Letzte Woche hatten wir mit Anette von Hans-A-Plast ein ganz besonderes Interview in unserer Reihe “Frauen im Musikbusiness”. Diese Woche sprechen wir mit Katja aus der Zukunft in Chemnitz und lassen uns erzählen, was rund um das Projekt passiert.
Hallo Katja,
danke für deine Zeit. Wir sind gespannt, was du zu berichten hast. Fangen wir an:
Du bookst und veranstaltest Konzerte in der Zukunft Chemnitz, seit wann machst du das und gab es ein spezielles Ereignis, das für dich der Auslöser war damit anzufangen?
Zuerst war ich nur Bewohnerin im Kompott, später zog ich zwar weg, aber die Wiederbelebung der Veranstaltungsfläche, besser bekannt als Zukunft, holte mich 2014 mit ins Boot. Die Zukunft war von Anfang an als Club gedacht in dem alle mitmachen konnten, das Clubleben eben so zu gestalten wie man es sich immer gewünscht hat, in all seinen Facetten. Ohne ein festgelegtes Genre, Subkultur eben, die für jeden spürbar ist und auf die jeder Einfluss nehmen kann. Basisdemokratisch natürlich, weil man sonst nicht alle Meinungen unter einen Hut bekommt.
Was für Veranstaltungen finden unter deinem Hut sonst noch statt?
Neben dem normalen Konzerten die wir hier organisieren, liegen mir zwei Sachen besonders am Herzen, die ich mit zu Leben erweckt habe. “Kunst im Kompott” habe ich letztes Jahr zusammen mit Svenja erfolgreich organisiert. Dank des Kompotts war es uns möglich eine Galerie im leerstehenden Teil des Hausprojektes bereitzustellen, in dem sich vor allem unbekannte Künstler*innen der Öffentlichkeit präsentieren konnten. Auch musikalisch haben wir Newcomern aus der Region unsere Bühne überlassen. Ich freu mich da schon wirklich auf die nächste Runde. “The Future is Female” ist das zweite Baby, was umsorgt werden will. Mit Kate kam der Gedanke schon letztes Jahr, dass man viel zu wenige nicht männliche Stimmen bei uns hört. Deswegen auch die Idee, eine Reihe daraus zu machen. Wir hoffen vor allem Bands damit auf die Bühne zu holen, in denen starke Frauen ihre Meinung kund tun und andere motivieren dies auch zu tun. Ich glaube dahingehend ist noch viel Luft nach oben.
Neben der Organisation von Veranstaltungen machst du auch eine Reihe andere Dinge in der Zukunft. Was zum Beispiel? Wo würdest du deine Arbeit einordnen, eher privat als “Hobby” und was machst du, wenn du nicht in in der Zukunft am Werkeln bist?
Da wir hier alle ehrenamtlich arbeiten, macht eben jeder das was er kann bzw. was ihm zeitlich möglich ist. Zum Glück muss da keiner von uns alleine an Aufgaben ran, ich glaube da würden wir untergehen. Ich bin quasi vom Toilettenartikel Kauf über Getränkebestellung, Schnaps mischen, Kassen zählen, Klos putzen etc. überall mal mit eingebunden. Dies macht das Ganze aber nie langweilig. Vor allem weil wir trotz aller Höhen und Tiefen ein gutes Team sind. Für mich persönlich ist die Crew eine zweite Familie, mit der man auch außerhalb des “Wohnzimmers” gerne Zeit verbringt. Manchmal ist es aber schon komisch, woanders auf einem Konzert zu sein und nix zu tun zu haben.
Gibt es ein besonders ergreifendes, tolles oder sogar mieses Erlebnis in deiner Zeit in der Zukunft, das du mit Sicherheit nie vergessen wirst?
Besonders toll ist natürlich ein Abend, an dem alle glücklich sind, Den Bands das Essen geschmeckt hat, die Gäste glücklich vor der Bühne feiern und wir als Crew trotz all dem Stress lachend miteinander Spaß haben. Freundschaften die sich mit den Bands bilden und Mails die uns zeigen, dass Künstler gerne wieder kommen möchten, sind natürlich eine besondere Art der Wertschätzung. Die kann einem niemand bezahlen. Für mich war ein besonderer Abend, als Sham 69 bei uns gespielt haben und ich von einem Teammitglied mit Krücken und gebrochenem Fuß abgeholt wurde, damit ich es nicht verpasse. Ein tolles Konzert, mit tollen Leuten, hätte ich nicht missen wollen.
