Nachdem wir letzte Woche von Bad Cop/Bad Cop-Tourmanagerin Ines ein sehr ausführliches und spannendes Interview in der Reihe hatten und viel über Touralltag und Merchandise lesen konnten, geht es heute mit Imke von der RAKETEREI mal in eine ganz andere Richtung, die vor allem das Business noch einmal stärker unterstreicht. Über Imkes vielseitige Tätigkeiten und vor allem die RAKETEREI lest ihr hier:
Hallo Imke, schön, dass ich dich für ein Interview gewinnen konnte. Allein darüber, was du so alles machst, könnten wir wahrscheinlich ein ganzes Interview führen. Du bist Bookerin, Promoterin, Label- und Produktmanagerin, Mentorin und betreibst die RAKETEREI (dazu kommen wir gleich noch) – was habe ich vergessen? Kannst du vielleicht kurz deinen Weg zu diesem vielseitigen Repertoire skizzieren?
Herzlichen Dank für die Einladung!
Kurz vorab: Bookerin und Promoterin bin ich nicht mehr. Dazu gleich mehr.
Ich bin eigentlich studierte Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin, sowie Soziologin. Im Studium habe ich angefangen, beim Fernsehen zu arbeiten und für Zeitungen zu schreiben. Leider hat mich das sehr schnell sehr gelangweilt. Es war mir zu eintönig. Kurz vor meinem Masterabschluss kam meine beste Freundin zu mir und fragte mich, ob wir ein Seminar am Institut für Germanistik belegen wollen. In diesem Seminar ging es um die Bedeutungswanderung im Hip-Hop. Super spannend! Und da war es um mich geschehen. Ich war schon immer sehr musikaffin, aber in diesem Seminar habe ich gecheckt, dass man in der Musikbranche tatsächlich auch arbeiten kann. Nach meiner Masterarbeit habe ich dann angefangen, den PR-Bereich von einem Hamburger Techno-Label aufzubauen, habe parallel im Jazz als Promoterin, Bookerin, Label- und Produktmanagerin gearbeitet, einen Klassikpreis gemanagt und war Pressesprecherin eines großen norddeutschen Kulturfestivals – ich war schon immer vielseitig interessiert und habe viel ausprobiert. 2017 gründete ich dann die RAKETEREI – hier werden im Prinzip all mein Wissen und meine beruflichen Erfahrungen gebündelt. Seitdem ist das mein Fokus. Der Arbeit als Label- und Produktmanagerin für NWOG Records gehe ich ebenfalls noch nach, aber mein Hauptaugenmerk liegt tatsächlich auf der RAKETEREI.

Mit der RAKETEREI verbindet uns beide ja eines: Frauen in Interviews porträtieren, die die Musikszene mitgestalten und prägen. Wie und über welche Kanäle machst du das? Und wie ist es heute selbst mal ein Interview zu geben?
Mein Podcast ist ja nur ein Teil von RAKETEREI – der Teil, mit dem alles anfing. Durch einen Preis, den ich mit RAKETEREI gewonnen habe, wurden Musikerinnen auf mich aufmerksam. Und so entstand die RAKETEREI-Community. Neben meinen Facebook-Gruppen gibt es ebenfalls einen Blog und einen Instagram-Kanal. Hier liegt der inhaltliche Fokus auf Tipps fürs Selbstmarketing. Darüber hinaus habe ich mir einen sehr großen Newsletter-Verteiler aufgebaut. Das sind meine Hauptkommunikationskanäle.
Fast 1500 Mitglieder zählt deine FB-Gruppe RAKETEREI, in der sich Frauen zu unterschiedlichsten Themen in der Musikbranche unterstützen und austauschen. Wie kam es zur Gründung und wie “betreust” du all diese Frauen? Machst du das allein oder gibt es ein ganzes Team?
Ich hatte schon länger die Vision davon, Musikerinnen ein virtuelles Zuhause zu schaffen. Ich habe mich nämlich gefragt, warum ich auf den Netzwerk-Veranstaltungen immer die gleichen Nasen treffe. Irgendwann wurde mir bewusst, dass es daran liegt, dass wir in einer großen Stadt leben und einen einfacheren Zugang zu den Netzwerken haben als z. B. eine Frau, die eine Familie gegründet hat, auf dem Land lebt, in Schichten arbeitet und diverseste Lücken zu schließen hat (Gender Pay Gap, Gender Pension Gap, Gender Care Gap etc.). Und da habe ich entschieden, dass – wenn die Frauen nicht zu den Netzwerktreffen kommen können –, ich das Netzwerk eben zu ihnen bringe. Warum? Weil Netzwerke und das Netzwerken selbst in der Musikbranche das A und O sind! Und mit der Veröffentlichung meiner ersten Podcastfolge im November 2017 entstand die erste RAKETEREI Facebook-Gruppe für Musikerinnen: und damit die Vorstufe des virtuellen Zuhauses für Musikerinnen.
Ich mache im Prinzip alles alleine. Ich habe freie Mitarbeiterinnen, die mich punktuell bei der Technik, im Kommunikationsdesign, beim Lektorat etc. unterstützen.
Ich finde, das Wort „betreuen“ passt hier nicht so ganz. Ich bin ja keine Babysitterin Neben viel Input, den ich kostenfrei rausgebe, können die Frauen selbstverständlich auch mit mir zusammenarbeiten. Ich berate aber nicht, ich begleite über einen längeren Zeitraum als Co-Pilotin/Mentorin und unterstütze Musikerinnen dabei, sich eine profitable Karriere aufzubauen.
