Erst kürzlich veröffentlichten DEUTSCHE LAICHEN ihre neue EP “Team Scheiße”, heute sind die queerfeministischen DIY-Punx bei “Frauen im Musikbusiness” im Interview. Sollte euch die letzte Woche durch die Lappen gegangen sein, findet ihr hier noch einmal das äußerst lesenswerte Interview mit Laura von Against Me!. Weiter gehts nun erst einmal mit klaren Worten und wenig Schnörkeln:
Halli Hallo, danke euch für die Bereitschaft zum Interview in unserer Reihe. Bevor wir ans Eingemachte gehen: Wie seid ihr auf den grandiosen Bandnamen DEUTSCHE LAICHEN gekommen und wie habt ihr euch eigentlich gegründet? Gab es vorher andere Bands, in denen ihr gespielt habt? Und wie war euer allererstes Konzert mit DEUTSCHE LAICHEN? Könnt ihr euch daran erinnern?
Der Name war eine Schnapsidee und alle von uns waren schon vorher in Musikkontexten verwickelt. Unser erstes Konzert wurde schon kurz nach Gründung von Friends geplant, als wir noch nicht mal wirklich was spielen konnten. Wir waren dann in kürzester Zeit gezwungen uns Songs auszudenken. Wir waren furchtbar aufgeregt aber hatten Bock.
Engagiert ihr euch neben der Musik noch in anderen Projekten o.ä., die ihr hier gern erwähnen wollt?
Wir alle probieren politisch involviert zu sein. Das macht jede:r von uns anders. Projekte oder Gruppenzusammenhänge, die man hervorheben könnte, sind zurzeit auf jeden Fall die migrantischen Selbstorganisationen – hier wird auf einem sehr starken Niveau argumentiert ohne auszugrenzen. Die Bewegung ist jung und kompromisslos. Das ist schon sehr besonders in dieser ewig stagnierenden Szene. Wenn man also selbst nicht aktiv werden kann, aus irgendwelchen Gründen, sollte man diese Gruppen supporten.
Gleich Butter bei die Fische: Was denkt ihr sind die Gründe dafür, dass auf den meisten Punkrock-Bühnen immer noch mehr Männer als Frauen* stehen? Wie kann man das ändern?
Steile These von uns: FLINT und BIPoC fühlen sich nicht wohl in der Szene und haben deswegen auch keinen Bock – völlig zu Recht. Was das zeigt ist, dass konsequente und radikale Formen von beispielsweise Anti-Sexismus und Anti-Rassismus, die es bräuchte, um sich mit den Problemen auseinanderzusetzen, kein gemeinsamer Konsens in der Musikszene sind. Politische Inhalte werden von vielen nur bis zu einer Grenze getragen, die einen selbst nicht aus der Komfortzone zwingt. Um das zu ändern, kann man vieles machen. Vielleicht sich erstmal die Frage stellen, wer mehr gehört werden muss und wer einfach auch mal eben einen Schritt zurück stehen sollte, um Platz zu machen. Solidarität und Rücksichtnahme: Das wäre doch mal Punk.
In einem Interview beim Missy Magazine habt ihr mal gesagt “Wir bekommen Anfragen, in denen steht, dass Leute ein All-Male-Line-up gebucht haben und ob wir nicht auch Lust hätten, zu spielen. Muschi-Quotenanfragen, die wir prinzipiell absagen.” Nachvollziehbar, aber ist das immer noch so? Und unterstützt man mit dieser Haltung nicht gerade auch, dass ein All-Male-Line-up auch ein solches bleibt?
Als explizite Quotenband eingeladen zu werden bedeutet auch, dass man nur erlaubt bekommt mitzuspielen. Wir wollen lieber ein Spielfeld, das sich alle gemeinsam solidarisch teilen. Das stumpfe Erfüllen von Quoten bringt unserer Meinung nach nichts, wenn die Auseinandersetzung damit fehlt, warum z.B. FLINT oder BIPoC keinen Bock auf die Szene haben.
Die Punx, die All-male-white-line-ups nicht kritisch betrachten, können sich also weiter auch ohne uns mit den ewig gleichen Inhalten und Perspektiven beschäftigen, in ihrer Punknostalgie verharren und so tun, als wären sie eine Gegenbewegung zur verhassten Normalgesellschaft. Sind sie aber nicht. Denn die Punkszene – mit wenigen Ausnahmen von Bands, Läden und Einzelpersonen – vertritt kaum politische Statements mehr. Das nicht zu verstehen geht nur, wenn man aktiv wegschaut – und das ist nicht Punk, denn DIY lebt vom solidarischen Mitmachen und nicht vom unkritischen Konsumieren starrer Strukturen.