Immer wieder schwer ist es natürlich, wenn Vereinsmitglieder gehen, das hinterlässt Lücken in vielerlei Hinsicht. Das ist natürlich nicht mies, weil sich bei jedem mal die Situation ändert, aber es macht zumindest traurig. Umso schöner ist es aber, wenn wir trotz solcher Tiefschläge immer wieder auf die Beine kommen. Ich glaube mittlerweile habe ich den Altersvorsitz, als längstes Mitglied.
Mies aber witzig war die Anfrage von einer Agentur, ob Paris Hilton bei uns im Laden auflegen könnte. Ich glaube alles weitere erklärt sich von selbst.
Was denkst du wie sich die Position von Frauen im Musikbusiness – speziell bei den Veranstaltenden – in den letzten 10 Jahren verändert hat? Wie empfindest du den Umgang mit Frauen in der Szene? Gibt es Vorfälle, zu denen du vielleicht etwas loswerden möchtest?
Beim Booking konnte ich persönlich noch nicht feststellen ob jemand Unterschiede macht, auch nicht in andern Punkten der Organisation. Allerdings sind mir schon Schwierigkeiten bekannt, die aber glaub ich eher in der Definition der einzelnen Bands liegen. Nicht jede Band, die mit Frauen besetzt ist, möchte auch female fronted genannt werden bzw. auch in einem Format spielen, in dem es darum geht. Andersherum fällt einem aber immer wieder auf, dass nun mal leider nur ca 20% der Bands die gerne bei uns spielen würden nicht rein männlich besetzt sind.
Vielleicht sind wir als Club einfach nicht bekannt genug um auch mehr Anfragen von nicht all male Bands zu bekommen. Ich würde mir zumindest wünschen, dass unser Angebot dahingehend steigen würde und Abende wie “the future is female” irgendwann überflüssig sind. Mehr Ausgeglichenheit bei allen Genderformen wäre echt prima und vor allem wünschenswert zum Austausch.
Das größte Problem geht aber eigentlich von manchen unserer Gäste aus. Da fallen dann schon noch manchmal so Sprüche wie “Von einer/m Frau/Weib muss ich mir nichts sagen lassen”, übergriffige Worte an der Bar und derbe stark fehlgeleitete “Flirtversuche” und wenn man darauf hinweist, kommt natürlich das übliche “komm, hab dich doch mal nicht so” oder “man kann es auch übertreiben”. Man sollte ja meinen, dass man in der Szene, was sowas angeht, sensibler ist, aber mit dem steigenden Alkoholpegel fällt auch hier die Grenze weiter ab.
Und noch etwas sticht einem ständig ins Auge, es gibt zumindest in unserem Umfeld nur zwei Tontechnikerinnen. Auf Festivals sieht man auch kaum bis eigentlich nie eine. Empfinde ich als sehr schade und würde das gerne ändern, bin mir bloß nicht wirklich sicher, woran das liegt und wie man Interessierte fördern könnte.
Würdest du dich als Feministin bezeichnen?
Ja, würde ich.
Auf welche zukünftigen Ereignisse freust du dich besonders? Gibt es etwas, was du unbedingt noch erleben möchtest, vielleicht eine Band, oder ein Festival, das du gern mal in der Zukunft in Chemnitz veranstalten würdest?
Wie gesagt, ich freue mich natürlich auf die nächste Runde von “the future is female” und hoffe, dass es diesmal vielleicht auch mit einer Tontechnikerin klappt. Ich habe so viele Bandwünsche, da würden ich wahrscheinlich beim Aufzählen nie fertig werden. Außerdem würde ich mir im Allgemeinen wünschen, dass Leute wieder öfter auf kleinere Konzerte von unbekannten Bands gehen, damit sie mehr WOW-Momente erleben können.
Hast du für die Leser*innen noch eine Botschaft, die du hier gern mit auf den Weg geben möchtest oder etwas, was du sonst noch gern beantwortet hättest?
Es gibt noch viel zu tun, also lasst uns zusammen anpacken. Nur weil bei uns alle gleichermaßen akzeptiert werden, haben noch lange nicht alle den gleichen Stellenwert. Es ist noch lange nicht alles gesagt und getan in Richtung Gleichberechtigung.
Übrigens vom 11. bis zum 18.03. fand “Vulva Me!” in Chemnitz statt. Die Ausstellung stellt Vulven in ihrer Vielfalt dar und räumt mit verstaubten Mythen auf. Begleitet wurde die Ausstellung von Workshops, Buchvorstellungen, Diskussionen und kreativen Aktionen rund um das weibliche* (Lust)Organ. Ich glaube unsere Freund*innen vom AJZ, Subbotnik und Aguia haben da ein großartiges Projekt auf die Beine gestellt und ich bin schon echt mega gespannt darauf.
Vielen Dank für das Interview, Katja!