Schließt das Angebot auch FLINT*-Personen ein?
Klar! RAKETEREI ist eine Community für alle Menschen, die sich als weiblich wahrnehmen und die mit ihrer Musik Geld verdienen möchten.
Was für Ziele verfolgst du mit deiner Initiative?
Ich möchte Musikerinnen sichtbar machen und ihnen zeigen, wie sie die Mechanismen für sich nutzen können, um mit der eigenen Musik Geld zu verdienen.

Machst du selbst auch Musik und hast du weibliche Vorbilder?
Ich selbst mache keine Musik. Bei mir äußert sich Kreativität in einer anderen Form. Ich sprudele z. B. vor Ideen, kann sehr gut Wissen kategorisieren und clustern und es dann für andere verständlich aufbereiten. Das klingt wahrscheinlich furchtbar langweilig, aber ich habe daran riesigen Spaß!
Ich weiß nicht, ob sie ein Vorbild ist aber ich schätze Tanja, meine Mentorin, sehr. Von ihr habe ich eine Menge gelernt, ich habe durch sie eine Menge verstanden und finde toll, was sie macht.
Wichtige Frage: Was denkst du, warum auf den meisten Bühnen immer noch mehr Männer als Frauen* zu sehen sind?
Tja, das ist die Frage der Fragen.
Ich habe schon viele Gespräche geführt, in denen mir genau diese Frage gestellt wurde und es darum ging, was man dagegen tun könnte. Das waren z. B. Telefonate mit Streamingdiensten, digitalen Vertrieben, Musikredaktionen und auch Geschäften, die Musikinstrumente verkaufen. In wirklich all diesen Gesprächen wurde es am anderen Ende der Leitung still, als ich ihnen klarmachte, dass sie Geld in die Hand nehmen müssen, um diesem Missverhältnis etwas entgegenzusetzen.
Ich musste anfangen zu verstehen, dass diejenigen, die Frauen sichtbar machen könnten, es möglicherweise gar nicht wirklich wollen. Diversität ist in vielen Bereichen nach wie vor nicht gewünscht. Denn Diversität kostet Geld. Diversität ist unbequem. Diversität könnte offenlegen, wie viel Mittelmäßigkeit es sich gemütlich gemacht hat. Wir leben in einer auf die männlichen Bedürfnisse ausgerichteten Welt. Es ist für viele bequem so. Warum sollten sie daran etwas ändern?
Das stimmt mich immer wieder traurig, weil sie einfach nicht sehen, wie viele Chancen mit Diversität einhergehen.
Einige Unternehmen schmücken sich gerne mit den Frauenthemen, aber es bleibt leider häufig bei Lippenbekenntnissen.
Bezeichnest du dich selbst als Feministin und wenn ja, was bedeutet das für dich?
Ja, ich bezeichne mich als Feministin – und werde dafür oft genug belächelt oder nicht ernst genommen. Ich erlebe es in Gesprächen immer wieder – vor allem in solchen, in denen es um Sichtbarkeit, Macht und Geld geht –, dass Männer (verbal) erst einmal ihr „bestes Stück“ auf den Tisch legen und darüber referieren müssen, was für geile Hengste sie sind, bevor es um den Kern des jeweiligen Meetings geht. Ich will hier auf keinen Fall pauschalisieren, aber das ist ein Verhalten, das mir sehr häufig begegnet. Ein Satz, den ich immer noch feiere, ist der, als ein Mann mal zu mir meinte: „Ja, ist ja nett, was du da mit RAKETEREI machst. Diese Idee hatte ich vor 10 Jahren auch schon.“ Da musste ich hart lachen.
Ich möchte in meinem Radius, den ich zur Verfügung habe, die Welt ein kleines bisschen besser machen. Aus diesem Grund setze ich mich für Gleichheit ein. Ganz egal, was die „Längenvergleichsfraktion“ dazu meint.
Welche Beratungsthemen sind während der Pandemie vordergründig? Wie hat Corona deine Arbeit verändert?
Das Thema, wie man das Internet nutzen kann, um mit der eigenen Musik Geld verdienen zu können, ist viel präsenter geworden. Das finde ich gut! Die Musikbranche nutzt nämlich viele der Möglichkeiten, die es gibt, gar nicht. RAKETEREI hat ja von Tag 1 an ausschließlich virtuell gearbeitet. Daher hat sich meine Arbeit dahingehend nicht verändert. Aber die Offline-Events (Konzerte, Messen, Netzwerkveranstaltungen etc.), die fehlen mir sehr!
Was kannst du unseren Leser*innen empfehlen, die vielleicht selbst im Musikbusiness professionell Fuß fassen wollen?
Menschen, die mit ihrer Musik Geld verdienen wollen, müssen sich als Unternehmer*innen wahrnehmen. Es geht um mehr, als „nur“ ums Musikmachen und Songschreiben. Hinzu kommt, dass sie ein gesundes Moneymindset entwickeln sollten. Geld zu verdienen und auch verdienen zu wollen, ist nichts Schlimmes.
Danke für das Interview und weiterhin viel Erfolg!
Anmerkung der Redaktion: Vom 26. – 29. März findet (online) das Event RAKETEREI Festival & Convention statt. Mehr Informationen erhaltet ihr hier.