Um auf die Frage zurückzukommen: wir unterstützen mit unserer Haltung also nicht, dass Line-ups so bleiben, sondern im Gegenteil, fordern konsequente Maßnahmen, damit Line-ups sich verändern können.
Danke für die Deutlichkeit! Eine vielleicht überflüssige Frage, aber bezeichnet ihr euch als Feministinnen? Und wenn ja, was bedeutet das für euch und wie lebt ihr das im Alltag?
Also jetzt ganz offiziell: Ja wir sind Feminist:innen. Feminismus im Alltag zu leben bedeutet für uns, dass wir uns immer wieder aufeinander besinnen, nach den gegenseitigen Bedürfnissen schauen und versuchen, es jeden Tag in diesen bekackten Strukturen für alle etwas erträglicher zu machen.
Und was denkt ihr, wie sich die Position von Frauen* im Musikbusiness in den letzten 10 Jahren generell verändert hat?
Das Patriarchat ist eine harte Nuss zu knacken. Es gibt heute sicherlich mehr FLINT-Personen auf der Bühne und gewisse Diskurse wurden losgetreten. Aber von so etwas wie Gleichberechtigung im Musikbusiness sind wir noch weit entfernt. Da dürfen wir uns nichts vormachen. Nur weil man so ein paar Leckerlis bekommt und einige FLINT stellvertretend was reißen dürfen, heißt das noch lange nicht, dass wir aufhören können, uns Räume zu erkämpfen und es heißt auch nicht, dass cis-Männer nicht weiterhin aktiv Platz machen müssen!
Thema Pandemie: Was hat Corona für euch in Sachen Musik verändert? Ist die “Zwangspause” Fluch und Segen zugleich? Was denkt ihr, wie es danach weitergeht?
Dadurch, dass wir weniger Zeit auf der Bühne verbracht haben, saßen wir mehr zusammen im Proberaum und haben unsere Wut und unseren Frust ins Songs schreiben verpackt. Aber für einen Segen halten wir die Zwangspause durch Corona trotzdem nicht. Vielen geht es, seitdem es heißt, zu Hause zu bleiben, erst so richtig beschissen. Und danach… ist ja derzeit noch völlig unklar, wann dieses “danach” sein soll. Klar, irgendwann Konzerte wieder, aber mitten in der nächsten Runde von Absagen derzeit ist das nichts, womit wir uns gerade beschäftigen. Wir hoffen es gibt dann noch kleine autonome Zentren und Läden die nicht-kommerzielle DIY-Shows überhaupt noch machen können.
Kurz ein paar Worte zur neuen EP “Team Scheiße”: Wird hier jetzt vor der eigenen Tür gekehrt?
Auf der EP konfrontieren wir die Menschen aus unserer eigenen Szene: Was machst du gegen Rassismus bei dir im Kopf, in deiner Buble, vor deiner Tür? Auf andere zeigen und sagen, was bei ihnen alles schief läuft ist ziemlich easy und gehört zum Szene-Einmaleins. Sich um den eigenen Scheiß zu kümmern ist ungleich schwerer und muss unbedingt endlich passieren. Dieser ganze Prozess steht noch sehr am Anfang. Mit “Team Scheiße” gehts uns nicht darum zu zeigen, wie man kehrt – denn eigentlich sollte klar sein, wie das geht – sondern den Besen aus dem Schrank zu holen und die Kehr-Unwilligen zu konfrontieren.
Gibt es noch andere Projekte speziell für Frauen* (im Musikbusiness oder auch nicht), die ihr unseren Leser*innen ans Herz legen möchtet?
Viel wertvolle Arbeit für den DIY-Punk leisten z.B. „Our Piece of Punk“ und das „böse & gemein“ Kollektiv. Sie zeigen wichtige Perspektiven auf, die es im Punk gibt, aber die nicht genug gehört werden. Außerdem die Kampagne „Solidarity not Silence“ die sich gegen die Unsichtbarmachung von Gewalt an FLINT im Musik Business wehren. „Queers to the front-Booking“ sind wir schon auf Tour über den Weg gelaufen. Es ist wichtig, dass es queer-sensible booking services gibt.
Habt ihr für die Leser*innen noch eine Botschaft, die ihr hier gern mit auf den Weg geben möchtet oder etwas, was ihr sonst noch gern beantwortet hättet?
Informiert euch, bleibt dran, reflektiert euch. Denn wir wissen alle: Solidarität muss praktisch werden. Einfach nur #blacklivesmatter bei Instagram teilen, um das schlechte Gewissen zu erleichtern, reicht nicht. Gründet Bands, wenn ihr was zu erzählen habt, was euch und andere bewegt, was euch wütend oder traurig macht. Supportet migrantische Organisationen.
Danke euch für das Interview!