Die Interview-Reihe “Frauen im Musikbusiness” hat sich ja in den letzten Monaten zu einem wahren Dauerläufer entwickelt und wir durften hier in der Vergangenheit schon viele bekanntere und unbekanntere Frauen aus der Musikszene interviewen. Diese Woche wird uns Aline von der Band Conyo ein paar Fragen beantworten und so wollen wir gar nicht groß um den heißen Brei reden und starten direkt:
Hallo Aline, kannst du uns einen Einblick geben, was du bisher so im Musikbusiness gemacht hast und was derzeit für die Zukunft bei dir im Musikbereich geplant ist?
Hallo Nico. Ich war lange als Fan in der Musikszene unterwegs, am liebsten auf kleinen Clubkonzerten. Als ich zusammen mit Freunden bei Kopfecho war, wurde der Wunsch selber Musik zu machen so groß, dass ich in einer Schnapslaune diese Freunde überredete gemeinsam Musik zu machen. So gründeten wir die Band Conyo. Ein Teil von uns war zuvor schon in Bands unterwegs, aber jeder von uns hat sein Instrument neu gelernt. Somit habe ich 2014 begonnen Schlagzeug zu lernen. Es ist absolut “mein Instrument” geworden und ich liebe es.
2020 habe ich mit meiner Band eine EP raus gebracht, welche wir nach Corona ordentlich auf den Bühnen zocken wollen. Zukünftig geplant ist ein Album, ich bleibe aber lieber in einer Band mit vollem Herzen dabei, anstatt viele Nebenprojekte zu haben. Ich neige sonst dazu, mich zu verzetteln 😛 In Conyo geben wir sehr viel Energie rein, weshalb daneben keine Zeit für etwas anderes wäre.
Wie ist das für dich, die Musik von einer komplett neuen Seite zu erleben? Du standest ja vorher nur vor der Bühne als Gast und nun bist du auf der Bühne. Wie fühlt sich das für dich an?
Es fühlt sich großartig an. Am Anfang wollte ich eigentlich gar nicht auf der Bühne stehen und dachte, im Proberaum Musik zu machen reicht, hauptsache man macht Musik. Aber die Energie, die einem das Publikum gibt und das Adrenalin vor einem Auftritt sind einfach unbeschreiblich. Ich hätte auch nie gedacht, auf etwas so stolz zu sein, aber wenn man dann z.B. eine EP von sich in den Händen hält, ist das schon ein sehr großartiges Gefühl. Ich bin immer noch gerne vor der Bühne und supporte die lokale Szene, aber ohne selber Musik zu machen könnte ich mir mein Leben nicht mehr vorstellen.
Jetzt sitzt du ja am Schlagzeug, was ja ein ziemlich intensives Instrument ist. Kommst du da körperlich und geistig manchmal an deine Grenzen? Ist ja doch recht viel, was man da an Einsatz bringen muss und dann ist es ja auch nicht nur eine Hand, die man bewegen muss. Ich stelle mir das als Nicht-Musiker ziemlich straight vor.
Na klar komme ich an meine Grenzen. Vor allem, weil ich mich ursprünglich einfach ran gesetzt habe und dachte: “Ich mach das jetzt einfach, wird schon laufen”. Das hat auch tatsächlich sehr lange gut funktioniert, ich bin jedoch jetzt an einem Punkt, wo ich einen hohen Ehrgeiz an mich und mein Instrument entwickelt habe. Da ich nie Unterricht oder dergleichen genommen habe, nehme ich aktuell Schlagzeugunterricht. Es macht einen wahnsinnigen Spaß, obwohl ich auch da oft frustriert bin und die Sticks am liebsten in die Ecke schmeißen würde. Unterm Strich denke ich, dass jeder Musiker immer denkt er könne es besser machen und müsste mehr üben, die Kunst ist es, nicht aufzugeben und weiterzumachen. Schlagzeug ist auf jeden Fall das Instrument, womit man seinen kompletten Körper fordert und Herausforderungen machen ja eigentlich Spaß, vor allem, wenn man sie irgendwann nach viel Übung meistert.
Witzig, dass ihr euch bei einem Kopfecho Konzert zusammengefunden habt. Die Band kenne ich auch schon lange und hatte ihnen ganz zu Anfang beim Booking geholfen. Dort musste ich immer wieder feststellen, dass es Veranstalter*innen gab, die nur die Band gebucht haben, weil eine Frau dabei ist. Hast du das Gefühl, dass das bei euch auch so ist und wie ist denn allgemein so der Umgang mit euch von Seiten anderer Bands und Veranstalter*innen?
