Hatten wir letzte Woche mit Karen Dhios endlich mal wieder eine Tontechnikerin & Musikproduzentin im Interview, wechseln wir gleich heute doch wieder zu den Musikerinnen. Im Interview erzählt uns Mephi, Bassistin und Sängerin der Fuzz-Rock Band DAILY THOMPSON, wie sie zur Musik gekommen ist und welche Erfahrungen sie in Booking und Tourmanagement sammeln konnte. Viel Spaß beim Lesen!
Hallo Mephi, du spielst nicht nur Bass und singst bei DAILY THOMPSON, sondern bist auch noch in einer ganzen Reihe anderer Bereiche im Musikbusiness tätig. Doch fangen wir bei deiner Band an: Wie bist du dazu gekommen überhaupt Musik zu machen und wie habt ihr euch als Band gegründet?
Hey, also ich habe mit 5 Jahren angefangen mit Klavierunterricht, den auch sehr lange durchgezogen, bis ich dann irgendwann ein Saiten-Instrument in die Finger bekommen habe. Musik hat mich einfach schon immer begleitet, egal ob mit Mama Platten hören, später im Beruf oder eben selber Sound machen, Musik war und ist in meinem Dasein einfach nicht wegzudenken.
Daily Thompson haben Danny und ich 2013 gegründet. Er kam aus einer Punkband, ich kam, naja sagen wir, auch aus einer „Band“, und irgendwann hat Danny gefragt, ob wir nicht einfach zusammen Musik machen wollen, da wir auch in eine andere Richtung wollten, langsamer und souliger sollte es werden, wir wollten nichts schnelles und punkiges mehr, haben zu der Zeit auch viel Black Keys gehört und wollten einfach mal Sound machen, der uns Spaß macht. So war der Plan und der Rest ist ja bekannt.
Kannst du dich an euer erstes Konzert erinnern? Wie war das für dich? Oder hast du vorher noch in anderen Bands gespielt und schon Bühnenerfahrung mitgebracht?
Ich habe tatsächlich mein erstes Konzert an den Tasten gehabt. 2012 ungefähr gab es die Band „Verboten“, die aus dem Alternative- / Indie-Bereich kam, ich muss dazu sagen, die Band bestand aus unserem Nachbarn, Danny und einem Freund an den Drums, also keine Unbekannten und da sie einen Auftritt in einer Kirche hatten, haben sie gefragt, ob ich nicht Flügel spielen wolle. Davor hatten wir sozusagen ein Probekonzert am Dortmunder Hafen, da habe ich dann auf dem Flohmarkt-Keyboard einer Freundin, welches auf 2 Bierkästen stand, meinen ersten Liveauftritt absolviert, man oh man, meine Finger haben nur gezittert und ich wäre am liebsten durch den Kanal nach Hause gepaddelt 😉 Hab es aber durchgezogen und da habe ich gemerkt, ja man, das will ich am liebsten für den Rest meines Lebens machen.

Für die Band machst du außerdem auch das Booking und die Labelarbeit. Wie nimmst du da die Arbeit deiner männlichen Kollegen wahr und gibt es Bereiche, in denen du dich benachteiligt fühlst? Was denkst du, sind die Gründe dafür?
Ich habe ja damals meine Ausbildung nach dem Abi bei einem Label gemacht, wo ich eben den Booking-Bereich selber aufbauen durfte, ich weiß jetzt auch warum, weil nämlich keiner Bock drauf hatte, aber da habe ich tatsächlich die Arbeit meiner männlichen Kollegen schätzen gelernt aber gleichzeitig auch gemerkt, dass es erstmal sowieso weniger Frauen gibt und auch, dass man sich ohne ein dickes Fell am besten direkt was anderes sucht. Natürlich kann man das nicht verallgemeinern und einige meiner Freunde kamen auch damals aus der Musikindustrie, die alle nie einen Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Mitarbeitern gemacht haben.
Anders sieht es da grade bei den Alteingesessenen aus, da hatte ich zum Teil wirklich Erfahrungen wie „Hey Püppi, bringst du mir mal nen Kaffe?” oder “Hey schicker Rock, Bock auf einen Job hier?“, obwohl ich eigentlich im Auftrag unseres Labels Geschäftstreffen hatte, da wurde mir schnell klar, wenn man den Säcken da nicht die Stirn bietet und sie auch einfach walten lässt, kriegen die nie was mit und da sind wir auch wieder bei dem dicken Fell was ich meinte, manchmal war es dann halt so, dass ich eben keinen Erfolg hatte, einfach weil ich mich nicht als Frauchen behandeln lassen hab. Grade als junge Frau und frisch im Business ist man unsicher und manchmal wusste auch ich nicht, was ich tue und da wäre es schön gewesen, wenn man sich nicht auch noch mit solchen Problemen rumplagen müsste, aber anmerken lassen hab ich mir nie was und dann habe ich halt einfach mal meine Meinung gesagt, auch auf die Gefahr hin anzuecken, denn kein Job oder Auftrag ist es wert sich wie ein Stück Fleisch behandeln zu lassen.
