey Anne, great to have this interview with you! You are one of the famoust women in Post Punk / New Wave / Dark Wave in UK. What was your decision to start with music? Did you play in other projects before? Maybe you can tell us about your very first concert experience and your feelings about it.
I don’t know if I ever “started” with music. I think it started with me, at a very early age. It has always been an intrinsic and essential part of my life for as long as I can remember. I went from piano lessons to playing violin (rather badly!) in the school orchestra to guitar, viola….A distinct lack of something made me too impatient to spend hours and hours and hours practicing – which is of course what is required to learn an instrument properly. However, my mind and body were full of musical ideas that needed to come out, so, I was very lucky to have been living in the time and place where Punk Rock kind of started. It gave me the opportunity to let those ideas go wild, as well as the opportunity to meet other, much more competent musicians and exchange ideas and create!
What do you think are the reasons why there are still more men than women on stage?
It’s still a man’s world, isn’t it? There have been some huge changes of course, but like all sectors and industries, men are still generally at the controls. I think the most interesting artists, women and men, are mostly on the fringes, the edges. Taking risks and creating work that the mainstream music business doesn’t understand or want to know about.
Have you ever had a negative experience at concerts because of your sex, were not taken seriously or had to deal with sexist assault? Did it changed in the last decades?
I think that was, and probably still is, part of life. I probably never even acknowledged certain things as “sexist” at first. It’s only over time and with experience that you begin to see certain comments and behaviour for what they are/were. I think it is the same for women whatever work they do. There were certainly some obstacles because I’m a woman, and not the kind of woman who was interested in playing the music business “game”, or could fit into it, even if I wanted to, which I didn’t. Fortunately, as far as musicians and collaborators are concerned, I have been able to (mostly!) choose them carefully and I hope, work in an environment of mutual respect.
How do you think the position of women in the music business has changed in the last 10 years? Have you experienced a kind of “turning point” in your own work?
In the last 10 years? That’s difficult to say. I don’t know if I could put my experience in a time frame as such.
Let’s be honest: Corona hits us to the core in the event business – what do you think will happen to the event business domain after 2020/2021?
Indeed. Corona and my health have wrecked my career this year. Corona has destroyed so much for everybody. As a constant observer and writer though, I find it a fascinating time. Change is being forced upon us human beings. It’s the only way things do change, for good and bad. I am hoping some kind of positive “new way” will come out of it. Probably not, as human nature mostly doesn’t have the wiring to live differently/positively. So it will in all likelihood be catastrophic. As in most situations, the powerful and wealthy will scrabble back to the surface and reclaim what’s left. After that, who knows?
Let’s be honest: Corona hits us to the core in the event business – what do you think will happen to the event business domain after 2020/2021?
Indeed. Corona and my health have wrecked my career this year. Corona has destroyed so much for everybody. As a constant observer and writer though, I find it a fascinating time. Change is being forced upon us human beings. It’s the only way things do change, for good and bad. I am hoping some kind of positive “new way” will come out of it. Probably not, as human nature mostly doesn’t have the wiring to live differently/positively. So it will in all likelihood be catastrophic. As in most situations, the powerful and wealthy will scrabble back to the surface and reclaim what’s left. After that, who knows?
Do you describe yourself as feminist and if so, what does that mean to you?
If it means demanding respect and equality for who I am and what I do, and for all girls/women, then yes, I would describe myself as a feminist.
What do you think about “girls only” events like jam sessions?
To be honest, I am generally not in favour of most things that exclude people. I think my answer to your last question would explain why. Of course there is nothing wrong in having “girls” jamming events for example. I understand that all too often, girls/women are made to feel inadequate or insecure with what they do externally out in the world, but to actively exclude anyone on the basis of their gender is a somewhat aggressive position I think. Once again, it’s all about respect and if a certain group of girls or women feel more comfortable in a female-only environment and it is handled in a respectful way, I understand that.
Your music in the category namely “Spoken Word” is something special. Did you have a lot of male colleagues in this domain? Did you feel differences?
Well, back in the very late 70’s and early 80s (and of course many years before that, with the Beat generation) there were a lot of male poets workingwith music. However, my main inspiration at the time was Patti Smith and her unique way of combining poetry and music. Her track Piss Factory was mind-blowing!
Are there any other projects especially for women in the music business that you would like to recommend to our readers?
Do you mean other female artists? Again, I am not so much into the “especially for…” categories, segregating. Music and art in general should be for everyone. If you’re talking about female artists who I currently find interesting and inspiring…. In the classical world there is the pianist Isata Kanneh-Mason. In fact her and her whole family are a total inspiration. A new generation of black classical musicians whose talents and interpretations are introducing a whole new audience to classical music and inspiring other, not just young black girls and boys, but anyone who has felt excluded, to enter into a world that has been so exclusively male, pale and stale for so long. Other female artists I particularly like at the moment are: Anne Müller and Areni Agbabian. I love Christina Pluhar’s projects. From Ukraine there is a breathtaking band called DakhaBrakha. I strongly recommend everyone check them out! 😉
Do you have a message for our readers that you would like to share here or something else that you would like to answer?
Stay safe! Stay strong! Stay kind!
Thx Anne Clark!