Ja das kann ich bestätigen. In der Musikszene herrscht auch 2020 noch erstaunlich viel Sexismus. Sei es positiv gemeint, oder auch jovial negativ. Es fängt bei Konzerten schon oft damit an, dass die Mitarbeiter*innen der Veranstaltungen denken, wir seien die Instrumente tragenden Groupies. Wenn meine Bassistin und ich dann auf der Bühne zum Soundcheck stehen, schaut man oft in erstaunte Augen. Ich wurde auch einmal vom Catering verwiesen, da eine genervte Köchin nicht immer für die Freundinnen der Musiker mitkochen wollte. Ich habe dann erklärt, dass ich zur Band gehöre. Sie fragte mich, was meine Rolle in der Band wäre. Als ich ihr erklärte, dass ich die Schlagzeugerin sei, unterstellte sie mir, dass ich lüge und “Sängerin” hätte sie mir noch abgenommen. Erst als mein männlicher Sänger bestätigte, dass ich in der Band bin, hat sie mir geglaubt. Es ist aber auch andersrum genauso nervig, wenn einem so ein jovialer Schulterklopfer entgegengebracht wird mit den Worten: “Toll, dass du als Frau Schlagzeug spielst”. Am besten noch vor einem Auftritt, wo die Person also noch gar nicht weiß, ob ich denn wirklich gut spiele oder nicht. Es geht dabei nur um das Geschlecht, dass ich überhaupt als Frau mich dies traue. Oft bekomme ich auch die Rückmeldung, ich solle mehr lächeln wenn ich spiele. Weil man von Frauen Dankbarkeit und Freundlichkeit erwartet. Ich kenne keinen Schlagzeuger, der dauergrinsend und freundlich lächelnd hinter seiner Schießbude hockt. Unterm Strich ist es aber auch ein praktischer Scheißefilter, weil man mit solchen Leuten direkt weiß, dass man nicht auf einer Wellenlänge ist.
Gab es für dich als Gast oder Musikerin schon mal eine Situation auf einem Konzert, wo du Angst hattest oder dich durch andere Personen nicht sicher fühltest? Wenn ja, was hast du dagegen gemacht?
To be honest… Es gab sicherlich solche Situationen, wo ich mich unsicher hätte fühlen sollen. Da ich dem Krawallwasser jedoch nicht abgeneigt bin und mich auch körperlich durch das Schlagzeugspielen nicht unterlegen fühle, gehe ich mit vollem Selbstbewusstsein in solche Situationen hinein und versuche eher, meine Freunde und Bekannten vor unschönen Situationen zu schützen. Ich regel gerne Sachen, also regel ich auch solche Situationen.
Hat sich in der letzten Zeit das Publikum auf Konzerten eigentlich verändert und wenn ja, wie? Wo siehst du positive und wo negative Veränderungen?
Das kann ich schwer einschätzen. Ich denke prinzipiell, dass sich der Konsum von Musik stark verändert hat und die Menschen generell nicht mehr so viel wie früher auf Konzerte gehen. Ich habe oft das Gefühl, dass Menschen Musik aus der Dose konsumieren und für viele nicht mehr der Fokus auf Musiker*innen oder Bands liegt. Besonders für die lokale Szene hat dies meiner Meinung nach starke Auswirkungen, was man vielleicht auch an dem Sterben der Clubs, oder irre Konstrukte wie “pay to play” sehen könnte.
So, fast schon am Ende angekommen, würde ich gerne mal noch wissen, mit welchen 4 Musiker*innen du gerne mal die Bühne teilen möchtest und welches Lied ihr zusammen spielen sollt. Warum genau die Musiker*innen?
Ich würde von Tool – Lateralus spielen wollen, die 4 Musiker*innen wären mir egal. Hauptsache man wäre während des Liedes ultra auf einer Wellenlänge und lötet sich nach diesem unfassbar geilem Lied so richtig schön einen rein.
Möchtest du noch etwas loswerden oder unseren Leser*innen und Lesern etwas mit auf den Weg geben?
Denkt niemals, dass man zu alt ist, um ein Instrument zu lernen. Gebt niemals auf, wenn es anfangs nicht klappt, das gehört dazu. Und unterstützt die “pay to play” scheiße nicht. Wenn wir uns alle weigern da mit zu machen, würde es das Konzept nicht mehr geben. Wer als Veranstalter Schiss hat, seinen Laden nicht voll zu bekommen, der hat die Worte Mischkalkulation und unternehmerisches Risiko noch nicht gehört, that’s life. Und an die Frauen: Viva la vulva! Ihr müsst nicht süß aussehen, sexy sein und dauernd lächeln, um auf der Bühne zu stehen! Aber ihr könnt es natürlich, wenn ihr es wollt !!!