Die Gründe warum das zum Teil immer noch so ist, denke ich, liegen definitiv auch beim Frauenbild von früher. Wie gesagt bei jungen Kollegen ist es mir nicht so aufgefallen wie eben bei den älteren „Chefs“ die sich ja auch gerne in Monolen präsentieren als hätten sie schon Mozart gemanagt und groß raus gebracht. Dass man überhaupt noch Unterschiede macht ist das, was sehr schade ist, gerade im 21. Jahrhundert.
Auch im Tourmanagement hast du Erfahrungen gesammelt. Vielleicht magst du uns ein besonders einprägsames Erlebnis aus dem Tour-Alltag erzählen…
Oh ha, da war alles sehr einprägsam, grade wenn man mit 21 Jahren eine Band mit zum Beispiel 5 sogenannten erwachsenen Männern begleitet, die es nicht mal schaffen alleine den Weg zum Bus zu finden. Gerne auch während der Fahrt auf einmal die Tür aufreißen, um auf einen Stromkasten einzuhämmern mit seinem Kopf, weil man sich überlegt hat während der Tour Frutarier zu werden, sich das aber mit einem Kater eben nicht so verträgt und erst recht nicht dagegen hilft.
Also spannend war es immer und in dem Bereich hab ich gelernt, was “sich durchsetzen” bedeutet, auch hier wurde mir oft, einfach ohne dass man sich vorgestellt hat, direkt gesagt „Hey Mäuschen, da ist die Merchecke“, weil ist ja klar, Frauen verkaufen natürlich Merch und die Männer rechnen ab. Aber die Zeit werde ich nicht vergessen und vor allem das Auf-Tour-Sein, hat mir vieles beigebracht, was man hinterm Schreibtisch nie lernen würde.
Schön sind besonders die Tage, wo man dann nach der Show mit der ganzen Crew in die Hotellobby einfällt und bis morgens 5 Uhr das Barpersonal wachhält 😉

Du bist außerdem Mitveranstalterin der Konzertreihe “Check Your Head” in Dortmund. Wie bist du dazu gekommen und wie sieht deine Arbeit dort aus?
Ich bin dazu gekommen, weil Danny und ich uns gedacht haben, wieso gibt es in Dortmund eigentlich nicht auch Konzerte im, nennen wir es Mittelsegment, also nicht 100 Leute aber eben auch nicht direkt 500-1000 und viele Bands touren eben in NRW, dann in Köln oder Essen oder sonst wo, aber wir hatten das Gefühl, dass wir von manchen Routings benachteiligt werden, also haben wir es selber in die Hand genommen. Eigentlich sollte das erste CYH 2018 stattfinden, das hat aber alles nicht geklappt, dann haben wir das Venue gewechselt und dann ist es im Frühjahr 2019 endlich soweit gewesen und es wurde auch sofort dankend angenommen, somit war das Ziel erreicht und der Startschuss für die Reihe gesetzt. Das zweite CYH war dann schon mehr als doppelt so gut besucht und wenn es weiter so gut läuft mit dem Ticketverkauf, können auch wir vielleicht mal die große Halle nutzen und noch größere Bands nach Dortmund holen, in normalen Zeiten, versteht sich.
Ich kümmere mich ums Booking, mache aber auch das Online-Marketing, sowie die Zeitplanung und auch die Künstlerbetreuung vor Ort am Tag der Veranstaltung selbst. Wir haben auch ein super Team, sodass es eigentlich nicht als Arbeit bezeichnet werden dürfte.
Hand aufs Herz: Corona trifft uns im Veranstaltungsbereich alle sehr – wie sieht es für dich und euch für 2021 aus? Wie geht es danach weiter?
Tja letzte Woche wurde erst unser ausverkauftes Konzert 2 Stunden vorher abgesagt… ob es wirklich ein „danach“ gibt weiß ich deshalb nicht so ganz genau. Uns trifft es mitten ins Gesicht. Da kann ich auch nichts beschönigen. Wir leben davon, ob als Musiker, als Mercher und auch als Veranstalter, bei uns ist alles weggebrochen, aber komplett.
Wir konnten einige Shows spielen, aber am Anfang mussten wir direkt 40 Shows plus die Festivals absagen, da ist man schon direkt in eine kleine Depression gefallen, aber es ist ja nicht nur bei uns so. Deshalb machen wir jetzt einfach das beste draus und schreiben schon an Songs für das nächste Album, drücken die Daumen, dass das Check Your Head im November stattfinden kann und ich arbeite noch an meinem Projekt, das in eine etwas andere Musikrichtung gehen wird. Kopf hoch und hoffen, dass nächstes Jahr zumindest wieder etwas mehr geht als in diesem.
*Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde noch 2020 geführt.
Was denkst du wie sich die Position von Frauen im Musikbusiness in den letzten 10 Jahren verändert hat? Hast du bei deiner Arbeit eine Art “Turning Point” erlebt?
Wie schon oben angedeutet, ich empfinde es schon so, dass es als Frau nicht mehr so ist wie damals als ich angefangen habe, einfach weil eine ganze Generation jetzt mehr aufmerksam auf das Thema macht und nicht nur Frauen ihre Stimme erheben. Aber da sieht man halt auch, es wird immer noch ein Unterschied gemacht und wenn man mal in die Industrie schaut, gibt es da schon ein „Frauenproblem“, denn wenn man einfach mal auf die Big Labels, sprich die Majors schaut, da sieht man kaum Frauen in den oberen Etagen, aber das Bewusstsein für dieses Problem ist jetzt wenigstens vorhanden und ich glaube das ist schon mal ein wichtiger Schritt.
Was denkst du sind die Gründe dafür, dass auf den Bühnen immer noch mehr Männer als Frauen zu sehen sind?
Meiner Meinung nach ist es erst einmal so, dass Musiker Musiker sind, egal ob Frau oder Mann und ich muss auch dazu sagen, dass ich weniger Frauen sehe, die wirklich was drauf haben. Woran es liegt, weiß ich nicht wirklich, ob viele eben einfach nur in einer Band sein wollen oder was auch immer, aber man muss sich auch klar machen, ohne Üben wird dat nix und wenn ich 3 Stunden überlege, welches Outfit ich anziehe oder hier noch einen Post mache, dann aber meine Gitarre verstimmt ist, hab ich da kein Verständnis für. Und ich finde es auch nicht ok, wenn zum Beispiel, eine All-Girl Band total gehypt wird, die aber musikalisch leider total beschissen sind, da geht es mir zumindest nicht um Frau oder Mann, sondern um den Sound. Klar es gibt viele richtig gute Musikerinnen, nicht das ich hier falsch verstanden werde, aber eben nicht genug!
Und natürlich sieht man weniger Frauen, weil es auch weniger gibt. Und die schwachsinnige Meinung gibt es ja auch immer noch, dass Künstler präsenter sind als Künstlerinnen, außer man macht sie so, dass es funktioniert. Gerade die großen Popstars sind für mich völlig falsche Vorbilder für Mädchen, denn da wird genau das vorgelebt, Nägel, Matsche ins Gesicht, Outfit muss passen, bisschen singen, aber der Rest wird vom Management gemacht, da fehlt dann einfach das Bewusstsein für die Musik selbst, sodass natürlich auch weniger Mädchen anfangen ein Instrument, vor allem wenn es nicht um Gesang oder Gitarre geht, in die Hand zu nehmen. Zum Glück gibt es aber immer mehr Kollektive und Vereine die genau da ansetzen und Mädchen und Frauen vielleicht auch ein bisschen die Angst und Unsicherheit nehmen und ermuntern, genau das zu machen, was immer noch viel zu wenige machen.

Bezeichnest du dich als Feministin und wenn ja, was bedeutet das für dich?
Auf jeden Fall! Ich finde es erschreckend, dass die Frau an sich immer noch kämpfen muss, um die gesellschaftlichen Normen so zu verändern, dass man gleichgestellt wird. Wie gesagt wir leben im 21. Jahrhundert. Für mich bedeutet es erst einmal, dass ich gegen die traditionelle Rollenverteilung bin und es geht auch nicht in meinen Kopf rein, wieso es immer noch diese mittelalterlichen Vorstellungen gibt und ja zum Teil auch ausgelebt werden. Zum Beispiel dürfen Frauen im Iran nicht Fächer wie Chemie oder ähnliches studieren, weil Geistliche im Bildungsaufstieg der Frauen eine Gefahr für die Gesellschaft sehen… das tut schon beim Schreiben hier weh und solange es so etwas noch gibt, dürfen wir nie aufhören zu kämpfen oder sagen wir, es verändern zu wollen.
Frauen sollten selbstbestimmt das tun, was sie möchten!
Hast du für die Leser*innen noch eine Botschaft, die du hier gern mit auf den Weg geben möchtest oder etwas, was du sonst noch gern beantwortet hättest? Gern kannst du an dieser Stelle auch weitere Projekte für Frauen im Musikbusiness empfehlen.
Ich würde gerne jungen Mädchen und Frauen mit auf den Weg geben, dass man immer alles versuchen muss, was man möchte! Und wenn man sich mal alleine fühlt, gibt es in vielen Städten wie schon gesagt, Vereine, Jam Sessions und viele andere Möglichkeiten sich mit Gleichgesinnten zu treffen und Musik zu machen oder darüber zu reden etc.
Spontan fallen mir da jetzt Grrrl-Noisy aus Berlin oder FlintTones aus Leipzig ein.
Wie gesagt, Style needs no attitude, also ran an den Bass oder Drums oder Gitarre oder Keys oder oder oder 🙂
Danke dir für das Interview, Mephi!